Wenn eine ganze Familie umzieht, kann ganz schön viel zusammen kommen und das wird dann teuer. Copyright by Adobe Stock/Jürgen Fälchle
Wenn eine ganze Familie umzieht, kann ganz schön viel zusammen kommen und das wird dann teuer. Copyright by Adobe Stock/Jürgen Fälchle

Die Agentur für Arbeit kann Arbeitssuchende und Arbeitslose bei der Anbahnung oder der Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung fördern, wenn das für die berufliche Eingliederung notwendig ist. Diese Förderung umfasst die Übernahme angemessener Kosten, sofern der Arbeitgeber gleichartige Leistungen nicht oder voraussichtlich nicht erbringen wird. Das regelt § 44 SGB III.
 

Die Agentur für Arbeit darf Pauschalen festlegen

Das Gesetz überlässt es der Agentur für Arbeit, über den Umfang der Leistungen zu entscheiden. Sie darf auch Pauschalen festlegen. Dabei sind auch Förderungen aus dem sogenannten Vermittlungsbudget zulässig.
 
Die Klägerin beantragte Leistungen aus dem Vermittlungsbudget. Ihr Arbeitsverhältnis in Leipzig hatte zuvor geendet. Erst drei Monate später war die Aufnahme einer neuen Tätigkeit im Raum Mannheim geplant. Dazu musste sie mit ihrer Familie umziehen. Das Arbeitslosengeld der Klägerin reichte dafür nicht aus, denn ihr Mann war nach Ende seiner Elternzeit ohne eigenes Einkommen.
 

Die Klägerin beauftragte die günstigste Umzugsfirma

Die Klägerin legte der Agentur für Arbeit mehrere Kostenvoranschläge unterschiedlicher Umzugsunternehmen vor. Sie entschied sich für die günstigste Firma. Der Preis für den Familienumzug lag dennoch bei über 4.000 €. Die Agentur für Arbeit bewilligte die Kosten für den Umzug, aber nur in einer Höhe von 2.000 €. Aus dem Vermittlungsbudget gebe es nicht mehr, hieß es im Bewilligungsbescheid.
 
Die Agentur für Arbeit habe unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu entscheiden und könne Umzugskosten deshalb nur in Höhe von 2.000 € als Zuschuss bewilligen. Die familiären Umstände der Klägerin seien dabei bereits berücksichtigt. Die Förderung aus dem Vermittlungsbudget könne nicht als vollumfängliche Finanzierung eines Umzugs dienen. Die volle Übernahme gehe über den Zweck der Förderung hinaus, hieß es in dem Bescheid.
 

Den Arbeitsvertrag hatte die Klägerin schon unterschrieben

Im Übrigen habe die Klägerin die Beschäftigung in Mannheim schon zugesagt, bevor sie sich bei der Agentur für Arbeit um eine Förderung für den Umzug bemüht hatte.
 
Die Jurist*innen des DGB Rechtsschutzbüros Mannheim unterstützten die Klägerin im nachfolgenden Verfahren vor dem Sozialgericht. Dort konnten sie erreichen, dass die Agentur für Arbeit über den Antrag der Klägerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts nun noch einmal entscheiden muss.
 

Ermessensentscheidungen sind nicht ersetzbar

Das hat damit zu tun, dass die Bewilligung einer Förderung aus dem Vermittlungsbudget eine Ermessensentscheidung ist. Dieses Ermessen des Sozialversicherungsträgers kann das Gericht nicht ersetzen.
 
Es kann aber seine Rechtsauffassung zur Vorgehensweise äußern und - wie hier - die Agentur für Arbeit dazu verpflichten unter Berücksichtigung dieser Rechtsauffassung das Ermessen erneut auszuüben.
 

Das Gesetz fordert keine Antragstellung vor Vertragsunterzeichnung

Die Klägerin habe sämtliche Voraussetzungen des Gesetzes erfüllt. Insbesondere sei die Förderung für ihre berufliche Eingliederung notwendig gewesen. Dass sie den Arbeitsvertrag bereits unterschrieben hatte, bevor sie eine Förderung aus dem Vermittlungsbudget beantragt hat, stehe dem Anspruch auf eine ermessensgerechte Entscheidung nicht entgegen. Eine vorherige Antragstellung fordere das Gesetz nicht.
 
Die Klägerin habe auch nicht nachweisen müssen, dass sie ohne die finanzielle Förderung die neue Arbeitsstelle hätte absagen müssen. Ein solcher Nachweis sei praktisch unmöglich. Er könne nur bei weitgehender Mittellosigkeit und fehlender Unterstützung durch Verwandte oder Bekannte geführt werden.
 

Das Vermittlungsbudget soll die Sorge vor finanzieller Überforderung nehmen

Eine so strikte Auslegung sabotiere den Zweck des Vermittlungsbudgets. Arbeitslose sollen sich um eine neue Beschäftigung bemühen, ohne sich sorgen zu müssen, dass die Kosten dieser Bemühungen sie finanziell überfordern.
 
Folge man der Rechtsauffassung der Beklagten, bestünde zudem die Gefahr des häufigen Scheiterns einer Arbeitsanbahnung, wenn Arbeitssuchende vor einer Zusage zur Einstellung zuerst auf eine positive Bescheidung des Förderantrages warten müssten.
 

Das Ermessen ist an den Zweck des § 44 SGB III gebunden

Bei ihrer Entscheidung stehe der Beklagten aber Ermessen zu. Das Ermessen sei an den Zweck des § 44 SGB III gebunden. Es orientiere an sich auch an dem mit der Leistung angestrebten Ziel, die Integrationschancen und die Mobilität zu verbessern sowie der Arbeitslosigkeit entgegen zu wirken.
 
Die Beklagte müsse die besonderen Umstände des Einzelfalles berücksichtigen und zum Maßstab ihrer Entscheidung machen. Der Hinweis auf allgemeine Richtlinien genüge nicht. Eine Ablehnung dürfe außerdem nicht allein auf die Haushaltslage gestützt werden.
 

Die Beklagte bezog sich auf die Wirtschaftlichkeit der Förderung

Mit dem konkreten Fall der Klägerin habe sich die Beklagte nicht befasst. Ihre ablehnende Entscheidung basiere ausschließlich auf finanziellen Erwägungen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit.
 
Das Gesetz regele die Förderung nur sehr allgemein. Das gebe der Beklagten für eine Förderung aus dem Vermittlungsbudget einen weiten Umfang der Ermessensausübung im Einzelfall. Die Ermessensausübung unterliege daher hohen Anforderungen. Der Bescheid müsse sich mit dem individuellen Fall in der Weise befassen, dass erkennbar werde, von welchen Maßstäben die Behörde bei ihrer Entscheidung ausgegangen sei.
 

Das Gesetz sieht keine generellen Höchstgrenzen für eine Förderung vor

Aus dem Gesetz ergebe sich allerdings keine Begrenzung der Förderung nach dem Vermittlungsbudget der Höhe nach. Den Besonderheiten der Interessenlage und der Lebenssituation der Klägerin habe die Beklagte keineswegs Rechnung getragen, sofern sie sich gebunden sah, grundsätzlich nur Teilbeträge entstandener Kosten zu fördern. Schon darin liege ein Ermessensfehler.
 
Zwar sei es nicht von vornherein unzulässig, der Entscheidung interne Richtlinien zu Grunde zu legen, die eine Höchstförderung von 2.000 € vorgeben. Daneben müsse jedoch stets Raum für eine individuelle Prüfung bleiben. Diese müsse auch in die Begründung der Entscheidung einfließen. Ansonsten verengten die Richtlinien die Ermessensentscheidung zu einer von vornherein feststehenden Ablehnungsentscheidung.
 

Die individuelle Lebenssituation ist stets zu prüfen

Deshalb müsse die Beklagte die Besonderheiten der jeweiligen Interessenlage und Lebenssituation sowie die finanzielle Leistungsfähigkeit stets prüfen und in die Abwägung einbeziehen, auch wenn die Richtlinien das nicht erfassten. Die Beklagte habe hier alleine unter Berücksichtigung der vorliegenden Richtlinien eine Höchstförderung von 2.000 € festgesetzt.
 
Das sei rechtlich nicht zulässig. Die individuelle Situation der Klägerin hätte die Beklagte umfassend beachten müssen.
 

Die Klägerin war Alleinverdienerin einer vierköpfigen Familie

Die Beklagte müsse den Antrag nun erneut prüfen. Dabei habe sie zu beachten, dass die Klägerin die Alleinverdienern einer vierköpfigen Familie gewesen sei und die Elternzeit ihres studierenden Ehemannes vorbei gewesen wäre. Dieser habe deshalb kein eigenes Einkommen gehabt. Wohngeld habe der Klägerin nicht zugestanden, da das Arbeitslosengeld dafür zu hoch gewesen sei.
 
Zwar habe die Mutter der Klägerin die Umzugskosten vorläufig beglichen. Es entspreche aber allgemeinen Rechtsgrundsätzen, dass bei einer Selbsthilfe wegen einer zuvor rechtswidrig abgelehnten Leistung auch im Nachhinein die Erstattung der vorgelegten Umzugskosten möglich sei.

Hier geht es zum Urteil

Das sagen wir dazu:

Nach dieser Entscheidung des Gerichts ist zu erwarten, dass die Agentur für Arbeit die Förderungszusage im Nachhinein erhöhen wird.

Ermessensentscheidungen lassen sich gerichtlich immer nur eingeschränkt überprüfen. Das hat damit zu tun, dass das Gericht sein eigenes Ermessen nicht an die Stelle des Ermessens eines Sozialversicherungsträgers stellen darf. Die Ermessensentscheidung bleibt immer dessen ureigene Entscheidung.

Deshalb kann das Gericht in solchen Fällen immer nur urteilen, dass die Behörde unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid erteilen muss. Wie hier wird dann aber meist die Rechtsauffassung des Gerichts sehr deutlich dargelegt, sodass es dem Sozialversicherungsträger regelmäßig klar ist, in welcher Richtung er das Ermessen auszuüben hat.

Dieser Bescheid kann noch einmal im Rahmen eines Widerspruchs- bzw. Klageverfahrens überprüft werden.

Rechtliche Grundlagen

§ 44 SGB III

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594)
§ 44 Förderung aus dem Vermittlungsbudget
(1) Ausbildungsuchende, von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitsuchende und Arbeitslose können aus dem Vermittlungsbudget der Agentur für Arbeit bei der Anbahnung oder Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gefördert werden, wenn dies für die berufliche Eingliederung notwendig ist. Sie sollen insbesondere bei der Erreichung der in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Eingliederungsziele unterstützt werden. Die Förderung umfasst die Übernahme der angemessenen Kosten, soweit der Arbeitgeber gleichartige Leistungen nicht oder voraussichtlich nicht erbringen wird.
(2) Nach Absatz 1 kann auch die Anbahnung oder die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder in der Schweiz gefördert werden.
(3) Die Agentur für Arbeit entscheidet über den Umfang der zu erbringenden Leistungen; sie kann Pauschalen festlegen. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind ausgeschlossen. Die Förderung aus dem Vermittlungsbudget darf die anderen Leistungen nach diesem Buch nicht aufstocken, ersetzen oder umgehen.
(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend für die in § 39a genannten Personen.