Vorsicht! Kein Widerspruch per einfacher E-Mail. © Adobe Stock - Von pockygallery11
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Wegen schwankender Einkommen berechnete das Jobcenter die Hartz IV - Leistungen eines Paares zunächst vorläufig bis im Dezember 2019 die endgültige

Festsetzung erfolgte. Die Bescheide enthielten eine Rechtsbehelfsbelehrung, aus der sich ergab, dass ein Widerspruch "schriftlich oder zur Niederschrift" einzulegen sei.

Erfolgloses Widerspruchsverfahren

Mit einfacher Mail legte das Paar Widerspruch ein. Das Jobcenter wies die Widerspruchsführer schriftlich darauf hin, dass die Formerfordernisse nicht gewahrt seien, da die technischen Voraussetzungen einer eindeutigen Urheberschaft nicht gewährleistet seien. Sie wurden darauf hingewiesen, dass der Widerspruch formgerecht nachgereicht werden müsse, ansonsten er unzulässig sei. Die Leistungsempfänger erwiderten hieraufhin, dass in

den Bescheiden nicht stehe, dass kein Widerspruch per E-Mail erfolgen könne. Der Hinweis „schriftlich oder zur Niederschrift“ sage jedem, der normal bei Verstand sei, dass der Widerspruch per Fax, per Niederschrift oder per E-Mail eingelegt werden könne. Für einen normalen Menschen sei es nicht nachvollziehbar, weshalb Unterschiede zwischen Fax und E-Mail gezogen würden, zumal Mails zur ganz normalen täglichen Kommunikation gehörten.

Sozialgericht bestätigt Rechtsaufassung des Jobcenters

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob das Paar Klage beim Sozialgericht (SG) Lüneburg, die mit Gerichtsbescheid vom 3. November 2020 abgewiesen wurde. Gegen diese Entscheidung legten die Leistungsempfänger Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen ein.

LSG: Einfache Mail wahrt keine Frist

Mit Urteil vom 4. November 2021 wies das LSG die Berufung zurück. Zwar könne, so das Berufungsgericht, ein Widerspruch auch in elektronischer Form eingereicht werden, allerdings sei dann eine qualifizierte elektronische Signatur oder eine absenderauthentifizierte Übersendung (z.B. als De-Mail) erforderlich. Diese Voraussetzungen jedoch erfülle eine einfache Mail jedoch nicht. Da das Jobcenter auf diesen Weg nicht hingewiesen habe, könne sich höchstens die Widerspruchsfrist von einem Monat auf ein Jahr verlängern. Jedoch hätten die Leistungsempfänger auch die verlängerte Widerspruchsfrist von einem Jahr nicht genutzt um einen formgerechten Widerspruch nachzureichen. Sie hätten weiterhin darauf beharrt, dass eine einfache E-Mail ausreiche. Nach alledem, so das LSG, sei der Berufung kein Erfolg beschieden.

Gründe für die Zulassung der Revision vermochte das Berufungsgericht nicht zu erkennen.

Kläger legen Nichtzulassungsbeschwerde ein

Gegen die Nichtzulassung der Revision hat das klagende Paar Beschwerde beim Bundessozialgericht (BSG) eingelegt. Über den weiteren Verlauf des Verfahrens werden wir berichten.

Hier finden Sie das Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 4. November 2021: 

Rechtliche Grundlagen

Auszüge aus Sozialgerichtsgesetz und Sozialgesetzbuch I

§ 84 Sozialgerichtsgesetz

(1) 1Der Widerspruch ist binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 36a Absatz 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. 2Die Frist beträgt bei Bekanntgabe im Ausland drei Monate.

(2) 1Die Frist zur Erhebung des Widerspruchs gilt auch dann als gewahrt, wenn die Widerspruchsschrift bei einer anderen inländischen Behörde oder bei einem Versicherungsträger oder bei einer deutschen Konsularbehörde oder, soweit es sich um die Versicherung von Seeleuten handelt, auch bei einem deutschen Seemannsamt eingegangen ist. 2Die Widerspruchsschrift ist unverzüglich der zuständigen Behörde oder dem zuständigen Versicherungsträger zuzuleiten, der sie der für die Entscheidung zuständigen Stelle vorzulegen hat. 3Im übrigen gelten die §§ 66 und 67 entsprechend.

§ 36a Sozialgesetzbuch I

Elektronische Kommunikation

(1) Die Übermittlung elektronischer Dokumente ist zulässig, soweit der Empfänger hierfür einen Zugang eröffnet.

(2) 1Eine durch Rechtsvorschrift angeordnete Schriftform kann, soweit nicht durch Rechtsvorschrift etwas anderes bestimmt ist, durch die elektronische Form ersetzt werden. 2Der elektronischen Form genügt ein elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist. 3Die Signierung mit einem Pseudonym, das die Identifizierung der Person des Signaturschlüsselinhabers nicht unmittelbar durch die Behörde ermöglicht, ist nicht zulässig. F:4Die Schriftform kann auch ersetzt werden

4. durch sonstige sichere Verfahren, die durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt werden, welche den Datenübermittler (Absender der Daten) authentifizieren und die Integrität des elektronisch übermittelten Datensatzes sowie die Barrierefreiheit gewährleisten; der IT-Planungsrat gibt Empfehlungen zu geeigneten Verfahren ab.

§ 66 Sozialgerichtsgesetz

(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) 1Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, dass ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. 2§ 67 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.