Krankenkasse: KeineFinanzierung eines Elektrorollstuhls für blinden MS-Patienten. Copyright by Adobe Stock/fotohansel
Krankenkasse: KeineFinanzierung eines Elektrorollstuhls für blinden MS-Patienten. Copyright by Adobe Stock/fotohansel

Der an Multipler Sklerose (MS) leidende Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Er ist in seiner Gehfähigkeit stark eingeschränkt und es besteht Rollstuhlpflichtigkeit. Der Pflegegrad III ist ab dem 1. Februar 2018 zuerkannt. Ferner ist die Sehfähigkeit zu 100 Prozent eingeschränkt.

Kläger beantragt Elektrorollstuhl


Sein behandelnder Arzt verordnete dem Kläger am 7. November 2018 einen Elektrorollstuhl bei bestehendem Querschnittssyndrom. Beigefügt war ein Kostenvoranschlag über Gesamtkosten von knapp 4.000 €. Zudem wurde das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung(MDK) vom 28. März 2018 zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit ausgewertet.

Krankenkasse weist Antrag des blinden Mannes zurück


Hieraufhin beantragte der Kläger bei seiner Krankenkasse die Zurverfügungstellung eines Elektrorollstuhls. Der Antrag und auch der Widerspruch blieben erfolglos. Die negative Entscheidung wurde damit begründet, dass der Antragsteller wegen seiner Blindheit nicht verkehrstauglich sei. Bei Blinden lasse sich eine Eigen- und Fremdgefährdung nicht ausschließen. Dafür könne die Kasse jedoch nicht haften.

Sozialgericht folgt Argumentation des Klägers


Gegen die Entscheidung erhob der Kläger beim Sozialgericht (SG) Lüneburg, das die Krankenkasse mit Urteil vom 10. September 2020 verurteilte, den Kläger mit einem Elektrorollstuhl zu versorgen.

Krankenkasse legt Berufung ein


Die sich offenkundig unverstanden fühlende Krankenkasse legte Berufung gegen die erstinstanzliche Entscheidung beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen ein.

Der Berufungsbegründung der Krankenkasse trat der Kläger entgegen, indem er argumentierte, dass er sich mit dem Langstock schon früher gut orientieren konnte. Das habe er nun auch im Elektrorollstuhl trainiert. Die Bedienung eines Handrollstuhls sei ihm nicht mehr möglich. Ohne fremde Hilfe könne er das Haus nicht mehr verlassen.

LSG bestätigt Entscheidung des Sozialgericht Lüneburg


Mit Urteil vom 4. Oktober 2021 wies das LSG die Berufung der Krankenkasse gegen das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg zurück.

In seiner Entscheidung weisen Richter*innen des Berufungsgerichts darauf hin, dass Blindheit kein Grund zur Verwehrung eines Elektrorollstuhls sei.

Es sei inakzeptabel, so das Gericht, den Kläger auf die behelfsmäßige Fortbewegung mit dem bisherigen Rollstuhl zu verweisen. Seh-Beeinträchtigungen seien kein genereller Grund, eine Verkehrstauglichkeit bei Elektrorollstühlen abzulehnen.

Aufgabe des Hilfsmittelrechts sei es, dem schwerbehinderten Menschen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen und nicht, ihn von sämtlichen Lebensgefahren fernzuhalten und ihn damit einer weitgehenden Unmündigkeit anheimfallen zu lassen.

Hier geht es zur Entscheidung der LSG Niedersachsen-Bremen: