Der Arzt hatte für die Übermittlung der gelben Scheine Freiumschläge einer Krankenkasse genutzt. Diese Möglichkeit gibt es nicht mehr.  Copyright by Adobe Stock/Bank-Bank
Der Arzt hatte für die Übermittlung der gelben Scheine Freiumschläge einer Krankenkasse genutzt. Diese Möglichkeit gibt es nicht mehr. Copyright by Adobe Stock/Bank-Bank

Der Sachverhalt in Kürze:
Der knappschaftlich versicherte Kläger bezog im Jahr 2016 Krankengeld. Sein Hausarzt hatte für die Übermittlung von Krankschreibungen Freiumschläge einer anderen Krankenkasse verwendet. Auf diesen Umschlägen war die Empfängeranschrift einer Belegsammelstelle vorgedruckt. Als die Knappschaft Bahn-See eine ärztliche Bescheinigung über diesen Weg nicht innerhalb einer Woche erhielt, strich sie das Krankengeld für 9 Tage.
 
Widerspruch, Klage und Berufung hatten keinen Erfolg. Das Bundessozialgericht (BSG) vertritt jedoch eine andere rechtliche Einschätzung.
 
Der rechtliche Ausgangspunkt:
Der Anspruch auf Krankengeld ruht, solange die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse nicht gemeldet wird. Das gilt nicht, wenn die Meldung innerhalb einer Woche nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit erfolgt (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V).
 

Grundsatz: Die Versicherten haben den verspäteten Zugang einer Krankmeldung zu vertreten

Wer gesetzlich krankenversichert ist, hat die Pflicht, die ärztliche Krankschreibung seiner Krankenkasse umgehend zukommen zu lassen. Dauert die Meldung länger als eine Woche, hat das grundsätzlich der Versicherte selbst zu vertreten. Das ist bis auf strenge Ausnahmen auch so, wenn er seine Arbeitsunfähigkeit nicht persönlich mitteilt, sondern die Bescheinigung durch die Arztpraxis übermittelt wird.
 
Es gibt dann kein Krankengeld, bis die die ärztliche Bescheinigung bei der Kasse vorliegt.
 

Rechtsprechung lässt Ausnahmen bei ärztlicher Falschberatung zu

In manchen Fällen wird der verspätete Zugang nicht dem Versicherten angelastet: Wenn der Versicherte alles ihm zumutbare getan hat und trotz eines rechtzeitigen Arzt-Patienten-Kontakts Arbeitsunfähigkeit nicht bescheinigt wird. Es geht um die Fälle, in denen Versicherte ärztlich (medizinisch oder nichtmedizinisch) falsch beraten wurden.
BSG zum Krankengeldanspruch in Fällen falscher ärztlicher Beratung
 

Regelfall: Arzt händigt dem Versicherten auch die Ausfertigung für die Krankenkasse aus

Versicherte erhalten vom krankschreibenden Arzt drei Exemplare der Bescheinigung über Arbeitsunfähigkeit. Eines für die Krankenkasse, eine für den Arbeitgeber und eines für die eigenen Unterlagen. Sie müssen dann dafür sorgen, dass die Bescheinigung innerhalb einer Woche bei der Krankenkasse eingeht.
 

Ausnahmefall: Die Arztpraxis leitet die Ausfertigung für die Krankenkasse weiter

Im Falle des Klägers hat der der Arzt die Bescheinigung an die Krankenkasse übermittelt. Er nutzte dafür Freiumschläge einer anderen Krankenkasse mit der vorgedruckten Empfängeranschrift einer Belegsammelstelle. Die Meldung erfolgte so nicht innerhalb einer Woche.
 
Das Bundessozialgericht (BSG) entschied zugunsten des Klägers. Sein Anspruch auf Krankengeld habe trotz verspäteter Meldung nicht geruht. Was rechtlich gelte, wenn der Arzt einen Fehler macht und keine Arbeitsunfähigkeit feststellt, müsse erst recht gelten, wenn er Arbeitsunfähigkeit sogar festgestellt hat.
Lediglich aufgrund von besonderen Umständen sei die für die Krankenkasse bestimmte Ausfertigung nicht an den Versicherten gegangen. Arzt und Versicherter seien berechtigterweise davon ausgegangen, dass sich die Arzt-Praxis um die fristgerechte Übersendung der Bescheinigung an die Knappschaft kümmert.
 
Aber Achtung:
Das Schutzbedürfnis der Versicherten ist immer für den Einzelfall zu prüfen. Mittlerweile stellen die Krankenkassen den Ärzten keine Freiumschläge mehr zur Verfügung.
 

Und wenn der gelbe Schein abgeschafft ist?

Das Aus für die Krankmeldung in Papierformat ist bereits von der Bundesregierung beschlossenen. Ab Anfang 2021 sind Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausschließlich digital zu übermitteln. Und zwar von den Ärzten an die Krankenkassen. Die Kassen sollen dann den Arbeitgeber informieren. Damit wäre der Versicherte selbst aus dem Spiel genommen.
 
Nach der Rechtsprechung des BSG dürfte die elektronische Übermittlung dem Risikobereich der Krankenkassen zuzurechnen sein. Dennoch verbleibt bei den Versicherten ein Restrisiko der rechtzeitigen Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit. Mal schauen, welche rechtlichen Probleme dann auftauchen…
 
LINKS:
 
Das Urteil des Bundessozialgerichts ist hier im Volltext nachzulesen.