Sozialgericht: Kein Anspruch auf Insolvenzgeld wenn von Beginn der Tätigkeit an Zahlungsunfähigkeit besteht. Copyright by Elnur /fotolia
Sozialgericht: Kein Anspruch auf Insolvenzgeld wenn von Beginn der Tätigkeit an Zahlungsunfähigkeit besteht. Copyright by Elnur /fotolia

Der Kläger schloss mit der A. GmbH & Co. KG zum 1. Mai 2016 einen Arbeitsvertrag für eine Tätigkeit als „Regional Sales Director“ im Home-Office. Vereinbart war eine monatliche Vergütung von monatlich 6.000 Euro brutto zuzüglich 10 Prozent Umsatzprovision sowie ein 13. und 14. Monatsgehalt. Zu keiner Zeit erhielt er die ihm zugesagte Vergütung.

Vorbestrafte Kommanditistin

Auch Firmenwagen, Laptop und Smartphone wurden ihm trotz entsprechender Zusage nicht  zur Verfügung gestellt.
 
Bereits wenige Wochen nach Abschluss des Arbeitsvertrags wurde der Geschäftsbetrieb zur Mitte des Jahres 2016 eingestellt. Zu verteilendes Vermögen war nicht vorhanden.
 
Die Kommanditistin der A. GmbH & Co. KG war die wegen Betrugs vorbestrafte L. Der Unternehmenssitz befand sich in deren Privatwohnung. Über eigene Firmenräume verfügte die A. GmbH & Co. KG nicht. Die von ihr eingestellten Arbeitnehmer*innen arbeiteten jeweils von ihren privaten PCs aus.
 

Antrag auf Insolvenzgeld erfolglos

Nach Einstellung des Geschäftsbetriebs beantragte der Kläger bei der Bundesagentur (BA) für Arbeit Insolvenzgeld. Diesen Antrag lehnte die BA ab. Vorausgegangen war dieser Entscheidung eine Mitteilung der L., wonach nicht beabsichtigt sei in Insolvenz zu gehen. Begründet wurde dies damit, dass die Freigabe von Geldern eines ausländischen Investors erhalten habe und diese in Kürze transferiert sein würden.

Der gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid gerichtete Klage beim Sozialgericht (SG) Heilbronn war kein Erfolg beschieden. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass die Gewährung von Insolvenzgeld nur die Nichterfüllung der Zahlungspflicht eines Arbeitgebers absichere, wenn er in Vermögensverfall geraten ist.

Die Gewährung von Insolvenzgeld komme jedoch dann nicht in Betracht, wenn ein Arbeitgeber bereits zu Beginn einer etwaigen betrieblichen Tätigkeit zahlungsunfähig oder überschuldet war. Dies aber treffe hier zu.

 

Angeblich erwartete Investitionen blieben aus

Die A. GmbH & Co. KG sei von der Kommanditistin lediglich in der Hoffnung gegründet worden, das Unternehmen mittels erwarteter Investitionen eines vermeintlichen Prinzen von Benin betreiben zu können.

Dieser habe ihr während eines Besuchs in Benin eine Finanzierung über 2,5 Milliarden US-Dollar in Aussicht gestellt und zum Anschub des Geschäfts Geldbeträge gefordert, die die Kommanditistin über Anlagegeschäfte mit nicht eingelösten Renditeversprechen zwischen 175 und 500 Prozent beschafft habe.

Eine eigentliche Geschäftstätigkeit außer dem Versuch, die erforderlichen Gelder zu beschaffen, um an die Investitionen des vermeintlichen Prinzen zu gelangen, sei jedoch nie erfolgt.

Anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass an einzelne Arbeitnehmer im Februar 2016 Löhne gezahlt worden seien. Denn diese seien lediglich aufgrund eines Darlehens in Höhe von 115.000 Euro erfolgt, welches die Kommanditistin aufgenommen habe, ohne über erforderliches Vermögen oder hinreichende Erträge zur Begleichung der Verbindlichkeiten zu verfügen.

Klagen weiterer Betroffener bei verschiedenen Sozialgerichten anhängig

Die Entscheidung des SG ist noch nicht rechtskräftig. Laut Mitteilung der Bundesagentur für Arbeit haben insgesamt 13 ehemalige Arbeitnehmer der A. GmbH & Co. KG Insolvenzgeld beantragt, wovon fünf Betroffene bei verschiedenen Sozialgerichten Klage erhoben haben. Über den weiteren Verlauf werden wir berichten.
 
Hier finden Sie die Pressemitteilung des Sozialgerichts Heilbronn vom 13.11.2018:

Das sagen wir dazu:

Die Entscheidung des SG Heilbronn sollte den Kläger veranlassen, diese in der Berufungsinstanz überprüfen zu lassen. Denn, soweit dies der Pressemitteilung des SG zu entnehmen ist, schlossen er und weitere Arbeitnehmer*innen unter falschen Voraussetzungen Arbeitsverträge ab.

Wie sollen Arbeitnehmer*innen innerhalb weniger Beschäftigungswochen erkennen, dass (angeblich) zugesagte Investitionen nie fließen werden und es somit früher oder später zu einer Einstellung des Geschäftsbetriebs kommen wird?

Als Insolvenzereignis gilt auch die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.

Nach Auffassung des Autors wäre eine Entscheidung zu Gunsten des Klägers und weiterer Betroffener dann möglich gewesen, wenn das SG die Einstellung des Geschäftsbetriebs zur Mitte des Jahres 2016 als vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit bewertet hätte.

Rechtliche Grundlagen

Auszug aus § 165 Sozialgesetzbuch III

Auszug § 165 SGB III Anspruch
(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Als Insolvenzereignis gilt
1.
die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers,
2.
die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder
3.
die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.

Auch bei einem ausländischen Insolvenzereignis haben im Inland beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Anspruch auf Insolvenzgeld.