

Die Krankenkassen haben über Leistungsanträge ihrer Versicherten in kurzer Bearbeitungszeit zu entscheiden. Um dieses Ziel durchzusetzen hat der Gesetzgeber den Kassen eine dreiwöchige Frist auferlegt.
Wenn Antrag nicht rechtzeitig bearbeitet wird, gilt er als genehmigt
Wenn in dieser Zeit keine Entscheidung ergeht, gilt der Antrag als genehmigt. Bei notwendiger Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme, insbesondere durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK), erweitert sich die Frist auf fünf Wochen.
Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Hält die Krankenkasse die Fristen nicht ein und teilt auch nicht mit, dass ein hinreichender Grund für die Verzögerung besteht, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. In diesem Fall können die Leistungsberechtigten nach Ablauf der Frist die erforderliche Leistung selbst beschaffen. Die Krankenkasse muss die hierdurch entstandenen Kosten erstatten.
Die Genehmigungsfiktion im Krankenversicherungsrecht setzt voraus, dass die Krankenkasse nicht innerhalb der gesetzlichen Fristen entschieden hat. Die Entscheidung muss aber nicht innerhalb der Frist dem Versicherten zugegangen sein. So hat jetzt der 5. Senat des Bayerischen Landessozialgerichts in seinem Beschluss vom 25.04.2016 entschieden.
Antragsteller macht Eintreten der gesetzlichen Genehmigungsfiktion geltend
In dem von dem Antragsteller beim Sozialgericht Augsburg anhängig gemachten Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz begehrte er die Versorgung mit einem für seine Erkrankung nicht zugelassenen Arzneimittel.
Nach Einschaltung des MDK hatte die Krankenkasse innerhalb von drei Wochen den Antrag abgelehnt und den Bescheid versendet. Durch den Postdienstleister wurde die Auslieferung eines Schreibens an den Versicherten zwei Tage darauf dokumentiert. Kurz darauf wandte sich der Antragsteller an einen Rechtsanwalt, der bei der Krankenkasse um eine Entscheidung im Sinne des Antragstellers bat. Hieraufhin versandte die Krankenkasse den ablehnenden Bescheid auch an den Bevollmächtigten. Als dieser dort einging, war ein Zeitraum von über fünf Wochen verstrichen.
Daraufhin machte der Antragsteller das Eintreten einer Genehmigungsfiktion geltend, da die Krankenversicherung nicht rechtzeitig entschieden habe, der Bescheid dem Antragsteller nicht zugegangen und erstmals gegenüber dem Bevollmächtigten bekanntgegeben worden sei.
Landesozialgericht verneint das Vorliegen einer Genehmigungsfiktion
Das Sozialgericht verpflichtete die Krankenversicherung den Versicherten mit dem Medikament zu versorgen. Gegen die Entscheidung des Augsburger Sozialgerichts legte die Krankenkasse Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht ein.
Das Bayerische Landessozialgericht kam in seiner Entscheidung vom 25.04.2016 zu dem Ergebnis, dass der Kläger keinen Anspruch auf die begehrte Medikamentenversorgung habe und hat den Beschluss des Sozialgerichts aufgehoben.
Entscheidend ist nicht der Zugang, sondern der Zeitpunkt der Entscheidung
Insbesondere, so der 5. Senat, sei keine Genehmigungsfiktion eingetreten, da die Krankenversicherung rechtzeitig über den Antrag entschieden habe. Die Genehmigungsfiktion knüpfe an eine verspätete Entscheidung der Krankenversicherung an, nicht jedoch an den Zugang der Entscheidung beim Versicherten innerhalb der Fristen.
Nach Auffassung des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) habe der Gesetzgeber der Krankenversicherung einen bestimmten Zeitraum für die Entscheidung über die Anträge der Versicherten eingeräumt, der der Entscheidungsfindung zur Verfügung stehe.
Dieser Zeitraum könne durch Postlaufzeiten nicht verkürzt werden. Die Genehmigungsfiktion trete nur ein, wenn die Krankenversicherung zu spät entscheidet. Das Risiko der zeitnahen Zustellung der Entscheidung trage die Krankenversicherung insoweit nicht.
Anmerkung:
Mit Urteil vom 08.03.2016 hatte das Bundessozialgericht (BSG) über den Fall einer „Leistungsbewilligung durch Schweigen“ zu entscheiden, bei dem die Genehmigungsfiktion griff.
Da die Krankenkasse nicht innerhalb der gesetzlichen Fristen über einen Antrag auf Genehmigung von 25 Psychotherapiestunden entschieden hatte, wurde diese verpflichtet, die hierfür angefallenen Kosten dem Kläger zu erstatten.
Bei dem vom BSG entschiedenen Fall gab es im Hinblick auf die Zustellung einer Entscheidung kein Problem, da die dortige Beklagte über den Antrag des Klägers gar nicht entschieden hatte. Also eine klare Sache. (siehe hierzu: Zu spät entschieden - Krankenkasse muss Kosten für Psychotherapie übernehmen!)
Die hier zur Diskussion stehende Entscheidung des Bayerischen LSG mutet jedoch befremdend an, wenn darauf abgehoben wird, dass für die Fristberechnung nicht der Zeitpunkt des Zugangs der Entscheidung, sondern allein der Tag der Entscheidung maßgebend sein soll. Wenn sich diese Rechtsauffassung durchsetzen sollte, dann sind Fälle denkbar, bei dem die Krankenkasse einen Tag vor Fristablauf eine Entscheidung trifft und mehrere Tage oder Wochen vergehen, bis diese abgesetzt und auf den Postweg gegeben wird. Dies kann und darf nicht sein, zumal dies auch zur Verunsicherung des Krankenkassenmitglieds führen kann, dass die Bekanntgabe einer Entscheidung innerhalb der vom Gesetzgeber bestimmten Fristen erwartet.
Wenn Versicherte gegen einen Bescheid der Krankenkasse Widerspruch erheben, so muss dieser binnen eines Monats nach Zugang des angegriffenen Bescheids bei der Krankenkasse eingegangen sein. Die Postlaufzeit ist von dem Versicherten bei Erhebung eines Widerspruchs mit einzukalkulieren. Geht der Widerspruch einen Tag nach Ablauf der Widerspruchsfrist bei der Krankenkasse ein, dann wird dieser grundsätzlich, ohne nähere Prüfung der Sache, zurückgewiesen.
Es sind keine vernünftigen Gründe ersichtlich, warum die Krankenkassen das Risiko der zeitnahen Zustellung ihrer Entscheidungen nicht zu tragen haben.
IM PRAXISTIPP: § 13 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung (Kostenerstattung)