Das Büro Schwäbisch Hall vertrat einen Betriebsrat vor dem Sozialgericht Heilbronn im Verfahren über die Anerkennung eines Arbeitsunfalls. Er hatte an einer mehrtägigen Tagung für Betriebsräte außer Haus teilgenommen. In der Tagesordnung war am ersten Tag die Erörterung von mehreren Tagesordnungspunkten vorgesehen. Der offizielle Teil der Veranstaltung endete am Abend gegen 20 Uhr. 

Geselliges Beisammensein im Anschluss an die Schulung

Es schloss sich ein geselliges Beisammensein im Tagungshotel an. Dabei nahm der Betriebsrat, wie auch seine Kollegen, Alkohol zu sich. Gegen 1.00 Uhr in der Nacht stürzte der Kläger auf dem Weg zu seinem Hotelzimmer im Treppenhaus des Tagungshotels schwer. Der Notarzt stellte im Krankenhaus eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,99 Promille fest. Das Sozialgericht urteilte, dass dieser Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen sei. 

Treppensturz mit erheblichen Verletzungen

Was in den Medien abschätzig als skurriles Urteil oder als eine vom Sozialgericht nachträglich gerechtfertigte Ausschweifung bei einer externen Firmenveranstaltung bezeichnet worden ist, stellt sich bei genauer Betrachtung als ein schwerwiegender Sachverhalt dar. 

Denn der Kläger kam durch den Sturz schwer zu Schaden. Er erlitt dabei schwerste Kopfverletzungen. Er musste über mehrere Wochen in ein künstliches Koma versetzt werden und die Angehörigen mussten zu dieser Zeit mit dem Schlimmsten rechnen. 

Nach dem Krankenhausaufenthalt erfolgte eine lange Rehabilitationsmaßnahme, um die verbliebenen Beschwerden des Klägers zu mildern. Noch heute hat der Kläger erhebliche Einschränkungen durch den Unfall in seiner Freizeitgestaltung.

Bei mehrtägigen Schulungen keine strikte Trennung

Das Sozialgericht Heilbronn ist unserer Argumentation gefolgt, dass der Kläger die Gesundheitsschäden in Folge seiner versicherten Tätigkeit erlitten hat. Es bestand nämlich ein innerer Zusammenhang zwischen dem Sturz des Klägers auf der Treppe des Tagungshotels und seiner versicherten Tätigkeit. Mithin entfiel der Versicherungsschutz auch nicht aufgrund der ermittelten BAK von 1,99 Promille.

Reisen, die zur Ausübung der dienstlichen Tätigkeit zurückgelegt werden, stehen unter Versicherungsschutz. Der Umstand allein, dass sich der Versicherte im Verlauf seiner Dienstreise verletzte, besagt nicht, dass bereits deshalb die unfallbringende Tätigkeit als eine versicherte Tätigkeit anzusehen ist. Es ist vielmehr zwischen Betätigungen zu unterscheiden, die mit dem Beschäftigungsverhältnis wesentliche zusammenhängen und solchem Verhalten, das der Privatsphäre des Reisenden zuzurechnen ist. 

Der Versicherungsschutz entfällt nur, wenn sich der Versicherte rein persönlichen, von der Betriebsratstätigkeit nicht mehr beeinflussten Belangen, widmet.

Auch Erfahrungsaustausch gehört zur Schulung dazu

Nach richtiger Auffassung des Sozialgerichts Heilbronn bestand für den Weg zu dem Hotelzimmer des Klägers Versicherungsschutz. Zwar endete der offizielle Teil der Veranstaltung gegen 20 Uhr. Es lässt sich aber beim geselligen Zusammensein unter Kollegen keine scharfe Grenze zwischen dienstlichen und privaten Gesprächen ziehen. 

Immerhin dienen solche betrieblichen Veranstaltungen dem Erfahrungsaustausch. Dadurch hatte sich der Kläger nicht nur rein persönlichen Belangen gewidmet.

Auch Alkoholgenuss lässt den Schutz nicht zwingend entfallen

Der Versicherungsschutz ist auch nicht durch den Alkoholkonsum des Klägers entfallen, da ein alkoholbedingter Leistungsabfall des Klägers nicht belegbar war. Die Ermittlungen der Beklagten im Rahmen des Widerspruchsverfahrens haben keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Kläger alkoholbedingte Ausfallerscheinungen gezeigt hat. 

Einziges Indiz hierfür war die ermittelte BAK von 1,99 Promille. Allerdings existiert bei Fußgängern nicht wie bei Autofahrern eine feste Promille Grenze, von der man von einer absoluten Verkehrsuntüchtigkeit ausgehen könnte (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil v. 11.12.2007, Az. L 3 U 159/05). 

Demnach gelang der Beklagten der Nachweis nicht, dass die Alkoholisierung des Klägers die anderen Wirkursachen des Unfalls verdrängt, nämlich das dem Kläger nicht vertraute Treppenhaus des Tagungshotels. 

Gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn wurde keine Berufung eingelegt. Das Urteil ist damit rechtskräftig.

Ronny Jochim, Rechtsschutzsekretär Schwäbisch Hall

 

Die vollständige Entscheidung des Sozialgerichts Heilbronn vom 28.05.2014, Az. S 6 U 1404/13 bekommen Sie hier