Jobcenter verweigert Kostenübernahme für spezielle Berufskleidung. Copyright by Adobe Stock/opolja
Jobcenter verweigert Kostenübernahme für spezielle Berufskleidung. Copyright by Adobe Stock/opolja

Ein17-jähriger Schüler aus Hannover, dessen Familie Hartz-IV-Leistungen bezieht, interessierte sich für den Kochberuf. Zu Beginn der Berufseinstiegsschule benötigte er eine Bekleidungsgarnitur.
Die Schule teilte dem Kläger im Juni 2016 mit, dass folgende Berufskleidung zum Schulbeginn vollständig vorhanden sein müsse (erhältlich als sog „Berufseinstiegs-Set“ z.B. bei dem Berufsbekleidungsfachgeschäft J. in K. zum Angebotspreis von ca. 115,00 €):

 

  • eine Kochmütze bzw. ein Kopftuch (weiß)    
  • ein Halstuch (weiß)    
  • zwei Kochjacken bzw. Kochkittel (weiß mit weißen Knöpfen)    
  • eine Kochhose (schwarz/weiß kariert)    
  • eine Kochschürze (weiß)    
  • ein paar rutschfeste geschlossene Berufsschuhe    

Die Möglichkeit, eine solche Garnitur auszuleihen, bestand nicht. Da der an einer Ausbildung zum Koch interessierte Schüler den zusätzlichen Bedarf durch die Regelleistungen nicht abdecken konnte, beantragte er beim Jobcenter (JC) die Erstattung der hierfür notwendiger Weise angefallenen Kosten.
   

JC lehnt Kostenübernahme ab - Sozialgericht weist Klage ab

Das JC lehnte den Antrag auf Übernahme der Kosten für die Berufsschulkleidung ab. Das Sozialgericht (SG) folgte der Rechtsauffassung des JC und wies die Klage ab.
Begründet wurde die Entscheidung damit, dass der junge Mann bereits Pauschalbeträge für den Schulbedarf erhalten habe. Von dieser Pauschale seien sämtliche Gegenstände erfasst, die für den Schulbesuch erforderlich seien. Da der Gesetzgeber keine weiteren Beihilfen vorgesehen habe, sei alles Weitere aus dem Regelbedarf zu bestreiten.
 

Landessozialgericht kippt Entscheidung des Sozialgerichts

Unter Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung hat das Landessozialgericht das JC zur Übernahme der Kosten verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Anschaffungskosten für schulische Berufskleidung nicht auskömmlich vom Regelbedarf gedeckt seien. Der Schüler habe eine monatliche Regelleistung von 306 € erhalten. Davon ließen sich die Kosten jedoch nicht ansparen.
 

Berufskleidung nicht von Schulbedarfspauschale erfasst

Offensichtlich, so die Richter*innen des Berufungsgerichts, liege eine evidente Bedarfsunterdeckung vor. Ein menschenwürdiges Existenzminimum werde nicht gewährleistet. Auch sei die Berufskleidung nicht von der Schulbedarfspauschale erfasst. Denn hierzu zählten nur die persönliche Ausstattung wie Ranzen und Turnzeug sowie Gebrauchsmaterial zum Schreiben, Rechnen und Zeichnen. Die hiernach verbleibende Bedarfslücke sei durch eine verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes zu schließen. Der Gesetzgeber sei erkennbar gewillt gewesen, das Existenzminimum von Schülern zu decken. Da dies mit dem Wortlaut des Gesetzes nicht möglich sei, müsse das Gericht die Lücke schließen.
 
Hier geht es zur Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen vom 26.5.2020

Das sagen wir dazu:

Erstmalig hat das LSG Niedersachsen-Bremen entschieden, dass Anschaffungskosten für Berufsschulkleidung, die nicht für private Zwecke genutzt werden kann - unabhängig von der gesetzlichen Schulbedarfspauschale - vom Jobcenter vollständig zu übernehmen sind.
Eine begrüßenswerte Entscheidung. Sie macht einmal mehr deutlich, dass es oftmals nur mit gerichtlicher Hilfe gelingen kann, einen Beruf zu erlernen, der mittelfristig die Möglichkeit bietet, nicht mehr auf Hartz IV-Leistungen angewiesen zu sein.
Das LSG hat die Revision zum Bundessozialgericht (BSG) zugelassen. Sollte das JC Revision gegen die Entscheidung einlegen, bleibt abzuwarten, ob das BSG die Entscheidung bestätigt, was sehr zu hoffen ist.