Geklagt hatte ein Mann, der schon 1984 ein 78 m² großes Einfamilienhaus gekauft hatte. Bevor er in Rente gehen konnte, kam es aufgrund von Arbeitslosigkeit noch zum Bezug von Arbeitslosengeld II. Das zuständige Jobcenter gewährte die Tilgungsraten als Darlehen. 

Die Grundsicherungsleistungen für Arbeitssuchende nach dem zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) umfassen den Regelsatz sowie die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Bei Wohneigentum richtet sich die Angemessenheit der Unterkunftskosten nach den gleichen Kriterien wie bei Miete. Ist der Kredit für das Eigenheim noch nicht abbezahlt, werden Schuldzinsen übernommen, im Regelfall jedoch nicht die Tilgungsraten. Die Begründung dafür: Sozialleistungen sollen nicht der Bildung von Vermögen dienen. Die Jobcenter übernehmen die Tilgungsraten deshalb regelmäßig nur als Darlehen und nicht als Zuschuss wie bei den übrigen Kosten für Unterkunft und Heizung.

Jobcenter muss Tilgungsraten als Zuschuss gewähren

Das Sozialgericht Wiesbaden hatte das Jobcenter  verurteilt, dem Kläger für den streitigen Zeitraum Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II zu gewähren und dabei die von ihm an seine Bank zu zahlenden Zins- und Tilgungsleistungen als Unterkunftskosten im Wege eines Zuschusses zu gewähren. 

Landessozialgericht bestätigt Kläger in seinen Rechten

Das Landessozialgericht Hessen wies die Berufung des Jobcenters zurück. Das bedeutet, der Kläger, der mittlerweile in Rente ist, muss die für die Tilgung per Darlehen erhaltenen Leistungen nicht zurückzahlen.

Die Richter begründeten dies damit, dass, auch wenn die Leistungen auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt sind und nicht der Vermögensbildung dienen sollen, hier ein Ausnahmefall vorläge. Wichtig dabei waren folgende Punkte: Zum einen hat der Kläger das Haus gekauft, als er noch keine Leistungen zur Grundsicherung bezogen hat. Zudem hätte der Verlust des Hauses gedroht, wenn die Tilgungsraten nicht übernommen worden wären. Und unter diesem drohenden Wohnungsverlust habe bei wertender Betrachtung der Gesichtspunkt der Vermögensbildung zurückzutreten. Hinzu kommt, dass die Finanzierung bereits weitgehend abgeschlossen war. Der zu tilgende Anteil lag nur noch bei unter 20 %. Auch die zwischenzeitlich erfolgte Verrentung wurde berücksichtigt. Zuletzt schätzten die Richter die Übernahme der monatlichen Tilgungsraten auch als angemessen ein. Denn die Gesamtleistungen für die Unterkunft einschließlich der Tilgung lagen unter den in der Stadt als angemessen geltenden Mietkosten für einen Ein-Personen-Haushalt.

Anmerkung der Redaktion:

Das Urteil bezieht sich auf den bestimmten Einzelfall, der hier als Ausnahme gewertet wurde. Dennoch kann es zur Begründung herangezogen werden, wenn vergleichbare Fälle vorliegen. Und das dürfte nicht selten sein. Viele Personen, die über Jahrzehnte gearbeitet und ein Eigenheim finanziert haben, erwischt die Arbeitslosigkeit noch vor der Möglichkeit in Rente zu gehen. Es ist erfreulich, wenn die Rechtsprechung wenigstens in diesen Fällen eine Ausnahme macht und nicht von der Rente noch Rückzahlungen an die Jobcenter geleistet werden müssen. Vor allem, wenn sich die Kosten trotz Tilgung im Rahmen der angemessenen Mietkosten bewegen und der Wohnraum angemessen groß ist, ist die Entscheidung als konsequent zu begrüßen. Im vorliegenden Fall lagen die Zins- und Tilgungsleistungen bei monatlich 131,82 € und 199,40 €. Zudem ist  bei einer Einzelperson eine Wohnfläche von 78 m² angemessen. Die Grenze liegt nach dem Bundessozialgericht bei 80 m². 

Hier zum Urteil des Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 29.10.2014, Aktenzeichen L 6 AS 422/12 im Volltext:

 

Hinweis zur Rechtslage im Praxistip

Rechtliche Grundlagen

Hinweise zur Rechtslage

§ 12 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II)


(1) Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen.

(3) Als Vermögen sind nicht zu berücksichtigen
(…)
4. ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe oder eine
entsprechende Eigentumswohnung,


§ 22 SGB II

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. (…)
(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum (…) anerkannt, soweit diese (…) angemessen sind.