Kurz nach dem Zusammenziehen der werdenden Eltern nahm das Jobcenter schon eine Bedarfsgemeinschaft an. © Adobe Stock: WavebreakMediaMicro
Kurz nach dem Zusammenziehen der werdenden Eltern nahm das Jobcenter schon eine Bedarfsgemeinschaft an. © Adobe Stock: WavebreakMediaMicro

Vieles kann man ja erst einmal probieren. So ist es nach dem SGB II auch beim Zusammenziehen zweier Menschen. Beim Zusammenleben auf Probe ist die Bindung (noch) nicht so eng, dass man in jedem Fall füreinander einstehen möchte. Davon geht das Gesetz aus. Nach einem Jahr wird es dann ernst. Wer so lange mit jemandem zusammenlebt, will auch Verantwortung füreinander übernehmen.

 

Der DGB Rechtsschutz Potsdam führte vor dem Sozialgericht ein Verfahren, in dem es um ein solches Zusammenleben auf Probe ging. Die Mandantin verlor den Prozess. Dieser Beitrag soll Betroffenen jedoch vor Augen führen, dass im Einzelfall durchaus eine andere Sicht der Dinge maßgebend sein kann als diejenige des Jobcenters.

 

Paar lebte zunächst getrennt

 

Die Klägerin aus Potsdam hatte ihren Partner im April 2019 kennen gelernt. Bereits ein Monat später waren sie ein Paar, wohnten jedoch zunächst getrennt voneinander. Nach Feststellung der Schwangerschaft der Klägerin zogen die beiden im März 2021 zusammen. Die Klägerin unterschrieb einen Untermietvertrag für die Wohnung ihres Freundes. Das Paar unterhielt ein gemeinsames Girokonto.

 

Die werdende Mutter beantragte kurz darauf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Sie legte die vom Jobcenter geforderten Unterlagen vor. Das Jobcenter rechnete das Einkommen des Lebenspartners an und ging dabei von einer Bedarfsgemeinschaft aus. Dem hielt die Klägerin entgegen, dass sie mit ihrem Partner nur auf Probe zusammenlebe und das auch noch nicht einmal seit einem Jahr.

 

So regelt es das Gesetz

 

Gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II gehört zur Bedarfsgemeinschaft als Partner:in der Leistungsberechtigten eine Person, die mit der leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.

 

Nach § 7 Abs. 3a SGB II wird ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen vermutet, wenn Partner

·       länger als ein Jahr zusammen leben,

·       mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,

·       Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder

·       befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

 

Auf die Jahresfrist kommt es an

 

Der erste Punkt in der Aufzählung des Gesetzes ist hier entscheidend. Eine Bedarfsgemeinschaft auf Probe kann bis zum Ablauf eines Jahres nach dem Zusammenzug angenommen werden. Der Begriff des Zusammenlebens auf „Probe“ ist kein gesetzlich festgelegter Begriff, sondern umgangssprachlich zu verstehen. Ist das Jahr vergangen und leben beide Partner weiterhin zusammen, wird aus der Bedarfsgemeinschaft auf Probe eine Bedarfsgemeinschaft mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen: Einkommen und Vermögen beider Leistungsempfänger werden angerechnet. Sie erhalten den Regelsatz für Alleinstehende ab dann nicht mehr, sondern nur noch den maßgebenden Regelbedarf für die Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft.

 

Aus Sicht des Gerichts lebte die Klägerin mit ihrem Partner in einem gemeinsamen Haushalt so zusammen, dass eine Bedarfsgemeinschaft anzunehmen war. Es schloss dabei aus den Gesamtumständen den wechselseitigen Willen, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, obwohl beide noch kein Jahr lang zusammen lebten.

 

Die Gesamtumstände sprachen für Bedarfsgemeinschaft

 

Beide hätten sich zwei Jahre zuvor kennen gelernt und seien schon kurz darauf ein Paar gewesen. Es stehe fest, dass sie sich bereits vor dem Zusammenzug wechselseitig an wenigstens zwei Tage je Woche besucht hätten. Die Klägerin habe auch schon vor ihrem Umzug die Adresse ihres Freundes verschiedentlich als eigene Anschrift angegeben.

 

Unter Berücksichtigung dieser Tatsachen stellte der Entschluss des Zusammenziehens nach Feststellung der Schwangerschaft für das Sozialgericht keine „Probe" dar, wie sie angenommen werden könne, wenn Partner ohne längere Vorbeziehung und Schwangerschaft zusammen leben.

 

Da half auch der gewerkschaftliche Rechtsschutz nicht zum Erfolg. Interessant ist aber, zu wissen, dass das Jobcenter trotz des Zusammenlebens zweier Menschen, nicht zwingend von einer Bedarfsgemeinschaft ausgehen darf. Lebt das Paar erst weniger als ein Jahr zusammen, gilt es im Einzelfall Argumente aufzuführen, wonach von einem gegenseitigen füreinander Einstehen (noch) nicht ausgegangen werden kann – und das ist ja bei einem kurzen Zusammenleben tatsächlich oft der Fall.

 

Das sagen wir dazu:

Gert Groppel aus dem DGB Rechtsschutzbüro Potsdam vertrat die Klägerin vor dem Sozialgericht. Es überraschte ihn schon, dass aus Sicht des Gerichts eine Verfügungsbefugnis über ein Partnereinkommen schon dann vorliegen soll, wenn das gemeinsame Konto – wie im Fall seiner Klägerin - nur mit verhältnismäßig geringfügigen Einzahlungen ausgestattet wird und das dort eingezahlte Geld ausschließlich für Einkäufe des täglichen Bedarfs und Tagesausflüge verwendet werden soll. Eine solche Handhabung ist seiner Wahrnehmung nach auch in Wohngemeinschaften nicht unüblich. Vor dem Hintergrund, dass jedenfalls auch die anderen, insbesondere die gesetzlichen Vermutungstatbestände, nicht vorlagen, erscheint ihm diese Entscheidung zweifelhaft.