Die Jobcenter haben zu beachten, dass nicht nur die Mieten je nach Region unterschiedlich sind, sondern auch das Angebot an Wohnungen nicht überall gleich ist. Copyright by Andrey Popov / Fotolia
Die Jobcenter haben zu beachten, dass nicht nur die Mieten je nach Region unterschiedlich sind, sondern auch das Angebot an Wohnungen nicht überall gleich ist. Copyright by Andrey Popov / Fotolia

Das Bundessozialgericht hatte über mehrere Verfahren zu entscheiden, in denen es um die angemessenen Kosten für Miete und Heizung als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes ging.
 

Wie groß und wie teuer darf eine Wohnung sein?

Die Hartz IV-Leistungen bestehen aus dem Regelsatz und den Kosten für die Unterkunft. Nach dem Sozialgesetzbuch II (§ 22) sind die angemessenen Unterkunftskosten zu übernehmen. Was das Jobcenter im Einzelfall - entsprechend der örtlichen Gegebenheiten  - als angemessen anzuerkennen hat, ist häufiger Streitpunkt, so auch in diesen Verfahren.
 
Das BSG hat die Verfahren zum Anlass genommen, seine Rechtsprechung zu der Thematik „Angemessene Unterkunftskosten“ zusammenzufassen.
 
Das Jobcenter hat eine Grenze für die abstrakt angemessenen Kosten der Unterkunft zu ermitteln. Die Kosten bestehen aus Kaltmiete und kalten Betriebskosten. Wie teuer eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessene Wohnung sein darf, hat in einem örtlichen Vergleichsraum nach einem schlüssigen Konzept zu erfolgen.
 

Der Vergleichsraum

Für den Vergleichsraum ist zunächst vom Wohnort des Leistungsempfängers auszugehen. Er ist gesetzlich definiert als ein bestimmter, ausreichend großer Raum der Wohnbebauung, der aufgrund räumlicher Nähe, Infrastruktur und insbesondere verkehrstechnischer Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet.
Der Vergleichsraum ist der Raum, innerhalb dessen einer leistungsberechtigten Person ein Umzug zur Kostensenkung grundsätzlich zumutbar ist.
 
Im Zuständigkeitsgebiet eines Jobcenters kann es mehr als einen Vergleichsraum geben.
 
Mängel bei der Bildung des Vergleichsraums wirken sich darauf aus, welcher Bedarf für die Miete sowie für die Heizung anzuerkennen ist.
 

Das schlüssige Konzept

Das schlüssige Konzept soll sichern, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes für die Grenze der angemessenen Kosten maßgeblich sind. Nicht nur die Mieten sind je nach Region unterschiedlich. Auch das Angebot an Wohnungen ist nicht in jeder Stadt oder Gemeinde gleich.
 
Das Konzept muss schlüssig sein. Dafür gibt es rechtliche und methodische Vorgaben. Das Konzept muss zudem nachvollziehbar sein. Das setzt folgendes voraus:

  • Die untersuchten Wohnungen müssen nach Größe und Standard definiert sein.
  • Zeitraum sowie Art und Weise der Datenerhebung ist anzugeben.
  • Die Daten müssen repräsentativ und gesichert sein.
  • „Soziale Brennpunkte“ sind zu vermeiden.
  • Es ist zu begründen, wie die Werte für eine Angemessenheit aus den Daten ermittelt wurden.

 
Geht man von diesen Voraussetzungen aus, kann es nach dem BSG verschiedene Methoden geben, um ein schlüssiges Konzept zu erstellen und den damit unmittelbar zusammenhängenden Vergleichsraum zu bilden.
 

Aufteilung der Städte und Gemeinden in Wohnungsmarkttypen unzulässig

Als nicht zulässig sieht es das BSG aber an, wenn ein Jobcenter den gesamten Landkreis als einen Vergleichsraum ansieht und innerhalb des Vergleichsraums die Städte und Gemeinden in mehrere Wohnungsmarkttypen mit unterschiedlichen Angemessenheitsgrenzen aufteilt.
 
Für diese Aufteilung gebe es keine rechtliche Begründung. Vor allem könne durch die Bildung von Wohnungsmarkttypen die Voraussetzungen für die Bildung und die Rechtsfolgen eines Vergleichsraums nicht geändert werden.
 
Verklagt sind die Jobcenter Kreis Segeberg, Landkreis Harz, Salzlandkreis, Börde und Landkreis Nienburg. Das BSG bemängelt in jedem Verfahren, dass die einzelnen Wohnungsmarkttypen nicht sachlich hergeleitet sind.
 

„Angemessenheit“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff

Ein unbestimmter Rechtsbegriff ist ein Begriff, der keine klare, feststehende Bedeutung hat, sondern bei der Rechtsanwendung im Einzelfall ausgelegt und bestimmt werden muss.
 
Weil darunter auch „angemessen“ fällt, ist die Bildung des Vergleichsraums und die Erstellung des schlüssigen Konzepts des Jobcenters gerichtlich voll überprüfbar. Das stellte das BSG klar.
 
Die Gerichte haben also die Rechtmäßigkeit der vom Jobcenter ermittelten Angemessenheitsgrenze zu überprüfen. Ist die Grenze zu beanstanden, ist dem Jobcenter zunächst Gelegenheit zu geben, Stellung zu nehmen und eventuell weiter zu ermitteln.
Räumt das Jobcenter die Bedenken nicht aus, kann das Gericht keine eigene Vergleichsraumbildung vornehmen oder ein schlüssiges Konzept erstellen. Um den Rechtsstreit entscheiden zu können, hat das Gericht auf einen qualifizierten Mietspiegel zurückzugreifen, wenn ein solcher vorhanden ist.
 

Obergrenze: Wert aus Wohngeldgesetz + 10 Prozent

Gibt es hingegen keine rechtlich zulässig bestimmte Angemessenheitsgrenze, so sind die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft zugrunde zu legen. Als Obergrenze gilt dann: Der Wert nach dem Wohngeldgesetz plus einen Zuschlag von 10%.
 
Gemessen an den Grundsätzen der obersten Richter zu angemessenem Wohnraum, waren die strittigen Entscheidungen der Jobcenter nicht rechtmäßig.
 

BSG hebt die Urteile der Landessozialgerichte auf und verweist zurück

Das LSG Schleswig-Holstein hatte die Entscheidung des beklagten Jobcenters als rechtmäßig angesehen hat, das gesamte Kreisgebiet als einen einheitlichen Vergleichsraum zugrunde zu legen, aber in fünf Wohnungsmarkttypen mit unterschiedlichen Angemessenheitsgrenzen für die Bruttokaltmiete zu untergliedern. Dem stimmt das BSG nicht zu.
 
Das LSG Sachsen-Anhalt hatte die Vergleichsraumbildung des Jobcenters durch eine eigene Vergleichsraumbildung ersetzt. Dazu war es nach dem BSG nicht befugt.
In einem Fall ging es um eine Aufforderung des Jobcenters die Unterkunftskosten zu senken, die 2011 erfolgte. Das Jobcenter berief sich auf ein Konzept aus 2012. Zu Unrecht, urteilt das BSG.
 
Im wiedereröffneten Berufungsverfahren erhalten die Jobcenter die Möglichkeit, Nachermittlungen zur Vergleichsraumbildung und Erstellung eines schlüssigen Konzepts vorzulegen.