Reinigungsmittel können Atemwegserkrankungen verursachen. Copyright by fineart-collection / Fotolia.
Reinigungsmittel können Atemwegserkrankungen verursachen. Copyright by fineart-collection / Fotolia.

Eine Raumpflegerin aus Hamburg leidet seit Jahren unter Atemproblemen. Ihr behandelnder Lungenfacharzt hat bei ihr ein schwergradiges Asthma diagnostiziert und eine ärztliche Anzeige wegen des Verdachts auf eine Berufskrankheit bei der zuständigen Berufsgenossenschaft (BG) angezeigt. Die Raumpflegerin reinigt nämlich seit Jahren die Büro- und Toilettenräume bei einer Sozialversicherung. Es bestand der Verdacht, dass die bei der Arbeit benutzten Reinigungsmittel die Krankheit ausgelöst hätten.
 

Berufsgenossenschaft: Krankheit hat mit der Arbeit nichts zu tun

Die Arbeitsmedizinerin der BG kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin als Raumpflegerin mit Produkten gearbeitet habe, die üblicherweise nicht in der Lage seien, eine bronchiale Hyperreagibilität oder ein Asthma bronchiale hervorzurufen. Da die Luftnotanfälle laut medizinischer Unterlagen sowohl beim Umgang mit den Reinigungsmitteln als auch bei körperlicher Anstrengung oder im Rahmen von Infekten aufträten, sei ein eindeutig „arbeitskongruenter Verlauf“ nicht zu erkennen.
 
Die Raumpflegerin war davon keineswegs überzeugt. Sie konnte sich bei bestem Willen nicht vorstellen, dass Reinigungsmittel harmlos sind, die regelmäßig ihre Arbeitshandschuhe zerfressen. Sie hat deshalb gegen den ablehnenden Bescheid der BG Widerspruch eingelegt. Im Widerspruchsverfahren gab sie an, dass sie früher mit deutlich stärkeren Reinigungsmitteln gearbeitet habe, als von der BG eingeräumt.
 

Die verwendeten Produkte sind nach Meinung der BG nicht geeignet, ein Asthma hervorzurufen

Wenig überraschend wies die BG den Widerspruch allerdings als unbegründet zurück. Zur Begründung führte die BG aus, die Klägerin habe im Rahmen der Feuchtarbeit während der Arbeitszeit ca. 12-13 Toiletten sowie ca. sechs Waschbecken reinigen müssen. Dabei werde das konzentrierte Reinigungsmittel mit dem Wischlappen verteilt und mit fließendem Wasser nachgespült. Die von der Klägerin verwendeten Produkte seien üblicherweise nicht in der Lage, eine bronchiale Hyperreagibilität oder ein Asthma bronchiale hervorzurufen.
 
Das wollte die Raumpflegerin indessen nicht akzeptieren und führte mithilfe der DGB Rechtsschutz GmbH ein Verfahren vor dem Sozialgericht Hamburg (SG).
 

Das schlimmste Reinigungsmittel hatte die BG gar nicht berücksichtigt

Sie rügte in ihrer Klage, dass das am schlimmsten ätzende Reinigungsmittel „Wacid“ bei den Ermittlungen der BG gar nicht berücksichtigt worden sei. Dieses habe sie mehrmals pro Woche zum Reinigen der WCs und der Urinale verwendet.
 
Das SG mit Urteil vom Januar 2019 festgestellt, dass bei der Klägerin einer beruflich verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen  durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Substanzen vorliegt.
 
Das SG hatte auf Antrag der Prozessbevollmächtigten ein Sachverständigengutachten durch einen Lungenfacharzt und Allergologen eingeholt. Dieser berichtete, dass es im Rahmen einer arbeitsplatzbezogenen Provokation mit dem Reinigungsmittel „Wacid" bei der Klägerin zu einer Verengung in den zentralen Atemwegsbeschwerden gekommen sei. Zudem habe bei der Klägerin mehrmals das Vorliegen einer bronchialen Überempfindlichkeit festgestellt werden können. Es bestehe somit eine Verkrampfungsneigung in den Atemwegen. Umfangreiche Untersuchungen in der Vergangenheit hätten zudem keinen Hinweis für eine außerberufliche Genese gezeigt. Im individuellen Fall der Klägerin sei somit davon auszugehen, dass die Einwirkung der Reinigungsmittelaerosole zu einer Atemwegserkrankung im Sinne eines Asthma bronchiale geführt hätten.
 

BG: Das starke Reinigungsmittel werde nur 2-3 mal im Jahr benutzt

Die BG war indessen mit dem Ergebnis des Gutachtens nicht einverstanden. Deren Arbeitsmedizinerin erklärte, dass das Spezialprodukt „Wacid" lediglich für die Grundreinigung von Duschen von besonders unterwiesenen Tagesreinigungskräften / Betriebshelferinnen eingesetzt werde. Es handele sich nicht um ein Produkt für den täglichen Gebrauch. Den Unterhaltsreinigungskräften werde es bei extremen Kalkablagerungen im WC oder Urinal-Becken durch eine unterwiesene Person zur Verfügung gestellt. Dies komme pro Jahr etwa 2-3-mal vor. Mit Sicherheit könne bei der Klägerin ein regelmäßiger und mengenmäßig relevanter Kontakt am Arbeitsplatz ausgeschlossen werden.
 
Zu diesen Ausführungen nahm der Sachverständige noch einmal Stellung. Er wies insbesondere auf ein  Konsensuspapier der Europäischen Akademie für Allergologie und klinische Immunologie (EAACI) hin. Die Autoren des Papiers seien zu der Erkenntnis gekommen, dass sich bei den untersuchten Studien klare Hinweise für einen Zusammenhang zwischen Asthma und Reinigungstätigkeit ergeben hätten.
 

Das Gericht geht davon aus, dass die Klägerin „Wacid“ täglich mehrere Stunden unverdünnt benutzt hat

Das SG ist nach Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin tagtäglich im Keller die hochfrequentierten Tagungs- und Toilettenräume reinigen musste. Aufgrund der groben Verunreinigung und zur Vermeidung des Ansatzes von Urinstein habe sie ganz regelmäßig unverdünnt das Phosphorreinigungsmittel „Wacid" benutzt. Und das sogar mit Wissen und Billigung der Vorarbeiter.
 
Aufgrund des Konsensuspapiers der EAACI war das Gericht auch überzeugt davon, dass es gesicherte Erkenntnisse für einen Zusammenhang zwischen arbeitsbedingten Asthma und Reinigungstätigkeit mit Phosphorreinigungsmitteln gibt. Die Klägerin sei mehrere Stunden täglich intensiv dem Reinigungsmittel ausgesetzt gewesen.  Es sei ohne weiteres davon auszugehen, dass diese Umstand geeignet gewesen sei, die Atemwegserkrankung herbeizuführen.
 
Die Entscheidung ist leider noch nicht rechtskräftig. Es bleibt abzuwarten, ob die BG in die Berufung gehen wird.
 
Hier geht es zur Entscheidung:
 
Instituts für Prävention und Arbeitsmedizin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Institut der Ruhr-Universität Bochum (IPA), IPA-Journal 01/2016, Beitrag ab Seite 10:
 
Was sind Berufskrankheiten? Beitrag auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BMAS):
Liste der Berufskrankheiten (Anlage zur Berufskrankheitenverordnung):
Merkblatt zur Berufskrankheit 4302:
 
Unser Artikel vom 24.02.2017

„Wenn Arbeit krank gemacht hat - Rechtsstreite gegen die Berufsgenossenschaft“.

Das sagen wir dazu:

Krank von der Arbeit heißt noch nicht Berufskrankheit

Nicht jede Krankheit, die ihre Ursache durch Einwirkungen am Arbeitsplatz hat, wird von der Berufsgenossenschaft entschädigt. Entschädigt werden grundsätzlich nur solche Erkrankungen, die die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates in eine Liste zur Berufskrankheitenverordnung aufgenommen hat („Listenerkrankungen“). Daneben kann als Berufskrankheit nur eine Krankheit anerkannt werden, die nach wissenschaftlicher Erkenntnis durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Diese sogenannten „Wie-Berufserkrankungen“ sind aber nur sehr selten. Im Prinzip sind das Krankheiten, die bereits kurz vor der Aufnahme in die Liste stehen. Bei Beamt*innen werden diese „Wie-BK´s“ gar nicht anerkannt.

Aber selbst, wenn eine „Listenerkrankung“ vorliegt, führt das nicht automatisch zur Entschädigung. Der/die Betreffende muss auch am Arbeitsplatz Auswirkungen ausgesetzt gewesen sein, die für das Auftreten der BK ursächlich sein können.

In der Erwerbsarbeit muss eine wesentliche Ursache für die Krankheit liegen

In unserem Fall war ging es um eine Listenerkrankung gemäß Ziffer 4302 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung. Hierbei handelt es sich um „durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können“. Hier sind schon vier wichtige Voraussetzungen genannt:

  1. Die Klägerin muss in ihrer beruflichen Tätigkeit der Einwirkung  chemisch-irritativ oder toxisch wirkender Stoffe ausgesetzt gewesen sein
  2. Bei der Klägerin muss eine obstruktive Atemwegserkrankung vorliegen
  3. Die obstruktive Atemwegserkrankung muss durch die chemisch-irritativ oder toxisch wirkenden Stoffe verursacht worden sein (Kausalität)
  4. Die Krankheit muss zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

 

War die Klägerin ausreichend phosphorhaltigen Reinigungsmitteln ausgesetzt?

Nicht streitig war, dass bei der Klägerin das medizinische Erkrankungsbild einer obstruktiven
Atemwegserkrankung vorliegt.

Es war sodann also erst einmal zu prüfen, ob die Klägerin in hinreichendem Maße der Einwirkung eines Reinigungsmittels ausgesetzt gewesen ist, das das bei ihr vorliegende Asthma überhaupt verursachen kann. Die BG hatte zunächst „vergessen“, das phosphorhaltige Reinigungsmittel überhaupt aufzuführen. Als die Klägerin das gerügt hatte, gab die BG die Verwendung von „Wacid“ zwar zu, behauptete aber, das Mittel werde nur sehr selten benutzt. Das hätte nicht ausgereicht, um das Asthma zu verursachen. Die Beweisaufnahme hatte aber ergeben, dass die Klägerin „Wacid“ täglich über mehrere Stunden und dazu auch noch unverdünnt benutzen musste.

Eine Exposition mit diesem Reinigungsmittel in diesem Umfang hielt sowohl der Sachverständige als auch das Gericht für ausreichend.

Gibt es außerberufliche Ursachen?

In einem nächsten Schritt muss dann auch noch überprüft werden, ob nicht außerberufliche Ursachen für die Erkrankung verantwortlich sein können. Bei Atemwegserkrankungen wird häufig etwa langjährigen Rauchern entgegengehalten, dass dieses Laster ebenfalls die Lungenerkrankung herbeiführen kann. In diesem Fall kommt es darauf an, dass die Einwirkung am Arbeitsplatz zumindest mit überwiegender Wahrscheinlichkeit wesentlich mitursächlich gewesen ist. Es kann nämlich mehrere wesentliche Ursachen geben. Für diesen Nachweis sind die Sachverständigengutachten als Beweismittel besonders wichtig. Der Sachverständige hatte dargelegt, dass außerberufliche Ursachen bei der Klägerin nicht erkennbar sind.

Bei einigen Berufskrankheiten kommt für eine Anerkennung noch hinzu, dass der /die Betreffende gezwungen war, die Tätigkeit aufzugeben, die geeignet ist die BK zu verursachen oder zu verschlimmern. Um eine solche BK handelt es sich auch bei der BK 4302.

Das Zusammenhangsgutachten ist sehr wichtig

Die Entscheidung hat gezeigt, dass bei Rechtsstreitigkeiten der beauftragte Sachverständige sehr wichtig ist. Zwar trifft der Sachverständige letztlich nicht die Entscheidung. Die trifft das Gericht. Das Gutachten stellt aber ein Beweismittel dar. Es macht keinen Sinn, wenn ein wohlgesinnter Sachverständige ein „Gefälligkeitsgutachten erstellt“. Er muss schon wissen, auf was es im Recht der Berufskrankheiten ankommt.

Er muss nämlich bereits bei der Anamnese gezielt die Fragen stellen, die für die Beurteilung entscheidend sind. Der Sachverständige hatte im vorliegenden Fall die Angaben der Klägerin ernst genommen, erheblich mehr als von der BG angenommen der Einwirkung von „Wacid“ ausgesetzt gewesen zu sein. Er konnte somit medizinisch nachweisen, dass sie Klägerin unter Einfluss phosphorhaltige Reinigungsmittel Reaktionen zeigte, die ein Asthma hervorrufen. Erst das hatte das Gericht dazu veranlasst, weiter zu ermitteln, wie häufig die Klägerin mit diesem Mittel gearbeitet hat. Zudem hatte der Sachverständige in wissenschaftlicher Literatur recherchiert und ist auf das Konsensuspapier der EAACI gestoßen, das Asthma als Folge der Arbeit mit Reinigungsmitteln nahelegt.

Es gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung

Häufige Fehler bei Sachverständigen ist (im vorliegenden Fall spielte das aber keine Rolle), dass ihnen der sozialrechtliche Kausalitätsbegriff nicht bekannt ist. Im Sozialrecht gilt die „Theorie der wesentlichen Bedingung“. Entscheidend ist danach nicht, welche Ursache in erster Linie für die Erkrankung verantwortlich ist. Erheblich ist vielmehr, ob sie „wesentlich“ ist. Das Bundessozialgericht sagt insoweit in ständiger Rechtsprechung, dass zunächst wie im Zivilrecht an naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie anzuknüpfen ist. Danach ist wesentlich zunächst einmal jede Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann („conditio sine qua non“). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw denen der Erfolg zugerechnet wird und solchen, die unerheblich sind. Verschulden spielt bei Berufskrankheiten keine Rolle. Deshalb kommt es nur darauf an, ob eine Bedingung wesentlich gewesen ist.

"Wesentlich" ist dabei nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange andere Ursachen keine überragende Bedeutung haben. In Sachverständigengutachten wird demgegenüber häufig außerberuflichen Ursachen eine zu große Bedeutung eingeräumt. Erst kürzlich hat der Autor ein Sachverständigengutachten gesehen, in dem ein Sachverständiger die Kausalität nach Einwirkung mit toxischen Stoffen verneint hat. Er meinte, in dem von ihm zu beurteilenden Fall habe zwar eine Einwirkung durch Stoffe stattgefunden, die in der BK 4302 bezeichnet würden. Der Patient habe aber 20 Jahre lang geraucht. Und dieser Umstand sei zu 80% für seine Krankheit ursächlich, die berufliche Einwirkung nur zu 20%. Deshalb sei die Erwerbsfähigkeit aufgrund der beruflichen Einwirkung nur minimal herabgesunken, wohingegen das Rauchen erheblich mehr für seine Beeinträchtigungen verantwortlich sei.

Diese Beurteilung entspricht indessen nicht der Theorie der wesentlichen Bedingung. Wenn eine Bedingung wesentlich ist, ist sie für die gesamte Krankheit wesentlich.  Ein Anteil von 20% ist allemal wesentlich.

Es lohnt sich also, insbesondere die sogenannten „Zusammenhangsgutachten“ im Recht der Berufskrankheiten genau zu überprüfen.

Rechtliche Grundlagen

§ 9 SGB VII Berufskrankheit

(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, daß die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. In der Rechtsverordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufskrankheiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.
(2) Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.
(3) Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, daß diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.
(4) Setzt die Anerkennung einer Krankheit als Berufskrankheit die Unterlassung aller Tätigkeiten voraus, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, haben die Unfallversicherungsträger vor Unterlassung einer noch verrichteten gefährdenden Tätigkeit darüber zu entscheiden, ob die übrigen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit erfüllt sind.
(5) Soweit Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen.
(6) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates
1.
Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten,
2.
die Mitwirkung der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen bei der Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind; dabei kann bestimmt werden, daß die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen berechtigt sind, Zusammenhangsgutachten zu erstellen sowie zur Vorbereitung ihrer Gutachten Versicherte zu untersuchen oder auf Kosten der Unfallversicherungsträger andere Ärzte mit der Vornahme der Untersuchungen zu beauftragen,
3.
die von den Unfallversicherungsträgern für die Tätigkeit der Stellen nach Nummer 2 zu entrichtenden Gebühren; diese Gebühren richten sich nach dem für die Begutachtung erforderlichen Aufwand und den dadurch entstehenden Kosten.
(7) Die Unfallversicherungsträger haben die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle über den Ausgang des Berufskrankheitenverfahrens zu unterrichten, soweit ihre Entscheidung von der gutachterlichen Stellungnahme der zuständigen Stelle abweicht.
(8) Die Unfallversicherungsträger wirken bei der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mit; sie sollen durch eigene Forschung oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dazu beitragen, den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeiten in einer bestimmten Personengruppe und gesundheitsschädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufzuklären.
(9) Die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen dürfen zur Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind, Daten erheben, verarbeiten oder nutzen sowie zur Vorbereitung von Gutachten Versicherte untersuchen, soweit dies im Rahmen ihrer Mitwirkung nach Absatz 6 Nr. 2 erforderlich ist; sie dürfen diese Daten insbesondere an den zuständigen Unfallversicherungsträger übermitteln. Die erhobenen Daten dürfen auch zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren verarbeitet oder genutzt werden. Soweit die in Satz 1 genannten Stellen andere Ärzte mit der Vornahme von Untersuchungen beauftragen, ist die Übermittlung von Daten zwischen diesen Stellen und den beauftragten Ärzten zulässig, soweit dies im Rahmen des Untersuchungsauftrages erforderlich ist.