Gleitsichtbrille auch für Hartz-IV-Empfänger? Copyright by Adobe Stock/thomaseder
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Mit einer Verordnung seines Augenarztes beantragte der Kläger eine neue Gleitsichtbrille bei seinem Jobcenter. Er bezog bereits länger Arbeitslosengeld II. Seine bisherige Gleitsichtbrille war schon mehrere Jahre alt. Er gab an, seine Sehschärfe habe sich geändert und vermerkte in seinem Antrag, es gehe um die „Erstausstattung“ mit einer Sehhilfe.
 

Im Laufe des Verfahrens zog das Gericht unterschiedliche Befunde und Gutachten bei

Im Laufe des Verfahrens zog das Gericht unterschiedliche augenärztliche Befunde und Gutachten bei. Danach war das Sehvermögen des Klägers einmal schlechter geworden, einem anderen Bericht ließ sich jedoch entnehmen, dass keinerlei Änderung eingetreten war. Die Fehlsichtigkeit des Klägers war auch nicht sehr gravierend.
 
Es hieß außerdem, der Kläger hätte die alte Brille durchaus noch weiter verwenden können. Aus medizinischer Sicht sei im Übrigen nicht davon auszugehen, dass er innerhalb von sechs Monaten mehr als einmal eine neue Brille benötigen würde.
 

Das Gericht stellte sich auf die Seite des Jobcenters

Das Sozialgericht stellte sich im Verfahren auf die Seite des Jobcenters. Der Kläger habe keinen Anspruch darauf, die gewünschte Gleitsichtbrille bezahlt zu bekommen. Sie zähle nämlich zum Regelbedarf. Man könne allenfalls überlegen, ob die Brille einen Mehrbedarf darstelle.
 
Im Rahmen einer laufenden Bewilligung sei Mehrbedarf aber nur dann anerkannt, wenn im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender und nicht nur einmaliger besonderer Bedarf bestehe. Unabweisbar sei der Bedarf, wenn er wesentlich höher als der durchschnittliche Bedarf sei und nicht anders gedeckt werden könne, indem beispielsweise jemand Drittes dafür zahle oder Geld an anderer Stelle eingespart würde.
 

Es ist auf den jeweiligen Zeitraum der  Bewilligung abzustellen

Dabei sei auf den jeweiligen Zeitraum abzustellen, für welchen Arbeitslosengeld II bewilligt worden sei. Ein laufender Bedarf trete innerhalb dieses Bewilligungszeitraumes von sechs Monaten bzw. einem Jahr nicht nur einmalig, sondern mehrfach auf. Der Kläger wolle aber gar nicht so oft eine neue Brille haben. Er brauche sie im Übrigen auch nicht. Das hätten die Gutachten ergeben.
 
Der Bedarf des Klägers sei außerdem nicht unabweisbar. Dazu dürfe der Bedarf nicht aufgeschoben werden können. Es müsse dabei erforderlich sein, diesen sofort zu decken, damit im konkreten Fall das menschenwürdige Existenzminimum sichergestellt werden könne.
 

Der Kläger könnte seine Brille durchaus noch länger tragen

Auch das sei beim Kläger nicht der Fall. Er könne seine alte Brille durchaus noch einige Zeit nutzen. Es sei auch nicht anzunehmen, dass er in regelmäßig wiederkehrenden Zeitabständen eine neue Brille brauche.
 
Der Kläger habe die Erstattung der Kosten für seine Gleitsichtbrille im Rahmen einer „Erstausstattung“ beantragt. Was darunter falle, regele das Gesetz ganz genau. Dazu gehörten die Erstausstattung für eine Wohnung, für Bekleidung und auch für orthopädische Schuhe. Bei therapeutischen Geräten würden nur die Kosten für eine Reparatur übernommen.
 

Die Brille ist ein therapeutisches Geräte

Das Gesetz unterscheide ausdrücklich zwischen Anschaffung und Reparatur. Eine Brille sei ein therapeutisches Gerät. Da werde nur die Reparatur bezahlt. Der Kläger wolle die alte Brille jedoch nicht reparieren lassen. Er beabsichtige vielmehr, sich eine neue Gleitsichtbrille zu kaufen.
 
Den Kauf einer Brille könne das Jobcenter somit nicht finanzieren. Die Brille gehöre im Übrigen zum Regelbedarf. Deren Anschaffungskosten seien von der bereits bewilligten laufenden Leistung umfasst. Dem sei auch deshalb zuzustimmen, weil Sehhilfen langlebige Gebrauchsgüter seien.
 

Für Brillen darf nur in Ausnahmefällen ein Darlehen erbracht werden

Deshalb dürfte für Brillen auch nur in Ausnahmefällen ein Darlehen erbracht werden. Ein Ausnahmefall liege beim Kläger jedoch nicht vor. Dazu müsse er einen unabweisbaren Bedarf haben, dessen Abdeckung keinen Aufschub dulde. Ein Bedarf sei dann unabweisbar, wenn eine andere, preisgünstigere Deckung nicht möglich sei.
 
Der Kläger benötige nicht unbedingt eine neue Brille. Das hätten die Gutachten ergeben. Eine neue Brille sei damit schon medizinisch nicht zwingend notwendig. Es sei dem Kläger darüber hinaus auch durchaus zumutbar, zwei Brillen zu verwenden, eine Lese- und eine Fernbrille. Das sei günstiger.
 
Ein unabweisbarer Bedarf liege beim Kläger damit nicht vor, so dass das Jobcenter keine Kosten tragen müsse.

Hier gehts zum Urteil
 
 
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Das sagen wir dazu:

Schon seit vielen Jahren zahlt bereits die gesetzliche Krankenversicherung nichts mehr für Brillen. Gute Brillen sind jedoch teuer. Das merkt schon jeder, der regelmäßiges eigenes Einkommen hat. Hartz-IV-Empfänger belastet die Anschaffung demgegenüber jedoch noch viel mehr.

Es darf aber nicht vergessen werden, dass Hartz-IV-Leistungen aus Steuermitteln finanziert werden. In einem Fall wie hier, in dem es um keine schwerwiegenden Beschwerden geht und in dem auch noch eine Brille vorhanden ist, die die Sehminderung auffängt, mag der Entscheidung des Sozialgerichts durchaus zugestimmt werden.

Es ist nicht von vorne herein unzumutbar, auf zwei Brillen zurückgreifen zu müssen, eine Lese- und eine Fernbrille.

Rechtliche Grundlagen

§ 20 SGB II, § 21 SGB II, § 24 SGB II

§ 20 Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts

(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zu den persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens gehört in vertretbarem Umfang eine Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft. Der Regelbedarf wird als monatlicher Pauschalbetrag berücksichtigt. Über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregelmäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen.
(1a) Der Regelbedarf wird in Höhe der jeweiligen Regelbedarfsstufe entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches in Verbindung mit der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung anerkannt. Soweit in diesem Buch auf einen Regelbedarf oder eine Regelbedarfsstufe verwiesen wird, ist auf den Betrag der für den jeweiligen Zeitraum geltenden Neuermittlung entsprechend § 28 des Zwölften Buches in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz abzustellen. In Jahren, in denen keine Neuermittlung nach § 28 des Zwölften Buches erfolgt, ist auf den Betrag abzustellen, der sich für den jeweiligen Zeitraum entsprechend der Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung nach den §§ 28a und 40 des Zwölften Buches ergibt.
(2) Als Regelbedarf wird bei Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 1 anerkannt. Für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft wird als Regelbedarf anerkannt:

1.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 4, sofern sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
2.
monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 in den übrigen Fällen.

(3) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 ist bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Absatz 5 umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres der in Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 genannte Betrag als Regelbedarf anzuerkennen.
(4) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, ist als Regelbedarf für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen.
(5) (weggefallen)


§ 21 Mehrbedarfe

(1) Mehrbedarfe umfassen Bedarfe nach den Absätzen 2 bis 7, die nicht durch den Regelbedarf abgedeckt sind.
(2) Bei werdenden Müttern wird nach der zwölften Schwangerschaftswoche ein Mehrbedarf von 17 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt.
(3) Bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ist ein Mehrbedarf anzuerkennen

1.
in Höhe von 36 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammenleben, oder
2.
in Höhe von 12 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Bedarfs für jedes Kind, wenn sich dadurch ein höherer Prozentsatz als nach der Nummer 1 ergibt, höchstens jedoch in Höhe von 60 Prozent des nach § 20 Absatz 2 maßgebenden Regelbedarfs.

(4) Bei erwerbsfähigen behinderten Leistungsberechtigten, denen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches mit Ausnahme der Leistungen nach § 49 Absatz 3 Nummer 2 und 5 des Neunten Buches sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Eingliederungshilfen nach § 54 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 des Zwölften Buches erbracht werden, wird ein Mehrbedarf von 35 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs anerkannt. Satz 1 kann auch nach Beendigung der dort genannten Maßnahmen während einer angemessenen Übergangszeit, vor allem einer Einarbeitungszeit, angewendet werden.
(5) Bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, wird ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt.
(6) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
(7) Bei Leistungsberechtigten wird ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Der Mehrbedarf beträgt für jede im Haushalt lebende leistungsberechtigte Person jeweils

1.
2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 Nummer 2, Absatz 3 oder 4,
2.
1,4 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 oder § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten im 15. Lebensjahr,
3.
1,2 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres oder
4.
0,8 Prozent des Regelbedarfs nach § 23 Nummer 1 bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres,

soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht oder ein Teil des angemessenen Warmwasserbedarfs nach § 22 Absatz 1 anerkannt wird.
(8) Die Summe des insgesamt anerkannten Mehrbedarfs nach den Absätzen 2 bis 5 darf die Höhe des für erwerbsfähige Leistungsberechtigte maßgebenden Regelbedarfs nicht übersteigen.


§ 24 Abweichende Erbringung von Leistungen

(1) Kann im Einzelfall ein vom Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf nicht gedeckt werden, erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung und gewährt der oder dem Leistungsberechtigten ein entsprechendes Darlehen. Bei Sachleistungen wird das Darlehen in Höhe des für die Agentur für Arbeit entstandenen Anschaffungswertes gewährt. Weiter gehende Leistungen sind ausgeschlossen.
(2) Solange sich Leistungsberechtigte, insbesondere bei Drogen- oder Alkoholabhängigkeit sowie im Falle unwirtschaftlichen Verhaltens, als ungeeignet erweisen, mit den Leistungen für den Regelbedarf nach § 20 ihren Bedarf zu decken, kann das Arbeitslosengeld II bis zur Höhe des Regelbedarfs für den Lebensunterhalt in voller Höhe oder anteilig in Form von Sachleistungen erbracht werden.
(3) Nicht vom Regelbedarf nach § 20 umfasst sind Bedarfe für

1.
Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten,
2.
Erstausstattungen für Bekleidung und Erstausstattungen bei Schwangerschaft und Geburt sowie
3.
Anschaffung und Reparaturen von orthopädischen Schuhen, Reparaturen von therapeutischen Geräten und Ausrüstungen sowie die Miete von therapeutischen Geräten.

Leistungen für diese Bedarfe werden gesondert erbracht. Leistungen nach Satz 2 werden auch erbracht, wenn Leistungsberechtigte keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung benötigen, den Bedarf nach Satz 1 jedoch aus eigenen Kräften und Mitteln nicht voll decken können. In diesem Fall kann das Einkommen berücksichtigt werden, das Leistungsberechtigte innerhalb eines Zeitraumes von bis zu sechs Monaten nach Ablauf des Monats erwerben, in dem über die Leistung entschieden wird. Die Leistungen für Bedarfe nach Satz 1 Nummer 1 und 2 können als Sachleistung oder Geldleistung, auch in Form von Pauschalbeträgen, erbracht werden. Bei der Bemessung der Pauschalbeträge sind geeignete Angaben über die erforderlichen Aufwendungen und nachvollziehbare Erfahrungswerte zu berücksichtigen.
(4) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts können als Darlehen erbracht werden, soweit in dem Monat, für den die Leistungen erbracht werden, voraussichtlich Einnahmen anfallen. Satz 1 gilt auch, soweit Leistungsberechtigte einmalige Einnahmen nach § 11 Absatz 3 Satz 4 vorzeitig verbraucht haben.
(5) Soweit Leistungsberechtigten der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für sie eine besondere Härte bedeuten würde, sind Leistungen als Darlehen zu erbringen. Die Leistungen können davon abhängig gemacht werden, dass der Anspruch auf Rückzahlung dinglich oder in anderer Weise gesichert wird.
(6) In Fällen des § 22 Absatz 5 werden Leistungen für Erstausstattungen für die Wohnung nur erbracht, wenn der kommunale Träger die Übernahme der Leistungen für Unterkunft und Heizung zugesichert hat oder vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden konnte.