Wie gut muss ein Hörgerät sein? Copyright by aerogondo/fotolia.
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Das Landessozialgericht Darmstadt hatte diese Frage am 13.09.2018 zu entscheiden.
 

Was war passiert?

Ein Projektleiter in einem Ingenieurbüro war für Bauleitung und Bauüberwachung zuständig. Weil er schwerhörig war, bekam er von der Deutschen Rentenversicherung sechs Jahre die Kosten für ein Hörgerät erstattet. Als sich seine Hörfähigkeit weiter verschlechterte, beantragte er ein neues Gerät. Die Deutsche Rentenversicherung leitete den Antrag an die Krankenkasse des Mannes weiter.
 

Wie hat sich die Krankenkasse verhalten?

Die Krankenkasse war bereit, dem Ingenieur die Kosten für ein Normalgerät zu erstatten. Eine Notwendigkeit für ein höherwertiges Gerät bestehe aber nicht. Auch nicht unter dem Gesichtspunkt besonderer beruflicher Anforderungen beim Antragsteller.

Wie hat der Ingenieur reagiert?

Er klagte beim Sozialgericht gegen die Krankenkasse. Als Begründung führte er an, dass er beruflich ständig auf Baustellen unterwegs sei. Dort seien wechselnde Geräuschkulissen üblich. Wegen seiner Besprechungen auf den Baustellen sei er darauf angewiesen, dass sich sein Hörgerät daran automatisch anpasst. Das leiste aber ein normales Hörgerät gerade nicht.
 

Wie hat das Sozialgericht entschieden?

In der ersten Instanz bekam der Kläger Recht. Die Krankenkasse legte Berufung ein.
 

Wer war für den Antrag des Klägers zuständig?

Das zweitinstanzliche Gericht stellte zunächst klar, dass die Krankenkasse über den Antrag des Klägers entscheiden muss. Die Deutsche Rentenversicherung hatte sich für nicht zuständig erklärt und den Antrag des Klägers fristgerecht an die Krankenkasse weitergeleitet. Damit war sie nach dem Sozialgesetzbuch IX verpflichtet, über den Antrag zu entscheiden.

Dabei dürfe sie sich - so das Landessozialgericht - nicht darauf beschränken, den Fall nach den Vorschriften der Krankenversicherung zu beurteilen. Sie müsse vielmehr auch das Recht der Rentenversicherung beachten. Danach haben behinderte Menschen einen Anspruch auf medizinische Rehabilitation, um Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit zu vermeiden, zu überwinden oder zu mindern.
 

Was heißt das für den Kläger?

Das Landessozialgericht folgte der Argumentation des Klägers. Insbesondere bei Baubesprechungen auf Großbaustellen sei er wechselnden Geräuschkulissen ausgesetzt, die hohe Anforderungen an sein Hörvermögen stellten. Die getesteten normalen Hörgeräte seien dazu nicht geeignet. Sie passten sich bei einer Änderung der Geräuschkulisse nicht automatisch an. Dies sei aber in der speziellen beruflichen Situation unabdingbar erforderlich. Schließlich habe bei Baubesprechungen auf Großbaustellen mit bis zu 20 Personen regelmäßig keinen Einfluss auf die Geräuschkulisse.
Die Krankenkasse muss also das höherwertige Gerät ganz bezahlen.
 
Hier finden Sie das vollständige Urteil:  LSG Darmstadt  L 1 KR 229/17

Rechtliche Grundlagen

§ 14 Sozialgesetzbuch IX-Leistender Rehabilitationsträger

(1) 1Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist; bei den Krankenkassen umfasst die Prüfung auch die Leistungspflicht nach § 40 Absatz 4 des Fünften Buches. 2Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung insgesamt nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu und unterrichtet hierüber den Antragsteller. 3Muss für eine solche Feststellung die Ursache der Behinderung geklärt werden und ist diese Klärung in der Frist nach Satz 1 nicht möglich, soll der Antrag unverzüglich dem Rehabilitationsträger zugeleitet werden, der die Leistung ohne Rücksicht auf die Ursache der Behinderung erbringt. 4Wird der Antrag bei der Bundesagentur für Arbeit gestellt, werden bei der Prüfung nach den Sätzen 1 und 2 keine Feststellungen nach § 11 Absatz 2a Nummer 1 des Sechsten Buches und § 22 Absatz 2 des Dritten Buches getroffen.

(2) Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf anhand der Instrumente zur Bedarfsermittlung nach § 13 unverzüglich und umfassend fest und erbringt die Leistungen (leistender Rehabilitationsträger). Muss für diese Feststellung kein Gutachten eingeholt werden, entscheidet der leistende Rehabilitationsträger innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang. Ist für die Feststellung des Rehabilitationsbedarfs ein Gutachten erforderlich, wird die Entscheidung innerhalb von zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens getroffen. Wird der Antrag weitergeleitet, gelten die Sätze 1 bis 3 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend; die Frist beginnt mit dem Antragseingang bei diesem Rehabilitationsträger. In den Fällen der Anforderung einer gutachterlichen Stellungnahme bei der Bundesagentur für Arbeit nach § 54 gilt Satz 3 entsprechend.

(3) Ist der Rehabilitationsträger, an den der Antrag nach Absatz 1 Satz 2 weitergeleitet worden ist, nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung insgesamt nicht zuständig, kann er den Antrag im Einvernehmen mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger an diesen weiterleiten, damit von diesem als leistendem Rehabilitationsträger über den Antrag innerhalb der bereits nach Absatz 2 Satz 4 laufenden Fristen entschieden wird und unterrichtet hierüber den Antragsteller.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten sinngemäß, wenn der Rehabilitationsträger Leistungen von Amts wegen erbringt. Dabei tritt an die Stelle des Tages der Antragstellung der Tag der Kenntnis des voraussichtlichen Rehabilitationsbedarfs.

(5) Für die Weiterleitung des Antrages ist § 16 Absatz 2 Satz 1 des Ersten Buches nicht anzuwenden, wenn und soweit Leistungen zur Teilhabe bei einem Rehabilitationsträger beantragt werden.