Kostensenkung bis zum Verkauf des Eigenen Hauses? Copyright by Adobe Stock/Andrey Armyagov
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Der (spätere) Kläger bezieht Hartz IV-Leistungen. Er bewohnt sein eigenes Haus. Die Darlehensraten in Höhe von 449,10 € trägt das Jobcenter als Kosten der Unterkunft.
Soweit, so gut. Sollte man meinen.

Das Jobcenter verlangt Kostensenkung

Aber dann schreibt die Behörde dem Kläger, dass sie in Zukunft nur noch
394 € als angemessene Wohnkosten akzeptiere. Außerdem solle er mitteilen, welche Maßnahmen er im Hinblick auf die Kostensenkung zu ergreifen gedenke. Im schlimmsten Fall müsse er sein Haus verkaufen.
 

Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt

Der DGB Rechtsschutz legt gegen die Entscheidung des Jobcenters Widerspruch sein.
Die Behörde ist der Auffassung, dieser Widerspruch sei unzulässig, weil es sich bei der Aufforderung zur Kostensenkung nicht um einen Verwaltungsakt handle. Dies sei aber erforderlich, um Widerspruch einlegen zu können.
Es folgt eine Klage zum Sozialgericht.

Das Sozialgericht teilt zunächst die Auffassung des Jobcenters

Die Richter*innen verweisen ebenfalls darauf, dass eine Aufforderung zur Kostensenkung nach ständiger Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit kein Verwaltungsakt sei. Der Widerspruch des Klägers sei also unzulässig gewesen.
 

Entscheidung des Bundessozialgerichts bringt die Wende

Danach kann der Kläger bereits nach Erhalt des Aufforderungsschreibens bei Gericht die Feststellung verlangen, dass er nicht zu einer Kostensenkung verpflichtet ist, wenn

  • die Auseinandersetzung über die Kostensenkung beendet ist
  • das Jobcenter an seiner Aufforderung festhält
  • die die Kostensenkung unzumutbar oder unmöglich ist

und

  • der Streit durch die Feststellung vollständig bereinigt ist.

 
Da diese Voraussetzungen im Falle des Klägers erfüllt waren, musste das Sozialgericht Reutlingen seine Auffassung revidieren und den Widerspruch für zulässig erklären.
Anschließend hat es entschieden, dass die angemessenen Kosten für die Unterkunft nicht  - wie vom Jobcenter behauptet  - 394 €, sondern tatsächlich 449,10 € betragen.

Hier geht es zum Urteil

Das sagen wir dazu:

Die Entscheidung des Sozialgerichtes Reutlingen ist zu begrüßen. Der knappe Regelbedarf von derzeit 432 € erlaubt es nicht, die Differenz zwischen angeblich angemessener und tatsächlicher Miete bzw. Nebenkosten aufzubringen. Wenn das Jobcenter sie zur Kostensenkung auffordert, müssen Betroffene deshalb den Verlust ihrer Unterkunft fürchten. Mit allen emotionalen und sozialen Folgen, die dies hat.
Deshalb ist es mehr als gerechtfertigt, dass bereits gegen die Aufforderung zur Kostensenkung Widerspruch und Klage möglich sind. Und Betroffene nicht abwarten müssen, bis das Jobcenter per Bescheid die geringeren Unterkunftskosten festsetzt.
Besonders krass ist ein solcher Fall, wenn das Jobcenter dazu auffordert, das Haus zu verkaufen. Folgen Betroffene dieser Aufforderung, ist das Jobcenter zufrieden. Dadurch, dass sie zunächst von dem Erlös leben müssen, bekommen sie keine neuen Leistungsbescheid mehr. Deshalb können sie nicht mehr feststellen lassen, ob die Aufforderung zur Kostensenkung rechtmäßig war. Dem hat das Bundessozialgericht mit seiner Entscheidung zurecht einen Riegel vorgeschoben.