Eine coronabedingte Schließung des Krankenhauses verhinderte die Einstellung der Sozialarbeiterin aus Mecklenburg-Vorpommern. ©Adobe Stock: Robert Kneschke
Eine coronabedingte Schließung des Krankenhauses verhinderte die Einstellung der Sozialarbeiterin aus Mecklenburg-Vorpommern. ©Adobe Stock: Robert Kneschke

Das Vorstellungsgespräch lief gut, die Einstellungszusage stand, der alte Job war gekündigt und der Umzug in die Region der neuen Arbeitsstelle erfolgt. Doch eine Woche vor dem finalen Vertragsschluss und Arbeitsbeginn machte die Corona-Pandemie einer alleinerziehenden Sozialarbeiterin einen Strich durch die Rechnung: Die Klinik, bei der sie ihre neue Stelle antreten wollte, musste aufgrund einer behördlichen Anordnung auf unbestimmte Zeit schließen. Ein Arbeitsvertrag kam nicht zustande und die Klägerin blieb arbeitslos.

 

Die Verantwortung für die Situation sah die Bundesagentur für Arbeit wegen der Eigenkündigung des alten Jobs allein bei der Klägerin – und verhängte eine Sperrzeit von zwölf Wochen für den Bezug von Arbeitslosengeld. Dagegen klagte die Klägerin mit Hilfe der Kolleg*innen aus dem Rechtsschutzbüro Passau und bekam Recht.

 

Das Gericht entschied: Die Verhängung der Sperrzeit war rechtswidrig.

 

Kurzfristige Absage wegen Corona-Pandemie kurz vor Vertragsunterzeichnung

 

Die Klägerin im betreffenden Verfahren hatte alles getan, um beruflich einen nahtlosen Übergang zwischen ihren Arbeitsstellen zu vollziehen und nicht in die Arbeitslosigkeit zu rutschen. Ihre Stelle in einer Rehabilitationsklinik in Mecklenburg-Vorpommern kündigte sie zum 31. März 2020 und hatte auch schon einen konkreten Plan für die Zeit ab dem 01. April 2020.

 

Zu diesem Zeitpunkt sollte sie eine Tätigkeit in einer Klinik in Bayern beginnen. Hierzu hatte es bereits im Jahr 2019 ein erfolgreiches Vorstellungsgespräch sowie eine anschließende Hospitation in der Einrichtung gegeben. Von der Klinikleitung gab es damals grünes Licht für die Klägerin in Form einer konkreten Einstellungszusage. Sobald der Umzug der Klägerin nach Bayern erfolgt sei, sollte diese der Klinikleitung Bescheid geben, um die Formalitäten zu erledigen bzw. einen Arbeitsvertrag zu unterzeichnen.

 

Dies war die Absicht, als die Klägerin am 23. März 2020 die Klinikleitung anrief und sie über den mittlerweile erfolgten Umzug nach Bayern informierte. Gleichzeitig teilte sie mit, dass sie unmittelbar zum 01. April 2020 zur Verfügung stehe.

 

Die Klinikleitung sagte ihr jedoch kurzfristig ab, da der Klinikbetrieb aufgrund der Corona-Pandemie auf unbestimmte Zeit durch behördliche Anordnung eingestellt werden musste.

 

Die Klägerin meldete sich arbeitslos und gab in dem Fragebogen der Bundesagentur für Arbeit an, dass sie ihre Stelle gekündigt habe, um in die Nähe ihrer Eltern nach Bayern zu ziehen, aber bereits eine neue Tätigkeit in Aussicht habe.

 

Die Bundesagentur für Arbeit erließ dennoch einen Bescheid für eine Sperrzeit des Arbeitslosengeldes für zwölf Wochen, beginnend ab dem 01. April 2020. Die Argumentation: Die Klägerin habe ihre Arbeitslosigkeit versicherungswidrig selbst herbeigeführt.

 

 

Klägerin hat Arbeitslosigkeit weder vorsätzlich noch grob fahrlässig herbeigeführt

 

Diese Argumentation ließ das Sozialgericht Landshut im konkreten Fall nicht durchgehen, da die Klägerin nach Ansicht des Gerichts alles getan hatte, um eine Anschlussbeschäftigung zu erhalten. Dass diese kurzfristig aufgrund der Corona-Pandemie nicht zustande kam, war für die Klägerin nicht vorhersehbar und sei ihr auch nicht zuzurechnen.

 

Grundsätzlich stünde es der Bundesagentur für Arbeit jedoch frei, eine Sperrzeit bei eigenen Kündigungen zu verhängen. Dies ist immer dann möglich, wenn Arbeitnehmer*innen sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Ein solches versicherungswidriges Verhalten liegt unter anderem dann vor, wenn der/die Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis selbstständig aufgelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die eigene Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat.

 

Das Sozialgericht sah hier jedoch kein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln der Klägerin. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn die Klägerin keine Anschlussbeschäftigung in Aussicht gehabt hätte. Besteht jedoch die im Einzelfall konkrete, ernstzunehmende Aussicht auf eine Beschäftigung in einem Umfang von mindestens 15 Stunden pro Woche, scheidet eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Herbeiführung der Arbeitslosigkeit aus.

 

Die Klägerin hatte eine Zusage der Klinik zur Einstellung

 

Eine solche konkrete Aussicht für die Klägerin hatte die als Zeugin geladene Leiterin der Klinik in Bayern bestätigt. Nach ihrer Aussage habe es eine konkrete Zusage gegeben und die Einstellung und der Beginn der Tätigkeit hingen allein von dem Umzug der Klägerin ab. Vor diesem Hintergrund durfte die Klägerin nach Ansicht des Gerichts darauf vertrauen, dass sie diese Tätigkeit in der Klinik nach ihrem Umzug auch beginnen konnte.

 

Mit einer pandemiebedingten Schließung der Klinik konnte und musste die Klägerin nicht rechnen, da diese Umstände zum Zeitpunkt der Eigenkündigung noch nicht absehbar waren. In der Folge war die Sperrzeit aufzuheben und Arbeitslosengeld an die Klägerin ab dem 01. April 2020 auszuzahlen.

 

Hier geht es zum Urteil des Sozialgerichts Landshut.

Das sagen wir dazu:

Beschäftigten ist zu höchster Vorsicht geraten, wenn sie ihre Arbeitsverhältnisse selbst beenden. Zwar steht es im Ermessen der Bundesagentur für Arbeit, ob sie eine Sperrzeit verhängt. In der Praxis stellt die Verhängung einer solchen Sperrzeit durch die Behörde jedoch den absoluten Regelfall dar. Dies gilt nicht nur für Eigenkündigungen, sondern auch für das Unterzeichnen von Aufhebungsverträgen oder das Abschließen von Vergleichen, die eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Inhalt haben.

 

In der Konsequenz ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld I bis zu zwölf Wochen, in denen Beschäftigte kein Arbeitslosengeld I erhalten. Für die Übergangszeit können sie dann Arbeitslosengeld II beantragen, dieses ist jedoch regelmäßig deutlich niedriger als das Arbeitslosengeld I und birgt weitere Gefahren. Aus diesem Grund sollten Betroffene unbedingt nachfolgende Punkte beachten:

 

  • -        Keine Eigenkündigung ohne konkrete, ernste Aussicht auf einen neuen Arbeitsvertrag
  • -        Bestehende Kündigungsfristen stets ausschöpfen, d.h. keine Aufhebungsvereinbarungen oder Vergleiche schließen, die das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der eigentlichen Kündigungsfrist beenden

 

Im Zweifel und in Fällen, in denen es um einen Aufhebungsvertrag, einen Vergleich oder eine möglichst schnelle Beendigung des Arbeitsverhältnisses geht, sollten Beschäftigte zuvor unbedingt rechtliche Auskunft bei ihrer zuständigen Einzelgewerkschaft oder dem zuständigen DGB Rechtsschutzbüro einholen.