Rechtzeitiges Abschicken bringt bares Geld! Copyright by VRD / Fotolia
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Grundsätzlich ist der Versicherte dafür verantwortlich, seiner Krankenkasse rechtzeitig mitzuteilen, dass er krank ist. Geschieht dies nicht innerhalb einer Woche nach der Feststellung, ruht der Anspruch auf Krankengeld solange, bis der Krankenkasse die Meldung zugeht. Aber gilt dies auch, wenn die Krankenkasse in den normalen Postablauf eingreift?
 
Der Kläger erkrankte im Jahr 2016 und erhielt von seiner Krankenkasse Krankengeld. Eine Folgebescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit warf der Kläger am Tag der Ausstellung in einen Briefkasten der deutschen Post ein. Die Krankmeldung ging bei der Krankenkasse trotzdem erst 11 Tage nach der Ausstellung ein. Die Krankenkasse teilte dem Kläger mit, dass sein Anspruch auf Krankengeld für die Zeit bis zum Zugang der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ruhe. Zur Begründung berief sie sich darauf, dass ihr die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verspätet, d.h. nicht innerhalb einer Woche nach Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit zugegangen sei.
 
Die Krankenkasse wies den Widerspruch des Klägers zurück. Sie begründete ihre Entscheidung damit, dass der Anspruch auf Krankengeld ruhe, wenn der Krankenkasse die Meldung nicht innerhalb einer Woche zugegangen sei. Dies gelte auch dann, wenn der Versicherte die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung rechtzeitig zur Post gegeben habe. Die Meldung der Arbeitsunfähigkeit sei eine Pflicht des Versicherten. Er müsse dafür Sorge tragen, dass die Meldung die Kasse auch zuverlässig und vor allem rechtzeitig erreiche. Das Risiko des verspäteten Zugangs aufgrund einer langen Postlaufzeit liege beim Kläger.
 

Klage beim Sozialgericht Mannheim war erfolgreich

Der Kläger wollte die Entscheidung seiner Krankenkasse nicht hinnehmen. Mit Unterstützung der DGB Rechtsschutz GmbH, Büro Heilbronn, wehrte er sich gegen die Entscheidung seiner Krankenkasse. Er erhob daher Klage beim Sozialgericht Mannheim. Der Kläger berief sich darauf, dass er den Brief mit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung rechtzeitig zur Post gegeben habe. Er habe daher davon ausgehen dürfen, dass die Post innerhalb der normalen Postlaufzeiten von wenigen Tagen, jedenfalls innerhalb der Wochenfrist, bei der Beklagten ankomme.
 
Im Laufe des Verfahrens stellte sich heraus, dass die beklagte Krankenkasse ein sogenanntes Postrouting veranlasst hatte. Das Postrouting bewirkt, dass die an die Adresse der Beklagten in Heilbronn gerichtete Post, unmittelbar an ein Dienstleistungszentrum der Beklagten weitergeleitet wird. Die Erfassung von Posteingängen durch die Beklagte erfolgt erst in besagtem Dienstleistungszentrum. Die Beklagte behauptete, dass sich die Postlaufzeit durch das Postrouting nicht verlängere.
 

Entscheidung des Sozialgerichts Mannheim

Das Sozialgericht sah im von der Beklagten veranlassten Postrouting einen Eingriff in den normalen Postablauf. Es verurteilte die Krankenkasse, dem Kläger auch für die Zeit vom 17.12.2016 bis 26.12.2016 Krankengeld zu bezahlen.
 
Das Sozialgericht führte in seiner Entscheidung aus, dass der Anspruch auf Krankengeld grundsätzlich ruhe, wenn der Krankenkasse die Meldung der Arbeitsunfähigkeit nicht rechtzeitig zugehe. Die Versicherten seien auch für den rechtzeitigen Zugang verantwortlich. Sie tragen die Nachweispflicht für den rechtzeitigen Eingang der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei der Kasse. Das Ruhen des Anspruches auf Krankengeld greife daher auch dann ein, wenn den Versicherten kein Verschulden an der unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Meldung treffe.
 

Eingriff der Krankenkasse in den Postablauf

Dieser Grundsatz gelte jedoch nicht, wenn die verspätete Meldung in den Verantwortungsbereich der Krankenkasse falle. Bei Organisationsmängeln der Krankenkasse sei dies der Fall. Bezogen auf die Meldung des Klägers sei dies der Fall. Durch das von ihr veranlasste Postrouting habe die beklagte Krankenkasse in den normalen Postablauf eingegriffen. Durch diesen Eingriff habe sie den normalen Postablauf verändert. Das Vorgehen der Beklagten führe dazu, dass nicht mehr der Kläger für einen fristgemäßen und ordnungsgemäßen Zugang seiner Arbeitsunfähigkeitsmeldung beweispflichtig sei. Vielmehr trete eine Beweislastumkehr ein.
 
Zugunsten des Klägers hat das Sozialgericht auch berücksichtigt, dass der Kläger nicht wissen musste, dass seine Post weitergeleitet und nicht in Heilbronn nicht zugestellt wird. Die Beklagte hatte auch nicht vorgetragen, ihre Versicherten unterrichtet zu haben. Nach Auffassung des Sozialgerichts habe die Beklagte durch diese fehlende Information ihren Versicherten auch die Möglichkeit genommen, entsprechende Schriftstücke direkt an die zuständige Stelle zu versenden. Die von der Beklagten veranlasste Postumleitung, von der die Versicherten keine Kenntnis hatten, könne daher nicht zu Lasten der Versicherten gehen. Die Beklagte habe schließlich nicht nachgewiesen, wann die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei normalem Postablauf in Heilbronn eingegangen wäre. Hinzu komme, dass auch der tatsächliche Ablauf dafür spreche, dass durch das Postrouting Zeitverzögerungen eingetreten seien.
 
Die verbliebenen Unklarheiten gehen daher zu Lasten der Beklagten. Mit der Einrichtung des Postroutings habe diese einen Umstand geschaffen, der außerhalb der Einflusssphäre der Versicherten liege. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass die Beklagte eine Stellungnahme der Post vorgelegt habe, die besagt, dass es zu keinen Zeitverzögerungen im Zustellungsprozess komme.
 
Die Beklagte konnte somit nicht nachweisen, dass ihr die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch ohne ihren Eingriff in den normalen Postablauf nicht rechtzeitig zugegangen wäre. Das Sozialgericht verpflichtete sie daher dem Kläger auch für die Zeit bis zum tatsächlichen Zugang der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Krankengeld zu bezahlen.
 

Berufung gegen die Entscheidung des Sozialgerichts

Die Beklagte wollte die Entscheidung des Sozialgerichts zunächst nicht akzeptieren und legte Berufung zum Landessozialgericht ein.
 
Auch im Berufungsverfahren berief sie sich darauf, dass das Postrouting nicht zu Verzögerungen in der Zustellung führe.
 
Nachdem das Landessozialgericht einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts bestimmt hatte, nahm die Beklagte ihre Berufung zurück.
 

Das sagen wir dazu:

Auch wenn das Sozialgericht im konkreten Fall dem Kläger Recht gab und die Krankenkasse verurteilte, bleibt  der Versicherte grundsätzlich verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass seine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Krankenkasse rechtzeitig innerhalb der Wochenfrist zugeht. Sofern möglich, empfiehlt es sich daher, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung persönlich abzugeben.

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