Krankenkassen bezahlen nicht immer. Das musste ein Mann aus dem Raum Oldenburg erfahren. Der zwischenzeitlich 59-jährige litt an einer schweren Penisverkrümmung. Diese belastete ihn schon seit seiner Jugend. Schließlich entschloss er sich, eine sogenannte "Grafting-Operation" durchzuführen. Die vom Arzt dafür veranschlagten Kosten beliefen sich auf weit über 13.000 €.
 

Die Kasse bezahlt privatärztliche Behandlungen nicht

Die Krankenkasse sah sich nicht in der Pflicht. Das Angebot habe ein Privatarzt erstellt. Einen Anspruch auf Leistungen hätten Versicherte jedoch nur, wenn sie die Behandlung bei einem zugelassenen Vertragsarzt durchführten.
 
Der Betroffene legte dazu eine Bescheinigung seines Hausarztes vor, wonach die Operationstechnik, die der Privatarzt anwendet, in Krankenhäusern der näheren Umgebung nicht angeboten werde. Es handele sich um eine Maßnahme die als einzige in Betracht kommende Behandlung erfolgversprechend und richtig sei. Dennoch blieb die Kasse bei ihrer ablehnenden Entscheidung.
 

Die Kasse bezahlt auch keine unkonventionellen Behandlungen

Die Behandlung sei unkonventionell, schrieb die Kasse im Widerspruchsbescheid. Die Krankenversicherung könne Kosten hierfür nur übernehmen, wenn auch der Gemeinsame Bundesausschuss der gesetzlichen Krankenversicherung diese Behandlung in seinen Richtlinien empfohlen habe. Dies sei jedoch nicht der Fall.
 
Das Gericht konnte der Betroffene ebenfalls nicht überzeugen. Das Landessozialgericht wies in seinem Urteil ausdrücklich darauf hin, dass die Krankenkasse zurecht entschieden habe, dass nur Vertragsärzte mit Zulassung Behandlungen durchführen dürften. Nur dann käme eine Übernahme der Kosten in Betracht.
 

Die Kasse durfte sich auf die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses stützen

Außerdem habe die Krankenkasse insofern richtig entschieden, als die vom Kläger gewünschte Behandlungsform in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses der Krankenkasse nicht aufgeführt sei.
 
Das Sozialgesetzbuch gebe Versicherten jedoch die Möglichkeit, abweichende Behandlungsmethoden zu wählen, wenn sie an einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung litten. Zumindest müsste die Erkrankung vergleichbar schwer sein. Es dürfe auch keine Behandlungsmethode geben, die dem medizinischen Standard entspreche. Nur dann könne der Versicherte eine nicht anerkannte Leistung beanspruchen. Das gelte, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder spürbare positive Besserung des Krankheitsverlaufes bestehe.
 

Beim Kläger lag keine notstandsähnliche Situation vor

Der Kläger leide aber an keiner lebensbedrohlichen oder ähnlich schwerwiegenden Krankheit. Die Penisvergrößerung stelle auch keine notstandsähnliche Lage mit einer sehr begrenzten Lebensdauer dar. Wertungsmäßig stehe dem eine Situation gleich, in der der Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen körperlichen Funktion innerhalb eines kürzeren überschaubaren Zeitraumes drohe.
 
Die Erkrankung des Klägers und die damit verbundenen funktionalen Beeinträchtigungen stellten nicht ansatzweise eine Ausnahmesituation dar. Der männliche Penis sei schon kein Sinnesorgan und die Erektionsfähigkeit sei keine herausgehobene körperliche Funktion. Zwar könne die sexuelle Beeinträchtigung sehr wohl die Lebensqualität nachhaltig beeinträchtigen. Vitale Funktionen betreffe eine Penisverkrümmung jedoch nicht. Im Fall eines 59-jährigen Mannes sei der gegebene Befund weit entfernt von einer Ausnahmeindikation.
 

Die psychischen Beeinträchtigungen des Klägers führen nicht weiter

Schließlich begründeten auch die psychischen Beeinträchtigungen des Versicherten keinen Anspruch darauf, dass seine Kasse die privatärztliche Behandlung bezahlen müsse. Die von der Kasse geschuldete Krankenbehandlung beinhalte grundsätzlich nur solche Maßnahmen, die unmittelbar an der eigentlichen Krankheit ansetzten.
 
Bei psychischen Leiden beschränke sich der Anspruch auf Heilbehandlung nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts deshalb auf eine Behandlung mit den Mitteln der Psychotherapie und Psychiatrie.

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Das sagen wir dazu:

Wieder einmal mehr zeigt sich, dass das Recht der Krankenversicherung kein Wunschkonzert ist. Krankenkassen übernehmen die Kosten notwendiger Behandlungen. Dafür zahlen Versicherte Beiträge.

Schwierig wird es, wenn geeignete Behandlungsformen nicht zur Verfügung stehen oder aus grundsätzlichen Erwägungen heraus von Betroffenen abgelehnt werden. Wer regelmäßig seinen eigenen Beitrag zur Krankenversicherung zahlt, möchte sich auch in dieser Situation dem Wunsch entsprechend behandelt wissen.

Das Krankenversicherungsrecht bewegt sich jedoch im Bereich einer „Massenverwaltung“. Das geht regelmäßig nicht ohne allgemeine Grundsätze. Der Gesetzgeber muss jedoch Ausnahmen für Einzelfälle zulassen. Der Formalismus im Krankenversicherungsrecht geht aber so weit, dass nicht jede selbst entwickelte Ausnahme auch vom System beachtet werden muss. Da sind die Gesetze und auch die Gerichte sehr eindeutig in ihren Entscheidungen.