Gewerkschaftliche Centrum erzielt Klarstellung beim BSG in Sachen Bedarfsgemeinschaft: Vorschriften BGB zur Ehe greifen nicht.
Gewerkschaftliche Centrum erzielt Klarstellung beim BSG in Sachen Bedarfsgemeinschaft: Vorschriften BGB zur Ehe greifen nicht.

Die von der DGB Rechtsschutz GmbH vertretene Klägerin bezog ab Januar.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Hartz IV). Streitiger Zeitraum im Verfahren ist der von Juni bis September 2009. Sie hatte für diesen Zeitraum beim Jobcenter Leipzig Leistungen nach dem SGB II beantragt und erhalten.

Hilfeempfängerin wohnte mit Ex-Partner und Vater ihres Kindes zusammen

Die Klägerin bewohnte mit ihrer Tochter und dem Vater der Tochter eine Wohnung. Die Tochter absolvierte eine Berufsausbildung und gehörte deshalb nicht mehr zur Bedarfsgemeinschaft. Die Beziehung zwischen der Klägerin und dem Vater war bereits seit geraumer Zeit beendet. Deshalb zahlte er an die Klägerin monatlich seinen Anteil der Miete.

Dennoch kam das Jobcenter zu dem Ergebnis, dass zwischen der Klägerin und ihrem Ex-Freund eine Bedarfsgemeinschaft bestehe. Sie stützte sich dafür auf einen unangekündigten Hausbesuch aus dem Jahr 2006 (!)

Leistungen werden wegen Einkommen des Ex-Partners zurückgefordert

Nachdem der Ex-Freund im streitigen Zeitraum im Jahr 2009 über 2.000,- € im Monat verdient hatte, hob das Jobcenter die Leistungsbewilligung gegenüber der Klägerin auf und forderte bereits gewährte Leistungen zurück. Das begründete das Jobcenter damit, dass die Klägerin über zu viel Einkommen verfügt habe, da sie ja mit ihrem Ex-Freund eine Bedarfsgemeinschaft bilde.

Bedarfsgemeinschaft wird aus eherechtlichen Vorschriften abgeleitet

Hiergegen ging die Klägerin mit Hilfe der DGB Rechtsschutz GmbH erst vor dem Sozialgericht Leipzig und schließlich vor dem Sächsischen Landessozialgericht (LSG) vor. In diesen ersten beiden Instanzen ohne Erfolg. Auch das LSG wies die Klage ab und führte zur Begründung aus, die Klägerin bilde mit dem Mann eine Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft im Sinne des SGB II.

Zur Beurteilung dieser Frage zog das LSG § 1567 BGB heran - eine Vorschrift aus dem Eherecht. Danach leben Ehegatten getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Die häusliche Gemeinschaft besteht auch dann nicht mehr, wenn die Ehegatten innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt leben.

Aus Sicht des LSG habe die Klägerin keinen für Außenstehende erkennbaren Willen geäußert, sich trennen zu wollen.

Bedarfsgemeinschaft, Ehe, nichteheliche Lebensgemeinschaft

Beantragt jemand bei einer Behörde, finanzielle Unterstützung in Form von SGB II-Leistungen/Hartz IV oder Sozialhilfe, prüft die Behörde, ob nicht ein anderer Mensch verpflichtet sein könnte, den Hilfebedürftigen zu unterstützen. Eine solche Verpflichtung zum Unterhalt kann sich entweder aus naher Verwandtschaft (Eltern-Kind/Kind-Eltern) oder aus der Ehe ergeben.

Die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft sind regelmäßig nicht dazu verpflichtet, einander zu unterstützen. Der Unterschied zur Ehe besteht darin, dass die Partner gerade bewusst auf den förmlichen Akt der Eheschließung und die damit verbundenen gesetzlichen Verpflichtungen verzichtet haben.

Spätestens mit der Schaffung der sogenannten Bedarfsgemeinschaft im SGB II ist das anders geworden. Weil es dem Willen der Partner oft widerspricht, einander in schwierigen Zeiten auch finanziell zu unterstützen, sind Streitigkeiten um das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft vor den Sozialgerichten häufig.

Gewerkschaftliches Centrum erkämpft Zulassung der Revision

Die Revision hatte das LSG nicht zugelassen. Nachdem der DGB Rechtsschutz für die Klägerin zunächst die Zulassung der Revision vor dem Bundessozialgericht erkämpft hatte, war auch die Revision selbst erfolgreich.

Familienrechtliche Vorschriften über das Getrenntleben gelten nicht

Aus Sicht der Richter des BSG war das Sächsische LSG von einem falschen rechtlichen Ansatzpunkt ausgegangen. Die familienrechtliche Vorschrift über das Getrennt- und Zusammenleben hätte das Berufungsgericht nicht als Kriterium heranziehen dürfen. Die Regelungen über die Bedarfsgemeinschaft im SGB II seien vorrangig und abschließend anzuwenden. Daher hat das BSG den Rechtsstreit an das Sächsische LSG zurückverwiesen. Das LSG wird nun zu entscheiden haben, ob nach Maßgabe der richtigen Vorschriften - also ohne Anwendung des Eherechts - eine Bedarfsgemeinschaft besteht.

Lesen Sie zum Thema auch unseren Artikel:
Zum Auskunftsverlangen des Jobcenters gegenüber dem Partner

 

 

Das sagen wir dazu:

Nur weil ein Trennungswille im Hinblick auf eine vormals bestehende nichteheliche Lebensgemeinschaft nach außen nicht erkennbar ist, kann nicht von einer Bedarfsgemeinschaft ausgegangen werden. Dies ist das Fazit aus der Entscheidung der obersten Richter für den Einzelfall. Für alle Fälle in denen es um die Frage einer Bedarfsgemeinschaft geht, ist das Fazit weitreichender. Die Vorschriften aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch zur Ehe greifen nicht; die des SGB II sind abschließend. 

Bastian Brackelmann, der für das Ressort Sozialrecht das Revisionsverfahren geführt hat, begrüßt die klare Abgrenzung der Richter zwischen den Regelungen im SGB II zur Bedarfsgemeinschaft und den familienrechtlichen Vorschriften zur Ehe. 

Mit seinem Urteil habe das BSG klargestellt, dass Menschen, die aus welchen Gründen auch immer miteinander in einer Wohnung leben, neben einer oft ungewollten Bedarfsgemeinschaft nicht auch noch eine eherechtliche Verbindung untergeschoben werden darf.