Verweigerung von Mitwirkungspflichten kann zur Kürzung von Grundsicherungsleistungen führen. Copyright by Adobe Stock/Animaflora PicsStock
Verweigerung von Mitwirkungspflichten kann zur Kürzung von Grundsicherungsleistungen führen. Copyright by Adobe Stock/Animaflora PicsStock

Die 1971 geborene, alleinerziehende Mutter eines 13 jährigen Sohnes, steht beim beklagten Jobcenter im Leistungsbezug. Streitig zwischen den Parteien ist die Höhe
von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, insbesondere die Anrechnung von Unterhaltsleistungen. Die Leistungsbezieherin erklärte sich nicht bereit, den Namen des unterhaltspflichtigen Kindesvaters bekannt zu geben. Sie verwies unter anderem auf eine gegenüber dem Kindesvater eingegangene Verpflichtung, seinen Namen nicht zu nennen.
 
Mit Bescheid vom 22.7.2019 versagte das Jobcenter (JC) die Leistungen ab August 2019 teilweise in Höhe von 660,00 € monatlich. Bei der Berechnung legte das JC einen Unterhaltsanspruch des 2007 geborenen Sohnes nach der Düsseldorfer Tabelle in Höhe von 660,00 € gegen den Kindesvater zugrunde. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg. Hierauf erhob die Alleinerziehende Klage beim Sozialgericht Gießen.
 

Bei Auskunftsverweigerung über Kindesvater Anrechnung von fiktiven Unterhaltszahlungen

Die gegen den Bescheid und Widerspruchsbescheid des JC gerichtete Klage hatte teilweise Erfolg.
 
Zunächst bestätige das Gericht grundsätzlich, dass fiktive Unterhaltszahlungen auf den Leistungsanspruch der Bedarfsgemeinschaft anzurechnen seien, solange die Klägerin ihren Mitwirkungsverpflichtungen durch die Benennung des Kindesvaters nicht nachkomme.
 
Das JC habe zurecht die von der Klägerin beantragten Leistungen teilweise versagt. Für die Klägerin bestehe kein Recht, die Auskunft über den Namen des leiblichen Vaters ihres Sohnes zu verweigern. Auch sei kein überragend schützenswertes Interesse der Klägerin an der Verweigerung der Vaterschaftsauskunft erkennbar, welches die hochrangigen Kindesinteressen, die Interessen des leiblichen Vaters sowie die gesetzlich ausdrücklich geschützten fiskalischen Interessen deutlich überwiegen würde.
 

Fiktiver Unterhalt zu hoch angerechnet

Entgegen der Annahme des JC könne nicht von der höchsten Stufe 10 der Düsseldorfer Tabelle (Nettoeinkommen 5.101-5.500 € monatlich) bei der Berücksichtigung der Unterhaltszahlungen ausgegangen werden. Vielmehr sei abzustellen auf den durchschnittlichen Nettoarbeitslohn eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers, sodass Stufe 2 der Düsseldorfer Tabelle (Nettoeinkommen zwischen 1.901 und 2.300 € monatlich) zugrunde zu legen sei. Statt des von dem JC angerechneten fiktiven Unterhalt in Höhe von 660,00 € monatlich sei lediglich ein Betrag von 427,00 € monatlich anzurechnen.
 
 
Hier finden Sie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Gießen vom 4.12.2020

Rechtliche Grundlagen

§§ 60, 66 Abs. 1 Sozialgesetzbuch I

§ 60 Sozialgesetzbuch I - Angabe von Tatsachen
(1) Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat
1.
alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen,
2.
Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen,
3.
Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.
Satz 1 gilt entsprechend für denjenigen, der Leistungen zu erstatten hat.
(2) Soweit für die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Angaben Vordrucke vorgesehen sind, sollen diese benutzt werden.



§ 66 Abs. 1 Sozialgesetzbuch I - Folgen fehlender Mitwirkung
(1) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Dies gilt entsprechend, wenn der Antragsteller oder Leistungsberechtigte in anderer Weise absichtlich die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert.