Leibesvisitation kann Arbeitsunfall begründen.
Leibesvisitation kann Arbeitsunfall begründen.

Polizeilich veranlasste Entkleidung und Leibesvisitation führten zu Erkrankung

Eine Frau arbeitete für die Deutsche Bahn am Service-Point des Fernbahnhofs am Frankfurter Flughafen. Von der Bahnsteigaufsicht wurde ihr ein Rucksack gegeben. Im Beisein eines Kollegen dokumentierte sie den Inhalt. 

Zu einem späteren Zeitpunkt stellten Beamte der Bundespolizei fest, dass Geld, Schmuck und eine Festplatte aus der Fundsache fehlten. Hieraufhin nahmen sie die 44-jährige Frau mit auf das Polizeirevier. 

Auf dem Revier musste sie sich komplett entkleiden und wurde einer Leibesvisitation unterzogen. Aufgrund dieser ungerechtfertigten Maßnahme erlitt die Frau eine psychische Erkrankung.

Unfallversicherung verweigert Anerkennung als Arbeitsunfall

Mit der Begründung, dass es sich bei der polizeilichen Kontrolle um eine private Verrichtung gehandelt habe, lehnte die Unfallversicherung eine Anerkennung als Arbeitsunfall ab. Hierdurch sei der gesetzliche Unfallversicherungsschutz unterbrochen worden.

Allein aufgrund der beruflichen Tätigkeit ergriffene polizeiliche Maßnahmen sind vom gesetzlichen Unfallversicherungsschutz umfasst

Mit Urteil vom 17.10.2017 kam das Hessische Landessozialgericht (LSG) zu dem Ergebnis, dass die Unfallversicherung zur Anerkennung der polizeilichen Maßnahmen als Arbeitsunfall verpflichtet sei. 

Denn allein die berufliche Tätigkeit der Bahn-Mitarbeiterin sei Auslöser und Ursache der polizeilichen Maßnahmen gewesen. Diese habe ordnungsgemäß und den dienstlichen Vorschriften entsprechend, im Beisein eines Kollegen, den Inhalt des ihr übergebenden Rucksacks dokumentiert. 

Privat veranlasste Handlungen der Frau, die Anlass zu den gegebenen polizeilichen Maßnahmen gegeben hätten, seien nicht ersichtlich. Somit sei allein deren berufliche Tätigkeit ursächlich für das von außen auf ihren Körper einwirkende Ereignis, in Form der polizeilichen Maßnahmen, gewesen. 

Die ungerechtfertigten Maßnahmen der Polizei hätten bei der Frau unmittelbar zu Gefühlen des Ausgeliefertseins, der Hilflosigkeit und Ohnmacht geführt, so dass ein Gesundheitsschaden vorliege.

Keine vergleichbare Rechtslage bei Verkehrs- und Fahrkartenkontrollen

Unabhängig von dem entschiedenen Fall wies das Berufungsgericht darauf hin, dass die Rechtslage anders sei, wenn ein alkoholisierter Arbeitnehmer sich bei einer Verkehrskontrolle der Blutentnahme entziehen möchte oder ein Versicherter auf dem Heimweg von seiner Arbeitsstelle bei einer Fahrkartenkontrolle seinen Ausweis nicht zeigen möchte und es bei der polizeilichen Festnahme zu einer Verletzung kommt. 

Ein gesetzlicher Unfallversicherungsschutz bestehe in diesen Fällen nicht, so das Hessische LSG unter Bezugnahme auf andere gerichtliche Entscheidungen.

Die Revision zum Bundessozialgericht wurde durch das LSG nicht zugelassen.

Hier finden Sie die Pressemitteilung des Hessischen Landessozialgerichts vom 02.11.2017

Rechtliche Grundlagen

§ 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) und § 7 SGB VII

§ 2 SGB VII

(1) Kraft Gesetzes sind versichert
1. Beschäftigte, [...]

§ 7 SGB VII
(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten