Beim Sozialgericht Trier konnte die DGB Rechtsschutz GmbH sich erfolgreich für einen Kläger einsetzen, der seit Jahren schon an einer chronischen Schmerzerkrankung litt.
Der Kläger hatte im Januar 2017 eine Erlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte zum Erwerb von Cannabisblüten erhalten. Ab März war die Übernahme der Kosten für eine Behandlung mit Cannabisblüten gesetzlich zugelassen. Der Kläger beantragte daher bei seiner Krankenkasse die Kostenübernahme für seine Behandlung. Er erhielt daraufhin jedoch eine ablehnende Entscheidung.
Der Kläger musste sich die Cannabisblüten daher zunächst für die Dauer des gerichtlichen Verfahrens selbst besorgen. Für eineinhalb Jahre wandte er dafür etwa 1700,- € auf.
Das Sozialgericht gab der Klage nun statt. Allerdings hat die Krankenkasse hiergegen Berufung beim Landessozialgericht Mainz eingelegt und es bleibt abzuwarten, wie sich die obere Instanz zu dem Thema stellt.
Selbstbeschaffung einer unaufschiebbaren Leistung
Nach dem Gesetz erhalten Versicherte die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung als Sach- oder Geldleistung. Geldleistungen kommen nur dann in Betracht, wenn das Gesetz sie ausdrücklich vorsieht. Das ist nach Ansicht des Gerichts im vorliegend Verfahren der Fall gewesen.
Der Kläger hatte sich nämlich völlig korrekt verhalten. Er durfte sich die notwendig Leistung selbst beschaffen, nachdem die Krankenkasse abgelehnt hatte. Das sieht das Gesetz so vor.
Eine Selbstbeschaffung ist möglich, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leitung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder diese zu Unrecht abgelehnt hat. Dem Versicherten müssen deshalb Kosten entstanden sein. Diese Kosten muss die Kasse dann erstatten, wenn die selbstbeschaffte Leistung notwendig war.
Naturalleistungsanspruch muss bestanden haben
Das Sozialgericht geht bei seiner Entscheidung davon aus, dass zunächst einmal ein Naturalleistungsanspruch bestanden haben muss, damit der Kläger sich nach der Ablehnung die Leistung selbst beschaffen durfte. Dieser sei im Falle des Klägers gegeben.
Cannabis stehe denjenigen Versicherten zu, bei denen eine schwerwiegende Erkrankung bestehe, für die eine andere, allgemein anerkannten Leistung, die dem medizinischen Standard entspreche, nicht zur Verfügung stehe. Möglich sei die Kostenübernahme auch, wenn im Einzelfall nach begründeter Einschätzung des*der Vertragsarztes*ärztin unter Berücksichtigung der Nebenwirkungen oder des Krankheitszustandes eine andere Behandlung nicht zur Anwendung kommen könne.
Dabei müsse eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf spürbare positive Beeinflussung des Krankheitsverlaufes oder der schwerwiegenden Symptome durch die Cannabistherapie bestehen.
Erlaubnis des Bundesinstituts ersetzt ärztliche Verordnung
Die Versorgung mit Cannabis müsse ordnungsgemäß ärztlich verordnet gewesen sein, so das Sozialgericht. Dabei müssten aus der Verordnung das für die Behandlung notwendige Medikament, die Dosierung und eventuelle Einnahmevorgaben hervorgehen.
Im Falle des Klägers seien diese Angaben durch die förmliche Erlaubnis des Bundesinstituts ersetzt worden. Dieser Erlaubnis sei nämlich die Dosierung zu entnehmen. Es enthielt auch einen genauen Hinweis auf die empfohlenen Sorten.
Die beklagte Krankenkasse stellte die schwere Schmerzerkrankung im Laufe des Verfahrens nicht mehr in Frage. Sie erkannte auch eine mögliche Besserung der Erkrankung des Klägers durch die Cannabis-Therapie an.
Folgerezepte können von Erstverordnung abweichen
Damit sah das Sozialgericht die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Kostenübernahme als gegeben. Die Genehmigung der Kasse müsse dabei nur für die erste Verordnung des Arztes vorliegen. Alle weiteren Verordnungen lägen in der Therapieverantwortung des Arztes. Dabei könnten Folgerezepte durchaus auch von der ersten Verordnung abweichen.
Das Gesetz sehe nämlich nur vor, dass die Kasse die Anspruchsvoraussetzungen prüfe. Die Genehmigung könne damit nur dann abgelehnt werden, wenn der behandelnde Arzt offensichtlich von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgehe, falsche Annahmen zu Grunde lege oder seine Einschätzung medizinisch-wissenschaftlich unhaltbar sei.
Wirtschaftlichkeitsgebot greift nur bei mehreren möglichen Leistungen
Hierfür habe die Beklagte jedoch keine ausreichende Begründung abgegeben. Sie hatte sich statt dessen vor allem auch auf das Wirtschaftlichkeitsgebot bezogen. Das setze aber voraus, dass es mindestens zwei gleich geeignete Leistung gebe, zwischen denen der Versicherte habe wählen können. Dann sei die kostengünstigere Variante vorzuziehen. Vorliegend gebe es aber gerade keine vernünftige Alternative, so dass das Wirtschaftlichkeitsgebot nicht zum Tragen käme.
Die Kasse habe auch nur einen begrenzten Prüfungsspielraum. Die Therapiehoheit und Therapiefreiheit liege beim Arzt. Diesem gesetzgeberischen Ziel widerspreche es, wenn der ärztliche Dienst der Krankenkasse seine Beurteilung an die Stelle der Beurteilung des behandelnden Arztes setzen dürfte.
Damit war nach Ansicht des Gerichts der Anspruch des Klägers auf Kostenerstattung gegeben.
Man mag gespannt sein, wie das Landessozialgericht Mainz in der nächsten Instanz entscheidet.
Hier geht es zum Urteil:
Siehe auch unseren Beitrag zum Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.12.2016, L 9 SO 631/15
Sozialamt muss Kosten für Cannabis-Therapie nicht übernehmen: