In diesem Fall gab es den Kinderzuschlag für die Familie nicht
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In diesem Fall gab es den Kinderzuschlag für die Familie nicht © Adobe Stock - Von Racamani

Sinn und Zweck des Kinderzuschlags

Der Kinderzuschlag ist in § 6 a Bundeskindergeldgesetz (BKGG) geregelt. Nur Personen mit Einkommen, das sich in einem bestimmten Verdienstkorridor bewegt, können ihn für ihre Kinder erhalten. Er ist also einkommensabhängig und soll verhindern, dass Familien allein wegen ihrer Kinder auf Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV) angewiesen sind.

 

Familienkasse ist zuständig

 

Neumann stellte den Weiterbewilligungsantrag bei der Familienkasse. Wie beim Kindergeld erfolgt die Bewilligung in Zeitabschnitten. Zuvor hat Neumann den Kinderzuschlag erhalten. Nun sind beide Elternteile Rentner, er und seine Frau haben außer den Renten weder Einkommen noch Vermögen. Bei der Familienkasse war man der Meinung, dass nach dem Zweck des Kinderzuschlags dieser nicht zu zahlen sei, wenn grundsätzlich kein Anspruch auf SGB II Leistungen bestehe. Und SGB II Leistungen setzen voraus, dass jemand aus der Bedarfsgemeinschaft erwerbsfähig ist. Entscheidend ist demnach, wann genau jemand erwerbsfähig oder nicht erwerbsfähig ist. Dafür gibt es eine Definition: Nicht erwerbsfähig ist, wer auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 7 Abs.1 Satz 1 Nr.2 i.V.m. § 8 Abs.1 SGB II).

 

Weder Neumann noch seine Frau sind erwerbsfähig, die Kinder sind noch zu jung, um selber anspruchsberechtigt zu sein. Im Ergebnis ist es also richtig, dass keine erwerbsfähige Person in dem Haushalt lebt. Ist die Auffassung dann Kinderzuschlag zu versagen richtig?

 

BSG stimmt der Familienkasse zu

 

In seiner Entscheidung vom 13. Juli 2022 (B7/14 KG 1/21 R) hat das Bundessozialgericht die Auffassung der Familienkasse bestätigt.

 

Die Entscheidung betraf noch altes Recht. Die Vorschrift wurde zum 1. Januar 2020 geändert. Diese Gesetzesänderung hat aber keinen Einfluss auf die Beurteilung der Rechtsfrage. Neue wie alte Gesetzeslage setzen nach dem BSG eine erwerbsfähige Person im Haushalt voraus. Der Anspruch auf Kinderzuschlag bestehe nur, wenn bei Bezug des Kinderzuschlags keine Hilfebedürftigkeit nach § 9 des SGB II bestehe. Es bestehe eine enge Bindung des Kinderzuschlags an die Zugangsvoraussetzungen zum SGB II. Ohne die Möglichkeit eines Leistungsanspruchs scheide die Gewährung des Kinderzuschlags aus.

 

Ausschluss ist verfassungsgemäß

 

Durch die Gesetzesänderung zum 1. Januar 2020 sollte nicht der Kreis der möglichen Bezieher erweitert werden. Daher hat das BSG bei der Prüfung, ob die Vorschrift verfassungsgemäß ist, auf die frühere Entscheidung des Senats vom 15. Dezember 2010 (B 14 KG 1/09 R) verwiesen, der diesen Ausschluss als verfassungsgemäß ansah.

 

Auch kein Verstoß gegen Gleichheitsgrundsatz

 

Neumann berief sich darauf, dass mit dem Ausschluss gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen würde. Eine solche Differenzierung zwischen Erwerbsfähigen und nicht Erwerbsfähigen sei ungerechtfertigt.

Das BSG hält die gesetzliche Regelung aber nicht für unverhältnismäßig. Die Anknüpfung sei Ausdruck der gesetzgeberischen Grundentscheidung zur Neuordnung der Existenzsicherungssysteme zum 1. Januar 2005 mit der Einführung eines erwerbszentrierten Leistungssystems für alle Erwerbsfähigen und ihre Angehörigen sowie der Schaffung einer flankierenden Leistung im Kindergeldrecht. Zur Erreichung des (legitimen) gesetzgeberischen Ziels, durch Schaffung eines Erwerbsanreizes Hilfebedürftigkeit zu vermeiden, sei sie geeignet, erforderlich und im engeren Sinn verhältnismäßig.

Das sagen wir dazu:

Den Kinderzuschlag gibt es also nicht. Die Neumanns werden aber nicht mittellos gelassen. Reichen die Renten plus Kindergeld nicht aus, um den Bedarf zu decken, besteht Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII (Sozialhilfe).