Haarausfall kann eine Behinderung sein. Copyright by ksu_ok/Fotolia
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Klägerin beantragt bei der Krankenkasse Kostenübernahme für Echthaarperücke

Eine 55-jährige Frau leidet aufgrund einer Schuppenflechte unter einem kreisrunden Haarausfall. Dies veranlasste sie, bei ihrer Krankenkasse (KK) die Kostenübernahme für ein maßgeschneidertes, handgeknüpftes Echthaarteil zu beantragen. Die Kosten hierfür sollten1290 Euro betragen.

 

KK lehnt Antrag ab, hält Kunsthaarperücke für ausreichend

Die KK war grundsätzlich bereit, Kosten für eine Perücke zu übernehmen. Die Kosten wurden jedoch auf 511 Euro reduziert. Denn, so die KK, für diesen Betrag sei eine gute Kunsthaarperücke zu erwerben, die ausreiche, um die kahlen Stellen der Frau zu bedecken. Im Übrigen sei auch zu bedenken, dass die Frau sich nicht überwiegend in der Öffentlichkeit aufhalte und eine maßgeschneiderte Echthaarperücke deshalb unwirtschaftlich sei.

Erfolgreiche Klage beim Sozialgericht

Mit der Argumentation der KK ging die Klägerin nicht einig. Sie klagte erfolgreich beim Sozialgericht (SG) Osnabrück. Mit Urteil vom 26. November 2015 gaben die Richter*innen des SG der Klägerin Recht.

Krankenkasse geht in Berufung

Gegen die erstinstanzliche Entscheidung legte die KK das Rechtsmittel der Berufung beim Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen ein, die jedoch nicht von Erfolg gekrönt war.
In ihrer Entscheidung vom 26. März 2019 kamen die Richter*innen des LSG zu dem Ergebnis, dass die KK die vollen Kosten für die Echthaarperücke zu übernehmen habe. Der Anspruch ergebe sich aus § 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch V, der folgenden Inhalt hat:

 „Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind.“

Haarausfall kann eine Behinderung sein

Ein partieller Haarverlust für eine Frau im Alter der 55-jährigen Klägerin, so das LSG, sei als Behinderung im Sinne des Gesetzes anzusehen. Das Haarteil sei für sie ein Hilfsmittel, um selbstbestimmt und gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können.

Warum muss es ein Echthaarteil sein? - Kunsthaarteil grundsätzlich ausreichend

In der Regel muss die Kasse nur die Kosten für eine Kunsthaarperücke tragen. Denn eine vollständige Rekonstruktion des vorherigen Aussehens muss nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung nicht gewährleistet werden.

Dermatologe befürwortet Echthaarperücke

Wenn aber medizinische Gründe vorliegen, die ein Echthaarteil erforderlich machen, kann die KK zur Übernahme der Kosten verpflichtet werden. Bei der Klägerin war dies der Fall. Denn ihr Dermatologe hatte wegen der Schuppenflechte von der vollständigen Verdeckung der restlichen Kopfhaare abgeraten. Eine Kunsthaarperücke, so der behandelnde Arzt, sei für sie deshalb nicht zweckmäßig und ein maßgeschneidertes Echthaarteil angemessen.

Hier geht es zur Pressemitteilung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 20. Mai 2019