Kein Geld vom Staat für Marxistisches Sommercamp
Kein Geld vom Staat für Marxistisches Sommercamp

Es geht um Leistungen zur Teilhabe in Höhe von 120 € für eine Freizeit im Sommer 2016. Damals war die Klägerin noch minderjährig und nahm an einer zweiwöchigen Freizeit teil, veranstaltet vom Jugendverband der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD).

 

Die Stadt Leverkusen übernahm die Kosten dafür nicht. Es folgte eine lange gerichtliche Auseinandersetzung in drei Instanzen. Dabei sahen die Gerichte die Dinge jeweils sehr unterschiedlich.

 

Ferienspaß oder politische Werbung?

 

Das Sozialgericht in Düsseldorf machte den Anfang. Es verurteilte die Stadt Leverkusen dazu, die Kosten für die Freizeit zu tragen. Die Eignung eines Anbieters werde nicht allein deswegen in Frage gestellt, weil der Verfassungsschutz ihn beobachte. Und ausdrücklich verboten sei die Organisation eben nicht.

 

Ebenso klar sah man das beim Landessozialgericht, wenn auch in die gegengesetzte Richtung. Aktivitäten im Bereich der Parteipolitik unterfielen gar nicht dem Zweck für eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben. Die Freizeit habe der parteipolitischen Willensbildung und Nachwuchsförderung gedient. Deren Finanzierung widerspreche dem staatlichen Neutralitätsgebot.

 

Förderung der Jugend vs. Jugendschutz

 

Die junge Frau ging in Revision. Der Fördergedanke des Kinder- und Jugendhilferechts sei zu berücksichtigen, der auch Jugendorganisationen politischer Parteien umfasse.

 

Doch das Bundessozialgericht (BSG) stellte nicht darauf ab, sondern auf den Kinder- und Jugendschutz. Kinder und Jugendliche bedürften des Schutzes und der Hilfe, um sich zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten innerhalb der sozialen Gemeinschaft zu entwickeln. Ausdruck davon sei auch das staatliche Wächteramt nach Art. 6 des Grundgesetzes, dessen Träger die staatliche Gemeinschaft sei. Dazu zählten auch die kommunalen Träger nach dem SGB II, denen die Verantwortung dafür obliegt, dass die Leistungen zur Teilhabe rechtmäßig erbracht werden.

 

Ob ein Anbieter von Freizeiten geeignet sei, bedürfe es deshalb nicht nur der Prüfung, ob der Anbieter die Leistung organisatorisch erbringen kann. Es sei auch ein Mindestmaß an inhaltlicher Kontrolle erforderlich.

 

Jugendverband der MLPD kein geeigneter Anbieter

 

Dass der Veranstalter ein Jugendverband einer politischen Partei ist, sei grundsätzlich kein Problem, da das Gesetz Bedarfe für eine politische Teilhabe im Gesetz einschließe.

 

Der SGB II-Leistungsträger müsse aber Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl schützen, und deshalb prüfen, ob von einem Anbieter Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgehen. Ein Anbieter, der bezwecke, tragende Verfassungsgrundsätze zu beseitigen, sei nicht geeignet, zugleich gegenüber Kindern und Jugendlichen Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu erbringen, so das BSG. Und ein solcher Fall liege beim der MLPD vor.

 

Das Ergebnis:

 

Deshalb habe die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen für Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft, die ihr durch die Teilnahme an dem Sommercamp des Jugendverbandes der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands entstanden sind.

Das sagen wir dazu:

Beim Sozialgericht hat man es sich leicht gemacht und allein darauf abgestellt, dass die MLPD keine verbotene Partei ist. Zu kurz gedacht ist sicher auch der Ansatz des Landessozialgerichts, der Politik gar keinen Raum bei der Teilhabe gibt.

 

Für die Frage, ob ein Anbieter für Kinder- und Jugendfreizeiten geeignet ist, ist richtigerweise ein Mindestmaß an inhaltlicher Kontrolle zu verlangen. Dabei sollte man nicht pauschal von der Partei ausgehen, sondern sich ein Bild von den tatsächlichen Gegebenheiten machen. Findet ein Ferienlager statt, mit zelten, spielen und Nachtwanderungen? Dann wird es nicht schaden, Meinungen auszutauschen und politische Themen zu besprechen. Oder wird versucht, den Willen der Minderjährigen zu beeinflussen, um sie von den parteipolitischen Grundsätzen zu überzeugen, beispielsweise durch Vorträge von Funktionär*innen der Partei?

 

Hier haben sich die Richter*innen ein Bild gemacht. Dafür wurde nicht nur das Parteiprogramm herangezogen, sondern auch Berichte des Verfassungsschutzes zum Thema Linksextremismus, wonach die Zielsetzung der MLPD eindeutig verfassungsfeindlich geprägt sei. Die Partei stelle sich offen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung und nutze die Ferienlager zur politischen Bildung und Förderung von Nachwuchs.

 

Weil sie nicht verboten ist, darf sie das auch tun. Letztlich ist es aber ein vertretbares rechtliches Ergebnis, wenn der Staat, dessen Grundordnung sie ablehnt, dies nicht finanzieren muss. 

Rechtliche Grundlagen

§ 28 SGB II (Auszüge)

Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende –
§ 28 Bedarfe für Bildung und Teilhabe
(1) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bildung werden nur bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler).
(2) – (6)
(7) Für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden pauschal 15 Euro monatlich berücksichtigt, sofern bei Leistungsberechtigten, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, tatsächliche Aufwendungen entstehen im Zusammenhang mit der Teilnahme an
1.
Aktivitäten in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit,
2.
Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und
3.
Freizeiten.