In vielen Ortsteilen größerer Städte gibt es Ortsvorsteher oder ehrenamtliche Bürgermeister, die eine Aufwandsentschädigung erhalten. Copyright by yAdobe Stock/ HPS-Digital
In vielen Ortsteilen größerer Städte gibt es Ortsvorsteher oder ehrenamtliche Bürgermeister, die eine Aufwandsentschädigung erhalten. Copyright by yAdobe Stock/ HPS-Digital

Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind, müssen nach dem SGB IV in allen Zweigen der Sozialversicherung Beiträge zahlen. Eine Beschäftigung ist eine nichtselbstständiger Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers kann nach § 7 SGB IV Anhaltspunkt für eine versicherungspflichtige Beschäftigung sind.
 

Beim BSG waren zwei Revisionen zur Sozialversicherungspflicht anhängig

Anhand dieser Vorgaben hatte das Bundessozialgericht zu der Frage zu entscheiden, ob ein ehrenamtlicher Bürgermeister und mehrere Ortsvorsteher angesichts der ihnen gewährten Aufwandsentschädigung der Sozialversicherungspflicht unterlagen.
 

Die Rentenversicherung forderte Sozialversicherungsbeiträge für Ortsvorsteher

Es ging dabei zum einen um drei Ortsvorsteher zweier Ortschaften einer größeren Stadt. Sie waren Verbindungsglied zwischen den Ortsbürger*innen und der Stadtverwaltung und darüber hinaus Vorsitzende des jeweiligen Ortschaftsrats.
 
In dieser Funktion stand ihnen eine Aufwandsentschädigung zu. Diese betrug ein Viertel der Aufwandsentschädigung eines ehrenamtlichen Bürgermeisters einer Gemeinde mit vergleichbarer Einwohnerzahl.
 
Die Rentenversicherung forderte von der Stadt wegen geringfügiger Beschäftigung der Ortsvorsteher Pauschalbeträge von rund 1.400 €.
 

Sozialgericht und Landessozialgericht stellten keine Versicherungspflicht fest

Das Sozialgericht hatte die Bescheide der Rentenversicherung aufgehoben. Die Berufung blieb erfolglos. Die Ortsvorsteher seien nicht abhängig beschäftigt gewesen. Sie hätten Repräsentationsaufgaben wahrgenommen und nur in ihrer organschaftlichen Stellung Verwaltungsaufgaben übernommen.
 
Ihre Tätigkeit habe hauptsächlich darin bestanden, die rechtsfähige Organisation des Ortschaftsrates handlungsfähig zu machen. Die Aufwandsentschädigung solle dabei nur den erhöhten persönlichen Aufwand abdecken und die Funktion der kommunalen Selbstverwaltung gewährleisten.
 
Diesem Urteil des Landessozialgerichts hielt die Rentenversicherung entgegen, weder das Rechtsverhältnis als Ehrenbeamter noch die Organstellung schließe eine abhängige Beschäftigung aus.
 

Der zweite Fall betraf einen Ehrenbeamten auf Zeit

Der zweite Fall betraf einen ehrenamtlichen Bürgermeister. Auch hier klagte die Stadt gegen die Rentenversicherung, welche die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen gefordert hatte. Der Bürgermeister war in eine Verwaltungsgemeinschaft einbezogen. Er nahm dort die Aufgaben des eigenen Wirkungskreises der Mitgliedsgemeinden wahr. Die Stadt hatte ihn zum Ehrenbeamten auf Zeit ernannt.
 
Der Bürgermeister erhielt für seine Tätigkeit eine monatliche Aufwandsentschädigung von 1.200 €. Davon forderte die Deutsche Rentenversicherung nach einer Betriebsprüfung Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sowie zur sozialen Pflegeversicherung.
 

Die Situation des Bürgermeisters entscheiden die Instanzgerichte unterschiedlich

Das Sozialgericht hatte die Beitragsbescheide für rechtens gehalten. Das Landessozialgericht hob die Bescheide anschließend jedoch auf. Der Bürgermeister sei ein Organ der klagenden Stadt gewesen und habe diese repräsentiert. Die Tätigkeit sei nicht für jedermann zugänglich und durch ideelle Zwecke und Unentgeltlichkeit geprägt gewesen. Die Aufwandsentschädigung habe die Erstattung von Selbstkosten bezweckt und sei deshalb kein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt.
 
Gegen diese Entscheidung brachte die Rentenversicherung vor dem Sozialgericht nun vor, Ehrenbeamte stünden in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis.
 

Das Ehrenamt schließt eine Sozialversicherungspflicht nicht aus

Zu beiden Fällen sagt das Bundessozialgericht nun  „die Sozialversicherungspflicht aufgrund Beschäftigung von Ortsvorstehern und Bürgermeistern ist nicht ausgeschlossen, weil sie ihre Tätigkeit zugleich als Ehrenbeamte ausüben.“
 
Es komme auch bei den Organen juristischer Personen des öffentlichen Rechts darauf an, inwieweit sie in ihrer Tätigkeit Weisungen unterlägen und konkret in Verwaltungsabläufe eingegliedert seien. Das könnte beispielsweise als Dienstvorgesetzte geschehen.
 

Wesentliches Kriterium für die Sozialversicherungspflicht ist die Gegenleistung

Ein weiteres Kriterium stelle die Gegenleistung dar, die sie erhielten. Wenn diese Gegenleistung sich als Arbeitsentgelt und nicht als Aufwandsentschädigung für eine von ideellen Zwecken geprägte Tätigkeit darstelle, handele es sich um Arbeitsentgelt.
 
Die Gegenleistung dürfe unter Berücksichtigung bestimmter Merkmale nicht wesentlich über den Ausgleich für den tatsächlichen Aufwand des Ehrenamtes hinausgehen. Es komme dabei auf die Höhe, die Bemessung und auch die steuerrechtliche Ehrenamts- und kommunalrechtlichen Entschädigungspauschalen an.
 

Ortsvorsteher sind nicht abhängig beschäftigt

Unter Beachtung dieser Vorgaben seien Ortsvorsteher, die im wesentlichen ihr Wahlamt ausübten, grundsätzlich nicht abhängig beschäftigt. Eine Aufwandsentschädigung sei jedenfalls dann nicht beitragspflichtig, wenn diese nicht offensichtlich eine verdeckte Vergütung darstelle.
 
Mit dieser Begründung wies das Bundessozialgericht die Revision der Rentenversicherung in diesem Fall zurück.
 

Ehrenamtliche Bürgermeister können sozialversicherungspflichtig beschäftigt sein

Anders sah das beim ehrenamtlichen Bürgermeister aus: Dieser sei grundsätzlich sozialversicherungspflichtig beschäftigt, wenn er nicht nur Vorsitzender des Stadtrates, sondern auch die Spitze der Verwaltung und Dienstvorgesetzter sei. Erhalte er dafür eine Entschädigung, die deutlich über steuerrechtliche Ehrenamtspauschalen hinausgehe, führe das zur Sozialversicherungspflicht. In diesem Verfahren hatte die Revision der Rentenversicherung Erfolg.

Pressemitteilung BSG vom 27. April 2021

Rechtliche Grundlagen

§ 7 SGB IV

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845)
§ 7 Beschäftigung
(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn

1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.

Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist. Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht während der Zeit der Freistellung auch, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann. Die Vertragsparteien können beim Abschluss der Vereinbarung nur für den Fall, dass Wertguthaben wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, einen anderen Verwendungszweck vereinbaren. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigte, auf die Wertguthaben übertragen werden. Bis zum 31. Dezember 2024 werden Wertguthaben, die durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt werden, getrennt erfasst; sind für die Beitrags- oder Leistungsberechnung im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Werte vorgeschrieben, sind die Werte maßgebend, die für den Teil des Inlandes gelten, in dem das Wertguthaben erzielt worden ist.
(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.
(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.
(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.
(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.