Schließt verwertbare Immobilie im Ausland Hilfsbedürftigkeit aus? Copyright by hadkhanong/Fotolia
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Die Antragsteller, ein deutsch-thailändisches Ehepaar, lebten von September 2009 bis 13. Mai 2018 in Thailand. Nach Rückkehr in die BRD beantragten sie im Juni 2018 beim Jobcenter Grundsicherungsleistungen.
 
Bei der Antragstellung gaben sie an, über Giro- und Sparkonten mit einem Kontostand von ca. 4.300,00 Euro, eine Kapitallebensversicherung (Rückkaufswert per 1. Juli 2018: 19.264,56 Euro) sowie ein Einfamilienhaus in Thailand zu verfügen. Das Einfamilienhaus stehe im alleinigen Eigentum der Ehefrau, da Deutsche in Thailand keine Immobilien erwerben können.
 

Jobcenter gewährt keine Leistungen  - Ehepaar begehrt einstweiligen Rechtsschutz

Das Jobcenter lehnte die Gewährung von Leistungen ab. Begründet wurde dies damit, dass das Haus in Thailand verwertbares Vermögen sei und das Ehepaar sich kaum um dessen Verkauf bemüht habe.
In einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beantragte das Ehepaar beim Sozialgericht (SG) Braunschweig, das Jobcenter zur Zahlung von Leistungen zu verpflichten. Mit Beschluss vom 19.3.2019 wurde der Antrag durch das SG abgelehnt. Begründet wurde die erstinstanzliche Entscheidung damit, dass kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht worden sei. Das Hausgrundstück als verwertbarer Vermögensgegenstand schließe Hilfebedürftigkeit aus.
Gegen diese Entscheidung legten die Antragsteller Beschwerde beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen ein.
 

Landessozialgericht: Vortrag der Antragsteller wenig glaubhaft

In dem beim LSG anhängigen Eilverfahren kommen die Richter*innen, ebenso wie das erstinstanzliche Gericht, zu dem Ergebnis, dass das Ehepaar nicht glaubhaft habe machen können, das Haus, dessen Wert das Gericht auf 25.000 Euro schätzt, ernstlich verkaufen zu wollen.
Auch der Behauptung der Antragsteller, dass Immobilien in Thailand nicht über das Internet angeboten werden könnten, schenkte das Gericht keinen Glauben. Nach Angaben des Ehepaares haben diese auf dem Grundstück ein Schild mit der Aufschrift „sale/hire“ aufgestellt und hierdurch das Haus zum Kauf angeboten. Dies aber, so das LSG, sei wenig erfolgversprechend. Denn das Haus liege an einer Anliegerstraße, auf der kein Durchgangsverkehr fahre und deren Zustand so desolat sei, dass nicht einmal die Müllabfuhr dort fahren könne.
 

Tatsächliche Hilfebedürftigkeit entscheidungserheblich

Obwohl das Beschwerdegericht den Vortrag der Eheleute nicht für glaubhaft hielt, verpflichtete es das Jobcenter vorläufig zur Leistung.
Zwar sei es grundsätzlich richtig, dass eine Auslandsimmobilie selbst dann verkauft werden müsse, wenn sie im Heimatland des Leistungsbeziehers von Familienangehörigen bewohnt wird oder später Altersruhesitz sein soll. Hiervon könne aber dann nicht auszugehen sein, wenn die Immobilie nicht als "bereites Mittel" verfügbar  sei. In einem solchen Fall müsse eine Notlage vorläufig vom Jobcenter abgedeckt werden, so die Richter*innen des LSG.
Nach Auffassung des LSG könne durch die theoretische Möglichkeit, Auslandsvermögen zu Geld zu machen, die aktuell tatsächlich bestehende Hilfebedürftigkeit des Paares nicht entfallen. Wenn keine für den notwendigen Unterhalt vorhandene Mittel vorhanden seien, dürfe nicht auf lediglich fiktiv vorhandenes Einkommen verwiesen werden.
 

Leistungen sind unter Vorbehalt zu gewähren

Angesichts fehlender bereiter Mittel berechtigen die unzureichenden Verkaufsbemühungen der Antragsteller den Antragsgegner jedoch nicht, den Leistungsantrag vollständig abzulehnen. Der Antragsgegner war daher zu verpflichten, den Antragstellern für die Monate Mai bis August 2019 vorläufig unter dem Vorbehalt des beim Sozialgericht Braunschweig anhängigen Hauptsacheverfahrens 650,00 Euro monatlich zu zahlen.
Sollte sich erweisen, dass dem Ehepaar ihre unzureichenden Verkaufsbemühungen in vorwerfbarer Weise vorgehalten werden könnten und dies zu der Hilfebedürftigkeit führte, könnte dies zu einem Erstattungsanspruch des Jobcenters führen.
Hier geht es zur Entscheidung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 22.5.2019

Rechtliche Grundlagen

§ 34 Sozialgesetzbuch II

§ 34 Sozialgesetzbuch II
Ersatzansprüche bei sozialwidrigem Verhalten
(1) 1Wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch an sich oder an Personen, die mit ihr oder ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat, ist zum Ersatz der deswegen erbrachten Geld- und Sachleistungen verpflichtet. 2Als Herbeiführung im Sinne des Satzes 1 gilt auch, wenn die Hilfebedürftigkeit erhöht, aufrechterhalten oder nicht verringert wurde. 3Sachleistungen sind, auch wenn sie in Form eines Gutscheins erbracht wurden, in Geld zu ersetzen. 4§ 40 Absatz 6 Satz 2 gilt entsprechend. 5Der Ersatzanspruch umfasst auch die geleisteten Beiträge zur Sozialversicherung. 6Von der Geltendmachung eines Ersatzanspruchs ist abzusehen, soweit sie eine Härte bedeuten würde.
(2) 1Eine nach Absatz 1 eingetretene Verpflichtung zum Ersatz der Leistungen geht auf den Erben über. 2Sie ist auf den Nachlasswert zum Zeitpunkt des Erbfalls begrenzt.
(3) 1Der Ersatzanspruch erlischt drei Jahre nach Ablauf des Jahres, für das die Leistung erbracht worden ist. 2Die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten sinngemäß; der Erhebung der Klage steht der Erlass eines Leistungsbescheides gleich.