Zunächst Teilamputation des Fußes als Unfallfolge anerkannt. Nach Stellung eines Verschlimmerungsantrags Entzug der mehrere Jahre gewährten Rente. © Adobe Stock - Von Cherries
Zunächst Teilamputation des Fußes als Unfallfolge anerkannt. Nach Stellung eines Verschlimmerungsantrags Entzug der mehrere Jahre gewährten Rente. © Adobe Stock - Von Cherries

Wer einen Arbeitsunfall erleidet, hat wegen der Unfallfolgen Anspruch auf Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, etwa in Form von Verletztengeld. Bedingung ist nach den Gesetz aber, dass die Gesundheitsstörungen k:infolge:k eines Versicherungsfalls entstanden sind. Das wiederum setzt voraus, dass das Unfallereignis und die konkrete Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils im Vollbeweis bewiesen sind.


Leistungen gewährt die gesetzliche Unfallversicherung nur, wenn ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall (Unfallkausalität) besteht. Das Unfallereignis muss zudem für einen Gesundheitserstschaden oder dem Tod des Versicherten ursächlich sein (haftungsbegründende Kausalität). Dauern die Unfallfolgen länger an, muss dafür der Gesundheitserstschadens kausal sein (haftungsausfüllende Kausalität). Für den Nachweis der Kausalität ist kein Vollbeweis erforderlich. Es reicht, wenn diese hinreichend wahrscheinlich sind. Es genügt aber nicht, dass der Kausalzusammenhang nur möglich ist.

Für den Ursachenzusammenhang gilt im Sozialrecht die Theorie der wesentlichen Bedingung

Für den Ursachenzusammenhang hat das Bundessozialgericht (BSG) die „Theorie der wesentlichen Bedingung“ entwickelt, die sich von der im Zivilrecht geltenden Adäquanztheorie deutlich unterscheidet. Zunächst haben beide Ansätze die naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der konkrete Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non).


Weil solche Ursachen aber gleichsam unbegrenzt sind, ist im Sozialrecht in einer zweiten Prüfungsstufe zwischen solchen Ursachen zu unterscheiden, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden und den anderen, die für den Erfolg rechtlich unerheblich sind. Ursachen. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden, sagt das BSG.


Es kann mehrere wesentliche Ursachen geben. "Wesentlich" ist dabei nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch wenn der Arbeitsunfall eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache der körperlichen oder psychischen Erkrankung des Versicherten darstellt, kann er dennoch für den gesundheitlichen Schaden rechtlich wesentlich sein, solange andere Ursachen keine überragende Bedeutung haben.

Am Abend bemerkte der Fischer nach getaner Arbeit eine Blase rechten Fuß

Der 3. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (LSG) hat auf diesem Hintergrund kürzlich entschieden, dass ein Fischer, der sich beim Fischen eine Blase am rechten Fuß zuzog, eine später erforderlich werdende Teilamputation dieses Fußes nicht mehr auf diese Blase zurückführen kann.


Der als Flussfischer tätige Kläger kontrollierte im März 2009 Netze und Reusen auf der Dahme. Sodann nahm er den Fang mit an Bord und reinigte die Netze von Ästen und Laub. Dabei trug er Gummistiefel und watete durch das vier bis fünf Grad kühle Wasser. Am Abend bemerkte er an seinem rechten Fuß eine Blase, öffnete sie und klebte zur Wundversorgung ein Pflaster auf.


In den folgenden Wochen entzündete sich die Hautläsion am Fuß so stark, dass der Mann in ein Krankenhaus eingewiesen werden musste. Dort wurde eine Diabetes-Erkrankung diagnostiziert, die sich bis dahin noch nicht klinisch manifestiert hatte. In der Folge weiteten sich die Entzündungen am Fuß aus und der Mann entwickelte das Vollbild eines sogenannten Charcot-Fußes, einer besonders schweren Form des diabetischen Fußes. Ein Teil des Fußes musste schließlich amputiert werden.

Die Berufsgenossenschaft gewährte zunächst eine Verletztenrente

Die Berufsgenossenschaft erkannte den Vorfall mit all seinen Folgen zunächst als Arbeitsunfall an und gewährte dem Fischer eine Verletztenrente. Nachdem der Mann einige Jahre später vorgetragen hatte, die Folgen des Unfalls hätten sich verschlimmert und seine Rente sei zu erhöhen, ließ die Berufsgenossenschaft ihn erneut ärztlich untersuchen. Der medizinische Gutachter vertrat die Auffassung, die Blase am Fuß sei lediglich der (austauschbare) Auslöser der schwerwiegenden Folgen gewesen, unter denen der Fischer in der Folge litt. Eine ähnliche, alltäglich vorkommende Verletzung am Fuß hätte in Anbetracht der Diabetes-Erkrankung zu einem vergleichbaren Verlauf geführt.


Daraufhin entzog die Berufsgenossenschaft dem Mann die gewährte Verletztenrente. Unfallfolgen, die zum Bezug einer Verletztenrente berechtigen könnten, lägen nicht vor. Die hiergegen gerichtete Klage des Fischers vor dem Sozialgericht Cottbus blieb ohne Erfolg.

Ursächlich für die Teilamputation und für die weitere Folgen des Charcot-Fußes ist nach Auffassung zweier Sachverständigen der Diabetes

Das LSG hat die Entscheidung des Sozialgerichts Cottbus nunmehr bestätigt. Zwar habe seine behandelnde Ärztin, die als Sachverständige im Verfahren gehört worden sei, die Auffassung vertreten, dass die Diabetes-Erkrankung sei zum Zeitpunkt des Unfalls noch nicht weit fortgeschritten gewesen sei. Sie könne nicht wesentliche Ursache der schwerwiegenden Entzündungen und der weiteren Folgen gewesen sein.


Zwei weitere Sachverständige hätten allerdings erklärt, eine Blase für sich genommen führe aber nicht zu einer schwerwiegenden Weichteilinfektion. Ursächlich hierfür und für die weitere Folge des Charcot-Fußes sei vielmehr der Diabetes. Das sei so, auch wenn dieser sich zum Zeitpunkt des Unfalls noch nicht klinisch manifestiert habe. Eine Blase komme mit großer Häufigkeit in der Allgemeinbevölkerung vor und heile in fast 100 Prozent der Fälle innerhalb kurzer Zeit folgenlos ab. Komme es infolge einer Blase zu ernsten Komplikationen, liege die wesentliche Ursache hierfür in einer anderen Schadensanlage, hier beim Diabetes.
Hier geht es zur Pressemitteilung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg:

Rechtliche Grundlagen

§ 8 SGB VII und § 26 SGB VI

§ 8 Sozialgesetzbuch (SGB) VII
Arbeitsunfall
(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.
(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch
1. das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2. das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a) Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b) mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a. das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3. das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4. das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5. das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.
(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

§ 26 Sozialgesetzbuch (SGB) VI
Grundsatz
(1) Versicherte haben nach Maßgabe der folgenden Vorschriften und unter Beachtung des Neunten Buches Anspruch auf Heilbehandlung einschließlich Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Sozialen Teilhabe, auf ergänzende Leistungen, auf Leistungen bei Pflegebedürftigkeit sowie auf Geldleistungen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget nach § 29 des Neunten Buches erbracht; dies gilt im Rahmen des Anspruchs auf Heilbehandlung nur für die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation.
(2) Der Unfallversicherungsträger hat mit allen geeigneten Mitteln möglichst frühzeitig
1. den durch den Versicherungsfall verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern,
2. den Versicherten einen ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Platz im Arbeitsleben zu sichern,
3. Hilfen zur Bewältigung der Anforderungen des täglichen Lebens und zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sowie zur Führung eines möglichst selbständigen Lebens unter Berücksichtigung von Art und Schwere des Gesundheitsschadens bereitzustellen,
4. ergänzende Leistungen zur Heilbehandlung und zu Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Sozialen Teilhabe zu erbringen,
5. Leistungen bei Pflegebedürftigkeit zu erbringen.
(3) Die Leistungen zur Heilbehandlung und zur Rehabilitation haben Vorrang vor Rentenleistungen.
(4) Qualität und Wirksamkeit der Leistungen zur Heilbehandlung und Teilhabe haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Sie werden als Dienst- und Sachleistungen zur Verfügung gestellt, soweit dieses oder das Neunte Buch keine Abweichungen vorsehen.
(5) Die Unfallversicherungsträger bestimmen im Einzelfall Art, Umfang und Durchführung der Heilbehandlung und der Leistungen zur Teilhabe sowie die Einrichtungen, die diese Leistungen erbringen, nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei prüfen sie auch, welche Leistungen geeignet und zumutbar sind, Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten.