Jobcenter zur Übernahme von Umzugskosten verpflichtet
Jobcenter zur Übernahme von Umzugskosten verpflichtet

Umzugskosten: Wann zahlt das Jobcenter?

 

Die Kosten, die bei einem Umzug anfallen, treffen Bezieher von Leistungen nach dem SGB II besonders hart. Unter bestimmten Umständen ist jedoch das Jobcenter verpflichtet, diese Kosten zu übernehmen.

Zu diesem Ergebnis kam das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen - Bremen in seinem Urteil vom 06.10.2015.


Vergleiche:

Jobcenter muss Kosten für Telefon- und Internetumstellung beim Umzug erstatten.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung ließ das Landessozialgericht in seinem Urteil die Revision zum Bundesarbeitsgericht ausdrücklich zu.

Am 10.08.2016 entschied das oberste deutsche Sozialgericht über die Revision des beklagten Jobcenters

Sachverhalt

Ein Bezieher von SGB II Leistungen war auf einen Rollstuhl angewiesen. Er trennte sich von seiner Ehefrau und zog in eine neue Wohnung um. Das Jobcenter sicherte zu, die Umzugskosten zu übernehmen, übernahm sie tatsächlich auch für ein Umzugsunternehmen und bewilligt zusätzlich einen Betrag von 217 € für die Erstausstattung der Wohnung. Dagegen lehnte das Jobcenter es ab, auch die Kosten für die Übertragung des Telefon- und Internetanschlusses sowie für einen Nachsendeantrag zu übernehmen. Der Mann klagte gegen das Jobcenter und bekam Recht.

Entscheidungsgrundlage

Entscheidungsgrundlage des Gerichts ist § 22 Abs. 6 SGB II. Diese Vorschrift lautet auszugsweise:


„… Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung … als Bedarf anerkannt werden … Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. „

Voraussetzungen für eine Kostenübernahme

Voraussetzungen für eine Kostenübernahme sind:

  • das Jobcenter muss vor dem Umzug zugesichert haben, die Umzugskosten zu übernehmen
  • die Kosten, die der Kläger geltend macht, müssen unmittelbare Umzugskosten sein
  • die Kosten müssen angemessen sein.

Die Zusicherung

Bei einer Zusicherung handelt es sich um eine vom Jobcenter erteilte schriftliche Zusage, die Umzugskosten zu übernehmen. Diese Zusicherung muss bereits vor dem Beginn des Umzuges vorliegen. Da zu diesem Zeitpunkt noch unklar ist, welche Kosten in welcher Höhe tatsächlich anfallen, handelt es sich bei der Zusicherung vor dem Umzug lediglich um die Zusage, dass das Jobcenter grundsätzlich bereit ist, die Umzugskosten zu übernehmen (Zusicherung „dem Grunde nach“). Eine Zusage, in welcher Höhe die Kosten zu erstatten sind („Zusicherung der Höhe nach“) ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich.


Liegt eine Zusage dem Grunde nach vor, beschränkt sich das Ermessen des Jobcenters („ … können anerkannt werden …“) auf die Höhe der Kosten.


Falls nicht wirklich ganz gravierende Gesichtspunkte dagegen sprechen, muss das Jobcenter die Zusicherung erteilen, wenn:

  • das Jobcenter den Umzug veranlasst (zum Beispiel, weil es die bisherige Wohnung für unangemessen groß hält), oder
  • der Umzug aus anderen Gründen notwendig ist (wie im Fall des Klägers wegen der Trennung) und
  • „ … wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann.“


Festzuhalten ist auf jeden Fall, dass eine Kostenübernahme nur in Betracht kommt, wenn das Jobcenter bereits vor dem Umzug eine entsprechende Zusicherung erteilt hat.

Die unmittelbaren Umzugskosten

Übernahme fähig sind nach einer anderen Entscheidung des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 2008 nur Kosten, die unmittelbar durch den Umzug verursacht werden und nicht solche, die damit lediglich in Zusammenhang stehen. Es kann sich also nur um Kosten handeln,


„ … die einmalig durch die besondere Bedarfslage "Umzug" verursacht werden.“

Dies sind beispielsweise Transportkosten sowie Kosten für Benzin und Verpackungsmaterial. Die Kosten für die Verpflegung mithelfender Familienangehöriger oder Freunde fallen ebenso darunter wie die Kosten einer Sperrmüllentsorgung.

Argumentation des Jobcenters

Das Jobcenter machte nicht geltend, sie habe ihr Ermessen zulasten des Klägers ausgeübt, weil die Kosten für die Übertragung des Telefon- und Internetanschlusses sowie für einen Nachsendeantrag zu hoch angesetzt seien. Vielmehr war das Jobcenter der Auffassung, dass diese Kosten nicht zu den unmittelbaren Umzugskosten gehören.

Entscheidung des Gerichts

Das Bundessozialgericht erteilte der Argumentation des Jobcenters eine erfreulich klare Absage. So führt es aus, es sind


„ … sowohl die Kosten für die Bereitstellung des Telefon- und Internetanschlusses als auch für einen Nachsendeauftrag heutzutage als Kosten zu qualifizieren, die vom Wortlaut und Sinn und Zweck des § 22 Abs. 6 SGB II umfasst sind …“



Weiter stellt das Gericht klar:


„Nach heutiger Auffassung sind sowohl ein Telefon- und Internetanschluss als auch ein Nachsendeantrag notwendig, um nach einem Umzug die Kommunikation mit anderen Menschen, Behörden, Banken usw aufrecht zu erhalten. Diese Kommunikation stellt ein vom Gesetzgeber anerkanntes Grundbedürfnis dar …“


Damit steht fest, dass die vom Kläger geltend gemachten Kosten in der Zusicherung des Jobcenters enthalten sind und dass das Jobcenter sie deshalb ebenfalls übernehmen muss.


Unklar bleibt allein, ob die Höhe der Kosten (69,95 € für die Übertragung des Telefon- und Internetanschlusses und 15,20 € für den Nachsendeantrag) angemessen ist. Da das Landessozialgericht dazu keine Ausführungen gemacht hat, verwies das Bundessozialgericht den Fall zur erneuten Verhandlung an das Landessozialgericht zurück.

Hier geht es direkt zur Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 10.08.2016 im Volltext 
Hier geht es direkt zur Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 16.12.2008 vom 16.12.2008, Az.: B 4 AS 49/07 R im Volltext