

Die arbeitsuchende Klägerin absolvierte bei einem Unternehmen ein unentgeltliches eintägiges Praktikum auf der Grundlage einer "Kennenlern-/Praktikums-Vereinbarung".
Während des Praktikums fanden unter anderem Gespräche, eine Betriebsführung und ein fachlicher Austausch mit der IT-Abteilung statt. Zum Abschluss besichtigte man das Hochregallager. Hierbei stürzte die Klägerin und brach sich den rechten Oberarm. Bei der zuständigen Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BG) beantragte sie die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, der erfolglos blieb.
Tatsacheninstanzen bestätigen Rechtsauffassung der beklagten BG
Negativ verlief auch das Widerspruchsverfahren, woraufhin die Klägerin Klage beim Sozialgericht Augsburg erhob. Die wurde mit Urteil vom 15. Mai 2018 abgewiesen. Gegen diese Entscheidung legte sie Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) ein. Mit Urteil vom 28. Juli 2020 wies das LSG die Berufung zurück.
LSG lässt Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu
Wegen grundsätzlicher Bedeutung ließ das LSG die Revision zum Bundessozialgericht (BSG) zu. Durch die Revision, so das LSG, könne höchstrichterlich geklärt werden, ob eine Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert vorliegt, wenn ein "Kennenlern-Tag" für den Arbeitgeber aufgrund der verbesserten Personalauswahl wirtschaftlich einen Nutzen hat, obwohl der Bewerber keine Tätigkeit von wirtschaftlichen Wert erbringt.
Angesichts der auch vom BSG betonten zunehmenden Bedeutung von Probearbeitstagen und Einfühlungsverhältnissen und der Tatsache, dass sich die Bewerber vorwiegend im Interesse des Arbeitgebers, also in dessen Risikosphäre, aufhalten, kommt dieser Rechtsfrage eine Bedeutung über den Einzelfall hinaus zu.
Erfolgreiche Revision
Anders als die beklagte Holz- und Metall BG und die Vorinstanzen hat das BSG festgestellt, dass die Klägerin einen Arbeitsunfall erlitten hat. Die Klägerin war zum Zeitpunkt des Unfalles Teilnehmerin einer Unternehmensbesichtigung. Nach der Satzung der beklagten BG sind Teilnehmer einer Unternehmensbesichtigung - im Unterschied zu Satzungen anderer Unfallversicherungsträger - unfallversichert. Das eigene - unversicherte - Interesse der Klägerin am Kennenlernen des potenziellen zukünftigen Arbeitgebers steht dem Unfallversicherungsschutz kraft Satzung hier nicht entgegen. Die Satzungsregelung der Beklagten ist nicht auf Personen beschränkt, deren Aufenthalt im Unternehmen ausschließlich der Besichtigung dient. Unternehmer sollen vielmehr umfassend von Haftungsrisiken befreit werden, die durch erhöhte Gefahren bei Unternehmensbesuchen entstehen können
Hier geht es zur Pressemitteilung des Bundessozialgerichts vom 31. März 2022:
Das sagen wir dazu:
Die Entscheidung des Bundessozialgerichts ist begrüßenswert. Ob sie bei vergleichbaren Unfallgeschehen herangezogen werden kann, um Unfälle im Rahmen einer Betriebsbesichtigung als Arbeitsunfälle anerkannt zu bekommen, bleibt abzuwarten. Denn die Satzungen der Berufsgenossenschaften sind nicht einheitlich. Kraft Gesetzes gilt der Versicherungsschutz nur für Beschäftigte und Lernende. Unter diesen Personenkreis fiel die Klägerin in dem vom BSG entschiedenen Fall ersichtlich nicht. Dass es dennoch zur Anerkennung eines Arbeitsunfalls kam, ergibt sich aus § 52 der Satzung der Berufsgenossenschaft Holz und Metall. Danach gilt der Versicherungsschutz auch für nicht im Unternehmen beschäftigte Personen, die als Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Besichtigungen des Unternehmens, die Stätte des Unternehmens im Auftrag oder mit Zustimmung des Unternehmens aufsuchen.
Das sagen wir dazu