Ständige Exposition gegenüber Schadstoffen am Arbeitsplatz kann die Nase schädigen. Copyright by Adobe Stock/ Ralf Geithe
Ständige Exposition gegenüber Schadstoffen am Arbeitsplatz kann die Nase schädigen. Copyright by Adobe Stock/ Ralf Geithe

Der von der DGB Rechtsschutz GmbH vor dem Sozialgericht Ulm vertretene Kläger arbeitete neun Jahre lang mit einem Kleber, der Epoxidharze enthielt. Einige Jahre nach Beginn seiner Tätigkeit klagte er erstmals über ein allergisches Ekzem der Haut. Dieses Ekzem wurde durch die Epoxidharze verursacht und als Berufskrankheit anerkannt.
 

Beim Kläger trat ein allergischer Schnupfen auf

Etwa zeitgleich traten auch ein allergischer Schnupfen, Entzündungen der Nase und ein Verlust des Geruchsinns auf. Der Arzt des Klägers leitete daraufhin ein Verfahren bei der Berufsgenossenschaft (BG) ein. Er ging davon aus, dass beim Kläger die Berufskrankheit (BK) Nr. 4301 oder Nr. 4302 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung vorlag.
 
Die BK Nr. 4301 umfasst obstruktive Atemwegserkrankungen, die durch allergisierende Stoffe verursacht werden einschließlich einer Rhinopathie. Demgegenüber regelt die BK 4302 obstruktive Atemwegserkrankungen, die durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe hervorgerufen werden. In beiden Fällen muss der Versicherte nach der bisherigen Rechtslage die schädigende Tätigkeit wegen seiner Beschwerden aufgegeben haben.
 

Obwohl der Kläger seinen Beruf wechselte, erkannte die BG keine Berufskrankheit an

Obwohl der Kläger seinen Beruf wechselte, erkannte die Berufsgenossenschaft keine der beiden Berufskrankheiten an. Im nachfolgenden Rechtsstreit erstellten mehrere Ärzte medizinische Gutachten.
 
Der Gutachter der Berufsgenossenschaft ging davon aus, dass der Kläger anlagebedingt an einer bronchialen Überempfindlichkeit litt, die nichts mit seiner beruflichen Tätigkeit zu tun hatte. Später stellte die BG außerdem fest, dass die Riechstörung des Klägers durch eine Nasenscheidewandverkrümmung, mehrere Nasenoperationen und einen allergisch bedingten Schnupfen hervorgerufen werde.
 

Ein internistisches Gutachten beschrieb einen Verdacht auf ein Asthma bronchiale

Ein internistisches Gutachten, welches das Sozialgericht im nachfolgenden Klageverfahren einholte, beschrieb beim Kläger den Verdacht auf ein Asthma bronchiale. Ein Lungenfacharzt bestätigte sodann, dass die Bronchien des Klägers überempfindlich waren. Diese allergisch bedingte Vorbelastung habe dann aber zu einer Verschlimmerung der Beschwerden geführt, als der Kläger am Arbeitsplatz Epoxidharzen ausgesetzt gewesen sei.
 
Das Sozialgericht holte daraufhin auch noch ein HNO-fachärztliches Gutachten ein. Der HNO-Arzt bestätigte eine beruflich bedingte Überempfindlichkeit der Nase gegenüber Epoxidharzen. Der Kläger leide aber auch an einer berufsunabhängigen Allergie gegenüber Gräsern und Pollen. Seiner Auffassung nach waren die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung der BK 4301, also eine durch allergisierende Stoffe hervorgerufene obstruktive Atemwegserkrankung, dennoch gegeben.
 

Das Sozialgericht schloss sich der Beurteilung des HNO-Arztes an

Dem schloss sich das Sozialgericht an. Bei der BK Nr. 4301 handele es sich um eine obstruktive Atemwegserkrankung, die durch allergisierende Stoffe hervorgerufen werde. Dazu zähle auch eine Rhinopathie. Die Erkrankung müsse dazu geführt haben, dass die berufliche Tätigkeit, die zur Schädigung geführt habe, aufgegeben worden sei.
 

Eine Berufskrankheit muss im Zusammenhang mit dem Beruf entstanden sein

Eine Berufskrankheit müsse in Zusammenhang mit dem Beruf entstanden sein. Das könne zum Beispiel der Fall sein, wenn ein Arbeitnehmer bei seiner Tätigkeit Schadstoffen ausgesetzt sei und diese eine Krankheit verursacht hätten. Die Rechtsprechung nenne das „haftungsbegründende Kausalität“
 
Dass die beruflich bedingte Erkrankung gegebenenfalls auch den Leistungsfall nach sich ziehe (haftungsausfüllende Kausalität) sei keine Voraussetzung einer Berufskrankheit nach der Liste der Berufskrankheitenverordnung.
 

Ebenso wie beim Arbeitsunfall müssen versicherte Tätigkeit und schädigende Einwirkung erwiesen sein

Es dürfe keinen Zweifel geben, dass der betroffene Arbeitnehmer bei der Arbeit den schädlichen Stoffen ausgesetzt gewesen sei. Auch Dauer und Intensität der Einwirkung müssten voll bewiesen sein.
 
Anders sehe es mit der Kausalität aus. Ob der Arbeitnehmer durch die Schadstoffe krank geworden sei, müsse zwar auch bewiesen werden, aber mit einem geringeren Grad. Es reiche aus, wenn mehr dafür als dagegen spreche. Der Zusammenhang müsse hinreichend wahrscheinlich sein.
 

Rechtserheblich sind nur Ursachen, die wesentlich zum Entstehen der Erkrankung beigetragen haben

Kämen mehrere Ursachen in Betracht, so dürften nur solche Ursachen als rechtserheblich angesehen werden, die wesentlich dazu beigetragen hätten, dass die Erkrankung aufgetreten sei. Könne der Versicherte den Nachweis nicht erbringen oder wahrscheinlich machen, so gehe dies zu seinen Lasten.
 
Vorliegend stehe der Kontakt des Klägers zu Epoxidharzen nicht in Frage. Der Kläger leide auch an einer Erkrankung, die die BK 4301 beschreibe, nämlich einer obstruktiven Atemwegserkrankung einschließlich Rhinopathie. Die Gutachten hätten die Rhinopathie übereinstimmend bestätigt.
 

Der Kläger leidet auch an einer Pollenallergie

Zwar leider der Kläger auch an einer Allergie gegenüber Gräsern und Pollen. Seine Rhinopathie sei aber mit Wahrscheinlichkeit wesentlich durch die berufliche Tätigkeit hervorgerufen worden.
 
Beim Kläger bestehe nämlich eine Allergie gegenüber Epoxidharzen in Form einer berufsbedingt aufgetretenen Verschlimmerung einer zuvor bereits bestandenen Überempfindlichkeit. Diese Überempfindlichkeit sei auf die Chemikalien am Arbeitsplatz zurückzuführen. Das hätten die Gutachten ergeben.
 

Die Pollenallergie hat in besonderer Weise auf die beruflichen Allergene eingewirkt

Diese Allergie des Klägers gegenüber Gräsern und Pollen, die bereits zuvor bestanden habe, hätte in besonderer Weise die Kraft der Berufsallergene gestützt. Die vorbestehenden Allergien seien nämlich typische Wegebereiter einer weiteren beruflich bedingten Überempfindlichkeit gewesen. Das habe zu einer Verbreiterung der Allergene geführt.
 
Die Allergie des Klägers gegen Epoxidharze sei wesentliche Teilursache seiner Rhinopathie. Die Pollenallergie sei berufsunabhängig und trete als weitere Ursache für die Erkrankung auf. Allerdings bestehe eine solche Pollenallergie allenfalls sechs Monate im Jahr. Sie stelle damit eine Ursache dar, die verhältnismäßig niedriger bewertet werden müsse. Der Kläger leide demgegenüber an ganzjährig auftretenden Beschwerden.
 

Bliebe die Allergie gegenüber Epoxidharzen außer Betracht, würde der Kläger nur vorübergehend erkranken

Bliebe die Allergie des Klägers gegenüber Epoxidharzen außer Betracht, würde dieser allenfalls vorübergehend erkranken und hätte sich nicht vom Beruf lösen müssen. Damit sei der notwendige Ursachenzusammenhang anzunehmen. Damit seien die Voraussetzungen zur Anerkennung der geltend gemachten Berufskrankheit erfüllt.

Sozialgericht Ulm, Urteil vom 15. Januar 2020

Merkblatt BK 4301

Merkblatt BK 4302

Das sagen wir dazu:

Schön für den Kläger, dass das Sozialgericht das so gesehen hat. Immerhin muss er ja mit beträchtlichen Einschränkungen seiner Gesundheit leben.

Sicher hätte ein Gericht auch anders argumentieren können. Bei einer Vorerkrankung, die nicht beruflich bedingt ist (wie hier der Heuschnupfen) begegnen Betroffene auch komplett entgegengesetzten Argumenten.

Wer schon an einer Rhinopathie durch Heuschnupfen leidet, dessen Krankheitsanlage könnte so leicht durch andere Stoffe angesprochen werden, dass die wesentliche Ursache für die Erkrankung gerade eben nicht die berufliche Exposition, sondern die Vorerkrankung ist – eine zweifellos gängige Begründung.

Das Verfahren hier zeigt, dass es aber auch anders geht und Betroffene den Mut, sich gegen Entscheidungen der BG’s und mancher Sozialgerichte durchzusetzen, nicht verlieren sollten.