Kein Unfallversicherungsschutz bei Zigarettenpause außerhalb des Schulgeländes © Adobe Stock - Von Mny-Jhee
Kein Unfallversicherungsschutz bei Zigarettenpause außerhalb des Schulgeländes © Adobe Stock - Von Mny-Jhee

Der Kläger war als Gymnasiast bei der beklagten Unfallkasse versichert. Am 18. Januar 2018 hielt sich der damals volljährige Kläger erlaubterweise in der Schulpause mit zwei Mitschülern im Stadtpark in unmittelbarer Nähe der Schule auf. Mit einem der Mitschüler rauchte er Zigaretten. Es herrschte Unwetter mit Sturm und Schneefall. Während des Aufenthalts fiel dem Kläger ein Ast auf Kopf und Körper. Unter anderem erlitt er ein schweres Schädel-Hirn-Trauma.

Erfolglosem Widerspruchsverfahren folgt Klage

Da die Unfallkasse die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ablehnte erhob der Gymnasiast Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg, die von Erfolg gekrönt war. Gegen diese Entscheidung legte die beklagte Unfallkasse Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Hamburg ein.

LSG kippt Entscheidung des SG

Zu einem anderen Ergebnis als das SG kam das LSG. Mit Urteil vom 28. Oktober 2020 wiesen die Richter*innen des Berufungsgerichts die Klage auf Feststellung eines Arbeitsunfalls ab.

Der Aufenthalt im Stadtpark, so das LSG, habe nicht unter Versicherungsschutz gestanden, weil er nicht im organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule erfolgte. Der Einflussbereich der Schule habe ebenso wie die Aufsichtspflicht und -möglichkeit am Schultor geendet. Anhaltspunkte dafür, dass eine besondere Belastungssituation im Unterricht den Spaziergang im Stadtpark notwendig gemacht haben könnte, um die Schulfähigkeit des Klägers zu erhalten bzw. wiederherzustellen, seien nicht ersichtlich.

Kläger ruft das Bundessozialgericht an

Gegen die zweitinstanzliche Entscheidung legte der Kläger Revision beim Bundessozialgericht (BSG) ein.

Mit seiner Revision rügt er die Verletzung des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII iVm § 2 Abs. 1 Nr. 8 Buchst b SGB VII. Versicherungsschutz als Schüler bestehe, so der Kläger, während der Schulpause unabhängig davon, ob diese auf dem Schulgelände oder außerhalb des Schulgeländes verbracht werde. Im Übrigen werde der Stadtpark von der Schulleitung als sogenannter erweiterter Schulhof angesehen und als solcher behandelt worden.

BSG bestätigt LSG

Der Revision des Klägers war kein Erfolg beschieden. Zu Recht, so das Revisionsgericht, habe das LSG die auf Feststellung eines Arbeitsunfalls gerichtete Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Arbeitsunfall als Schüler erlitten als er während der Schulpause im schulnahen Stadtpark von einem herabstürzenden Ast verletzt wurde.

Der Aufenthalt im Park zum Zeitpunkt des Unfalles erfolgte, so das BSG, außerhalb des organisatorischen Verantwortungsbereichs der Schule. Der organisatorische Verantwortungsbereich der Schule während der Pausen sei bereits im Hinblick auf die räumlichen Verhältnisse auf das Schulgelände beschränkt. Die Gestattung zum Verlassen des Schulgeländes während der Schulpausen sei nicht als Lockerung der im Übrigen fortbestehenden Aufsichtspflicht gedacht, sondern habe sich lediglich auf privatwirtschaftliche Tätigkeiten bezogen. Trotz der relativen Enge des Schulhofs sei der Aufenthalt außerhalb des Schulgeländes während der Schulpausen nicht zwingend erforderlich und somit kein notwendiger Bestandteil der Unterrichtspausen. Für eine Einvernahme des Stadtparks als erweiterter Schulhof fehle das hierfür nötige Mindestmaß an schulischer Einflussnahme.

Dahinstehen könne, ob ein Parkaufenthalt während der Schulpausen unter Versicherungsschutz gestanden hätte, wenn dieser aufgrund des Schulbesuches erforderlich wäre, um sich zu erholen. Nichts spreche dafür, dass am Tag des Unfalls eine erforderliche Erholung nicht auch innerhalb des Schulgebäudes möglich gewesen wäre.

Soweit der Kläger den Park zum Rauchen aufgesucht habe, weil auf dem Schulgelände ein Rauchverbot galt, führe dies ebenfalls nicht zum Versicherungsschutz. Anders als das Verlassen der Schule zum Zwecke der Beschaffung von erforderlichen Nahrungsmitteln stehe die Einnahme von Genussmitteln mit dem Schulbesuch in keinem sachlichen Zusammenhang.

Versicherungsschutz bestand schließlich auch dann nicht, wenn die Schule einen Hinweis auf fehlenden Versicherungsschutz unterlassen haben sollte. Zwar dürften durch unklares oder missverständliches Verhalten von Schule und Lehrkräften keine vermeidbaren Schutzlücken zulasten der Schüler entstehen. Unklarheiten aufgrund offener schulischer Vorgaben seien aber im Falle des Klägers bereits durch klare räumliche Grenzen und deren Kontrolle als ausgeräumt zu sehen.

Hier finden Sie die Pressemitteilung des BSG:

 

 

Rechtliche Grundlagen

Auszüge aus dem Sozialgesetzbuch (SGB) VII

§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII

Arbeitsunfall



(1) 1Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit)









§ 2 Abs. 1 Nr. 8 Buchst b SGB VII

Versicherung kraft Gesetzes



1) Kraft Gesetzes sind versichert



8.

b)

Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen