Die Härtefallberechnung beim Arbeitslosengeld erfolgt nur auf Antrag
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Die Härtefallberechnung beim Arbeitslosengeld erfolgt nur auf Antrag © Adobe Stock - Von blende11.photo

Bei Neumann, der kein unterhaltspflichtiges Kind hat, liegt der Satz für das Arbeitslosengeld bei 60 %. Dazu ermittelt die Agentur für Arbeit das vor der Arbeitslosigkeit durchschnittlich erzielte Bruttoentgelt. Das ist der Bemessungsrahmen nach § 150 SGB III, der ein Jahr umfasst. Von diesem durchschnittlichen Bruttoentgelt errechnet die Arbeitsagentur dann nach Tabellen, die z.B. die Steuerklasse berücksichtigen, mit pauschalen Beträgen für Sozialversicherung quasi einen Nettoverdienst. Von dem erhält Neumann dann 60 % als Arbeitslosengeld.

 

Abrechnung in der Transfergesellschaft

 

In der Transfergesellschaft sollten die betroffenen Arbeitnehmer*innen 80 % ihres bisherigen Nettolohns erhalten. Dafür wurde der Transfergesellschaft vom vorherigen Arbeitgeber ein Wert für das durchschnittliche Bruttoentgelt genannt. Bei Neumann war das der Grundlohn und eine Leistungszulage. Das ist das sogenannte Sollentgelt. Davon wurde ein Netto ermittelt, wovon Neumann 80 % bekam, zusammengesetzt aus dem Transferkurzarbeitergeld und aufstockender Leistung des Arbeitgebers.

 

Bescheid der Arbeitsagentur über Arbeitslosengeld

 

Neumann vermutete, die Arbeitsagentur habe das Arbeitslosengeld nach dem reduzierten Betrag berechnet. Die im Widerspruchsverfahren erfolgte Akteneinsicht zeigte jedoch, dass die Agentur für die 12 Monate jeweils richtigerweise das Sollentgelt berücksichtigt hat. Das so ermittelte Brutto wird durch 365 Tage geteilt. Bei Neumann liegt so das tägliche Bruttobemessungsentgelt bei 100 €.

 

Neumann findet das ungerecht, weil er im Jahr vor dem Wechsel in die Transfergesellschaft so viel verdient habe. Er legt hier die kompletten Lohnabrechnungen vor und tatsächlich finden sich neben dem Grundlohn und der Leistungszulage zusätzliches Urlaubsgeld, tarifliche zusätzliche Leistungen und Weihnachtsgeld. Da kamen ein paar Tausend Euro zusammen. Die gezahlte Coronaprämie zählt nicht, da sie netto gezahlt wurde und bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes nur die Beträge eine Rolle spielen, für die auch Beiträge zur Sozialversicherung gezahlt wurden.

 

Härtefallantrag auf zweijährigen Bemessungsrahmen

 

Da die Berechnung grundsätzlich richtig war, wird der Widerspruch zurückgenommen. Neumann stellt einen Antrag darauf, dass das Arbeitslosengeld nach dem zweijährigen Bemessungsrahmen ermittelt wird.

 

Nach § 150 Absatz 3 SGB III wird der Bemessungsrahmen unter anderem dann auf zwei Jahre erweitert, wenn es mit Rücksicht auf das Bemessungsentgelt im erweiterten Bemessungsrahmen unbillig hart wäre, von dem Bemessungsentgelt im Bemessungszeitraum auszugehen.

 

Arbeitsagentur gibt dem Antrag statt

 

Die Agentur für Arbeit muss dem Antrag stattgeben, wenn eine unbillige Härte vorliegt. Das ist der Fall, wenn das Bemessungsentgelt aus dem erweiterten Bemessungsrahmen das um 10% erhöhte Bemessungsentgelt aus der einjährigen Bemessung übersteigt.

Das hört sich komplizierter an, als es ist. Die bisherige Berechnung wird auch für das Vorjahr gemacht und die Beträge addiert. Bei Neumann waren es 130 € für das Vorjahr plus 100 € = 230 € : 2 = Durchschnitt 115 €. Die Abweichung wird berücksichtigt, wenn der Betrag der zwei Jahre (115 €) den Betrag von einem Jahr (100 €) um 10 % übersteigt. Also beträgt die Grenze 110 €. Die wird durch die 115 € überstiegen und somit berechnet die Agentur das Arbeitslosengeld jetzt neu.

Das sagen wir dazu:

Achtung, diese Härtefallberechnung erfolgt nur auf Antrag.

 

Auch, wenn bei Neumann jetzt neu berechnet wird, wirkt sich durch die Art der Berechnung der höhere Verdienst nur zur Hälfte aus. Da Neumann aber wohl länger arbeitslos sein wird, zählt natürlich jeder Euro.

Rechtliche Grundlagen

§ 150 SGB III Bemessungszeitraum und Bemessungsrahmen

(1) Der Bemessungszeitraum umfasst die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs.
(2) [...]
(3) Der Bemessungsrahmen wird auf zwei Jahre erweitert, wenn
1.
der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält,
2.
in den Fällen des § 142 Absatz 2 der Bemessungszeitraum weniger als 90 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält oder
3.
es mit Rücksicht auf das Bemessungsentgelt im erweiterten Bemessungsrahmen unbillig hart wäre, von dem Bemessungsentgelt im Bemessungszeitraum auszugehen.
Satz 1 Nummer 3 ist nur anzuwenden, wenn die oder der Arbeitslose dies verlangt und die zur Bemessung erforderlichen Unterlagen vorlegt.