Wer nach der Antragstellung die Entscheidung seiner Krankenkasse abwartet, kann eine böse Überraschung erleben. © Adobe Stock: PheelingsMedia
Wer nach der Antragstellung die Entscheidung seiner Krankenkasse abwartet, kann eine böse Überraschung erleben. © Adobe Stock: PheelingsMedia

§ 13 Abs. 3 SGB V führte eine Entscheidungsfrist für die Krankenkasse ein. Grundsätzlich soll gewährleistet werden, dass Kassen die vorgesehenen Leistungen erbringen. Die Genehmigungsfiktion greift bei einem Systemversagen ein, Nachteile für die Versicherten durch späte Entscheidungen sollen verhindert werden.

 

Eine Frist ohne Konsequenz, das liefe ins Leere. Hier gilt: hat die Kasse nach drei Wochen noch nicht entschieden oder mitgeteilt, dass der medizinische Dienst eingeschaltet werde und anschließend nicht binnen fünf Wochen entschieden, gilt eine Genehmigungsfiktion. Der Antrag gilt als genehmigt.

 

Bei zu später Entscheidung entsteht Kostenerstattungsanspruch

 

Neumann hat nach vier Wochen noch keine Nachricht. Er will nicht länger warten. Er lässt die Therapien dennoch durchführen und will sich später das Geld von der Kasse wiederholen. Genau diesen Weg eröffnet § 13 Abs. 3 SGB V. Die Genehmigungsfiktion gibt Neumann das Recht, sich nach Fristablauf die Leistung selbst zu beschaffen. Die Kasse kann dann nicht die Entscheidung mit der Begründung ablehnen, dass kein Rechtsanspruch auf die Leistung besteht.

 

Neumann war vorschnell

 

In der Entscheidung des BSG vom 25.3.2021, Az B 1 KR 22/20 R, hat Neumann sich schon die Behandlungstermine geben lassen, bevor er überhaupt den Antrag auf die Leistung gestellt hat. Die Kasse hatte auch hier nicht fristgerecht entschieden.

 

Vorfestlegung schließt den Anspruch aus

 

Der Anspruch setzt voraus, dass sich der Versicherte nach Ablauf der Frist die Leistung selbst  beschafft. Behandelt wurde Neumann nach Ablauf der Frist, aber er hatte vorher schon die Termine vereinbart. Er wollte die Leistung/Behandlung auf jeden Fall. Das hat das BSG aus seinem Verhalten geschlossen. Hier sagt das Bundessozialgericht, dass es dann an der notwendigen Ursächlichkeit zwischen der Leistungsbeschaffung und der verspäteten Entscheidung der Krankenkasse fehlt.

 

Keine Wiedereröffnung

 

Der Anspruch auf Kostenerstattung wird auch nicht wiedereröffnet, wenn die Kasse die Entscheidungsfrist verstreichen lässt. Lässt sie sich zu lange Zeit, wandelt sich der Sachleistungsanspruch in einen Kostenerstattungsanspruch um. Durch die Terminvereinbarung hat Neumann bereits eigenmächtig das Sachleistungsprinzip infolge seiner Vorfestlegung verlassen.

 

Diese Vorfestlegung, nicht jedoch das Überschreiten der Frist, war ursächlich für die Entstehung der Kosten. Somit bleibt Neumann auf den Kosten sitzen. Dies haben alle drei Instanzen so gesehen.

 

Variante: Antrag auf spezielle Krebsbehandlung

 

Bei Neumann ist der Krebs zurückgekehrt. Ihm wird zu einer speziellen Behandlung geraten. Er hat auch schon den Behandlungsvertrag unterzeichnet und die Behandlung bezahlt, bevor er überhaupt den Antrag stellt. Die Kasse teilt ihm mit, dass der medizinische Dienst eingeschaltet wurde. Der Zugangszeitpunkt dieses Schreibens ist streitig. Neumann hatte mit der Behandlung schon begonnen, bevor die fünf Wochen vorüber waren, innerhalb derer die Kasse bei der verlängerten Frist entscheiden durfte.

 

SG und LSG entscheiden zu Gunsten von Neumann

 

Hier haben das SG und das LSG die Kasse zur Zahlung verurteilt. Sie wendeten eine Zustellfiktion von drei Tagen an. Ein Bescheid gilt mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugegangen (§ 41 Absatz 2 VwVfG).  Und damit war die Kasse außerhalb der Dreiwochenfrist.

 

Eine Vorfestlegung sahen die Gerichte nicht, da der Kläger sich die frühen Termine damit nur sichern wollte. Er hätte nach dem Behandlungsvertrag noch kostenfrei zurücktreten können. Die Krankenkasse legte gegen das Urteil des LSG Revision ein.

 

BSG verweist zurück

 

Das BSG, Az B1 KR 6/21 R, sah sich in seiner Entscheidung vom 10.3.2022 nicht in der Lage, inhaltlich zu entscheiden, sondern gab rechtliche Hinweise und verwies den Fall zurück ans LSG.

 

Mitteilung ist kein Verwaltungsakt

 

Das LSG war zu dem Ergebnis gekommen, dass die Mitteilung, der MDK werde eingeschaltet, nach der Zugangsfiktion für Verwaltungsakte beurteilt werden musste und daher drei Tage später bei Neumann als zugegangen gewertet wurde. Dies lag außerhalb der Dreiwochenfrist.

 

Das BSG bemängelte die Beurteilung, es habe nach den Voraussetzungen des § 130 BGB entscheiden müssen, wann das Schreiben zugegangen sei. Schreiben gelten als zugegangen, wenn sie in den Machtbereich des Empfängers gelangen.

 

Beweisbelastet dafür ist die Kasse und wenn der Brief eben nicht nachweisbar vor Ablauf der Frist in den Briefkasten von Neumann geworfen wurde, ist die Drei-Wochen Frist abgelaufen.

 

Das Schreiben der Krankenkasse sei jedoch eine Mitteilung und kein Verwaltungsakt gewesen. Wenn sich bei der Prüfung nach § 130 BGB ein Zugang vor Ablauf der Drei-Wochen-Frist ergebe, stünde Neumann der Anspruch nicht zu, da er vor Ablauf der Fünf-Wochen- Wochen Frist die Behandlungen schon hat durchführen lassen.

 

Feststellungen zur eventuellen Vorfestlegung zu dürftig

 

Das BSG bemängelt, dass das LSG keine Feststellungen dazu getroffen habe, ob der Kläger durch Unterzeichnung und Bezahlung des Behandlungsvertrages sich nicht bereits auf die Selbstbeschaffung der Leistung vorfestgelegt habe. In dem Vertragsschluss und der Bezahlung wird ein gewichtiges Indiz gesehen. Die unstreitige Möglichkeit kostenfrei aus dem Vertrag zurückzutreten, diesen quasi stornieren zu können, schließe die subjektive Vorfestlegung durch Neumann jedoch nicht aus. Dazu müsse das LSG noch ermitteln.

 

Hier geht es zum ersten Urteil des BSG.

Hier geht es zum zweiten Urteil des BSG.

Das sagen wir dazu:

Das Beschaffen der Leistung nach Ablauf der Frist ist in diesen Fällen der Knackpunkt. Wenn aus meinen Handlungen geschlossen wird, dass ich die Leistung auf jeden Fall in Anspruch nehme, ich mich also schon festgelegt habe, hilft mir auch nicht, wenn die Kasse zu spät entscheidet. Das ist dann nicht mehr ursächlich für die Entstehung der Kosten.