Bei einem Antrag per E-Mail ist es für den Zugang nicht von Bedeutung, ob das Jobcenter dienstbereit war. Copyrighz by Adobe Stock/4zevar
Bei einem Antrag per E-Mail ist es für den Zugang nicht von Bedeutung, ob das Jobcenter dienstbereit war. Copyrighz by Adobe Stock/4zevar

Hausmeisterarbeiten fallen nach der Schließung nur noch für ganz wenige Stunden im Monat an.
 
Neumann ist kinderlos und unverheiratet. Er hat gehört, das Kurzarbeitergeld beträgt 60% vom Nettolohn. Das ist wenig. Aber zählt denn überhaupt der ganze Verdienst?
 

Nur sozialversicherungspflichtiger Arbeitsverdienst zählt beim Kurzarbeitergeld

Wie so oft, wenn Leistungen zu berechnen sind, zählt nur der sozialversicherungspflichtige Arbeitsverdienst. Oder anders ausgedrückt, nur wovon man Beiträge bezahlt, das wird der Berechnung von Arbeitslosengeld, Krankengeld oder hier Kurzarbeitergeld zu Grunde gelegt.
 
60% des bisherigen Nettoeinkommens ist bitter. Neumann hatte bisher 1.500 € netto, aber darin waren immer ca. 200 € steuerfreie Zuschläge. Das heißt das Nettoeinkommen für das Kurzarbeitergeld sind nur 1.300 €. Davon 60% = 780 €.  Da er noch einige Stunden arbeitet, bekommt er diese Stunden normal bezahlt und Kurzarbeitergeld anteilig. Das macht bei ihm 870 € im Monat.
Er zahlt 500 € allein für Miete mit Nebenkosten. Er braucht für den Job ein Auto, das er mit 100 € im Monat finanziert hat.
 

Schneller Antrag auf Aufstockung

Neumann hat seine Lohnabrechnung am 30.04.20, also am Monatsletzten erhalten. Es ist so wenig wie befürchtet. Er stellt per Mail am gleichen Tag, jedoch erst gegen 20 Uhr und damit nach Ende der Geschäftszeiten des Jobcenters, einen Antrag auf aufstockende Leistungen. Das Jobcenter hat den Antrag dann am nächsten Werktag zur Kenntnis genommen.
 

Antrag wirkt auf den Monatsersten zurück

Leistungen gibt es nicht vor dem Zeitpunkt der Antragstellung. Man kann also nicht rückwirkend für mehrere Monate Leistungen beantragen. Gem. § 37 Abs. 2 SGB II wirkt der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auf den Ersten des Monats zurück.
 
Neumanns Sachbearbeiter meint, er könne für den zurückliegenden Monat keine Leistungen beziehen, da der Antrag ja außerhalb der Geschäftszeiten eingegangen sei und daher erst für den nächsten Monat, hier den Mai, zählen könne. Das ist falsch.
 

Antrag auf Leistungen per E-Mail gültig?

Kann man wirksam einen Antrag auf Leistungen zur Grundsicherung per Mail stellen? Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) bejaht. § 36a SGB I regelt zur elektronischen Kommunikation, dass die Übermittlung elektronischer Dokumente zulässig ist, soweit der Empfänger hierfür einen Zugang eröffnet.
Der Antrag auf Leistungen der Grundsicherung nach § 37 SGB II ist grundsätzlich an keine Form gebunden, weil insofern der (allgemeine) Grundsatz der Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens gilt. Eine Schriftform (mit Unterschrift) ist nicht erforderlich. Und anders als beim Arbeitslosengeld I auch keine persönliche Meldung bei der Behörde. Daher hat das BSG auch eine Antragstellung per E-Mail für wirksam erklärt, zumindest im entschiedenen Fall. Hier hatte der Kläger eine E-Mail-Adresse des Jobcenters verwendet, die auf der Internetseite der Behörde als allgemeine Kontaktmöglichkeit veröffentlicht ist.
 

Zugang erst bei Möglichkeit der Kenntnisnahme?

Das Jobcenter berief sich auf allgemeine Grundsätze für den Zugang einer Willenserklärung. Ein Zugang erfolgt danach zu dem Zeitpunkt, im dem der Empfänger die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat. Bei einem Zugang außerhalb der Geschäftszeiten sei dies dann erst am nächsten Tag der Dienstbereitschaft.
 
Dem ist das BSG nicht gefolgt. Ein Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gelte als dem Jobcenter zugegangen, wenn er in dessen Macht- oder Willensbereich gelangt, ohne dass es auf die üblichen Dienstzeiten ankommt.
Das Sozialgesetzbuch enthält keine Zugangsregelungen wie im Zivilrecht. Deshalb sei auch nicht auf die zivilrechtlichen Grundsätze zurückzugreifen. Bei einem Antrag auf Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II würde ein solcher Rückgriff den Besonderheiten des Rechtsgebiets nicht gerecht. Die Grundsätze sind nach dem BSG „bereichsspezifisch“ zu modifizieren.
 
Neumann kann daher aufstockende Leistungen noch für April beanspruchen.
 

Erhöhung des Kurzarbeitergeldes auf 70 bis 80 %

Mittlerweile ist es beschlossen: das Kurzarbeitergeld wird erhöht.
 
Neumann ist im April in Kurzarbeit gegangen. Nach 3 Monaten, also ab Juli wird es erhöht auf 70 %, ab Oktober bis Dezember auf 80 %. Das ist zwar gut, aber es langt bei ihm noch immer nicht.

Das sagen wir dazu:

Gerade bei Sozialleistungen ist es schön, dass das BSG genauer hingeschaut hat und bereichsspezifisch modifiziert hat. Neumann hatte ja einen guten Grund mit dem Antrag zu warten, weil er erst am Monatsende wirklich sehen konnte, wie wenig vom Lohn plus Kurzarbeitergeld übrigblieb.