Mit Urteil vom 6. Oktober 2015 kam der 6. Senat des Landessozialgericht Niedersachsen - Bremen zu dem Ergebnis, dass bei einem Umzug, für den das Jobcenter eine Zusicherung hinsichtlich der Aufwendungen für die neue Unterkunft erteilt hat, auch die Kosten für die Umstellung des Telefon- und Internetanschlusses zu den „eigentlichen“ Umzugskosten im engeren Sinn zählen. Diese Kosten seien daher vom Jobcenter zu erstatten.
 

Jobcenter verweigert Übernahme von Kosten, die nicht zu den „eigentlichen“ Umzugskosten zählen

 

Der 1955 geborene und außergewöhnlich gehbehinderte Kläger zog nach der Trennung von seiner Ehefrau um. Durch das beklagte Jobcenter wurde dem Kläger zugesichert, dass die Aufwendungen für die neue Wohnung berücksichtigt, das heißt vom Jobcenter getragen werden können.


Aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers bezahlte das Jobcenter die Kosten für ein Umzugsunternehmen. Die von dem Kläger geltend gemachten Kosten für die Umstellung des Telefon- und Internetanschlusses sowie des Nachsendeantrags lehnte das beklagte Jobcenter ab.

Kläger obsiegt in zwei Instanzen – Wegen grundsätzlicher Bedeutung Revision zum Bundessozialgericht zugelassen

 

In seinem Urteil führt der 6. Senat aus, dass auch die Kosten für den Nachsendeantrag und für die Umstellung des Telefon- und Internetanschlusses zu den „eigentlichen“ Umzugskosten im engeren Sinne der Vorschriften des Sozialgesetzbuchs II zählen. Hierdurch bestätigte das Landessozialgericht die erstinstanzliche Entscheidung des Sozialgerichts Hannover vom 31. Juli 2013.


Mit der Zusicherung hinsichtlich der Übernahme der Aufwendungen für die neue Unterkunft habe das Jobcenter bestätigt, dass der Umzug erforderlich und die neue Wohnung des Klägers auch angemessen war. Aufgrund der Zusicherung sei das Jobcenter verpflichtet, die notwendigen und erforderlichen Kosten des Umzuges zu tragen. Die Kosten für den Nachsendeantrag und für die Umstellung des Telefon - und Internetanschlusses gingen zwangsläufig mit dem Umzug einher, wurden unmittelbar durch das Jobcenter veranlasst und seien nicht zu vermeiden. Der Kläger könne seine postalische und telefonische Erreichbarkeit nicht anders zum Beispiel auch gegenüber dem beklagten Jobcenter gewährleisten.

Weiter haben die Richter*innen der Berufungsinstanz in ihrer Entscheidung ausgeführt, dass zwar der Begriff der berücksichtigungsfähigen Umzugskosten eng auszulegen sei und die hier streitigen Kosten vom Bundessozialgericht bislang auch noch nicht ausdrücklich als Umzugskosten benannt worden seien. Entschieden habe das Bundessozialgericht jedoch bereits, dass die Kosten für die Sperrmüllentsorgung zu den erstattungsfähigen Umzugskosten gezählt. Damit sei klargestellt, dass unter den Begriff der Umzugskosten nicht nur die unmittelbaren Transportkosten fallen würden.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache hat der 6. Senat die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen. Zwischenzeitlich hat das beklagte Jobcenter Revision beim Bundessozialgericht  eingelegt. Die Sache ist nunmehr dort unter dem Aktenzeichen –
B 14 AS 58/15 R – anhängig.

Über den weiteren Verlauf werden berichten.


Anmerkung:

Die Entscheidung des Landessozialgerichts ist begrüßenswert.

 

Durch einen notwendigen Umzug entstehende Kosten für die Verlegung des Telefon- und Internetanschlusses eines erwerbsfähigen Leistungsberechtigten wie auch für den Postnachsendeantrag können nach der Entscheidung des Landessozialgerichts mit Hinweis auf § 22 Abs. 6 Satz 1, 1. Halbsatz Sozialgesetzbuch II gegenüber dem zuständigen Jobcenter geltend gemacht werden.

 

Hierbei handelt es sich zwar weder um Transportkosten für das eigentliche Umzugsgut noch um sonstige, direkt mit dem Wohnungswechsel zusammenhängende Aufwendungen (wie z. B. für eine Entsorgung unbrauchbar gewordener Einrichtungsgegenstände). Derartige Kosten, die notwendiger Weise mit einem Umzug einhergehen, werden unmittelbar durch diesen veranlasst und sind auch notwendig, um die postalische und telefonische Erreichbarkeit des außergewöhnlich gehbehinderten Antragstellers – auch im Verhältnis zu Sozialleistungsträgern – zu gewährleisten und sicherzustellen.

Es bleibt nun abzuwarten, wie das Bundessozialgericht über die dort anhängige Revision entscheidet. Es würde verwundern, wenn das höchste deutsche Sozialgericht zu einem von den Entscheidungen der Vorinstanzen abweichenden Entscheidung kommen sollte.

 

Bei Ablehnung von berücksichtigungsfähigen Umzugskosten vorsorglich Widerspruch einlegen!

 

In vergleichbaren Fällen wird Betroffenen empfohlen, vorsorglich fristwahrend dann Widerspruch gegen Bescheide der Jobcenter einzulegen falls notwendige und im Zusammenhang mit einem Umzug stehende Kosten nicht übernommen werden, obwohl die Übernahme der Umzugskosten zugesichert wurde.

 

Auch wenn nach einhelliger Meinung in Literatur und Rechtsprechung der Begriff der berücksichtigungsfähigen Umzugskosten eng auszulegen ist und die Kosten des Umzugs im engeren Sinn, bzw. die eigentlichen Kosten des Umzugs zu begrenzen sind, so kommen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als Umzugskosten Transportkosten, Kosten für eine Hilfskraft, erforderliche Versicherungen, Benzinkosten, Verpflegung der Hilfskräfte, Verpackungsmaterial und Sperrmüllentsorgung in Frage.

 

Das Urteil des Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen vom 6. Oktober 2015 – L 6 AS 1349/13 - finden Sie hier im Volltext:

Urteil des Bundessozialgericht vom 16.12.2008, Az.: B 4 AS 49/07 R zum Thema „Kosten der Einzugsrenovierung als Unterkunftskosten gem. § 22 Abs. 1 SGB II“

Rechtliche Grundlagen

§ 22 Sozialgesetzbuch Abs. 6 Satz 1, 1. Halbsatz

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden;