

Bei einer Sperrzeit ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Regel drei Monate. In dieser Zeit zahlt die Arbeitsagentur nichts. Unser Büro in Karlsruhe hat einen Kläger vertreten, bei dem die Agentur eine solche Sperrzeit verhängt hatte. Was war passiert?
Der Kläger war bei seinem Arbeitgeber fast 20 Jahre beschäftigt. Im April 2016 schloss er einen Aufhebungsvertrag. Er beendete das Arbeitsverhältnis zum Ablauf des Monats Januar 2018, also fast zwei Jahre später. Für den Verlust des Arbeitsplatzes sollte ihm der Arbeitgeber eine hohe Abfindung zahlen.
Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Veranlassung des Arbeitgebers
Der Kläger meldete sich daraufhin arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld ab Februar 2018. Gegenüber der Agentur für Arbeit gab er an, das Arbeitsverhältnis habe auf Veranlassung der Firma aus betriebsbedingten Gründen geendet. Mit dem Abschluss des Aufhebungsvertrages sei eine Entlassung vermieden worden. Seine gesamte Abteilung habe zum Ablauf des Jahres 2017 geschlossen bzw. verlagert werden sollen. Andere Möglichkeiten der Weiterbeschäftigung hätten nicht bestanden. Auch ohne den Aufhebungsvertrag wäre sein Arbeitsverhältnis schon zum Ende des Jahres 2018 gekündigt worden.
Agentur für Arbeit verhängt Sperrzeit von 12 Wochen
Die Agentur für Arbeit verhängte daraufhin eine Sperrzeit von zwölf Wochen. Der Kläger habe sein Beschäftigungsverhältnis durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages selbst gelöst. Damit habe er den Eintritt der Arbeitslosigkeit voraussehen müssen. Das Arbeitsverhältnis hätte ohne diesen Aufhebungsvertrag auch nicht schon im Januar 2018 geendet.
Die Agentur für Arbeit verwies auf eine Arbeitgeberauskunft. Diese Auskunft enthalte als voraussichtlichen Kündigungstermin erst Ende 2018.
Mit der Sperrzeit war der Kläger nicht einverstanden. Die Juristen*innen der DGB Rechtsschutz GmbH beschritten daher gemeinsam mit ihm den weiteren Rechtsweg. Das Sozialgericht gab seiner Klage zum Teil statt. Die Sperrzeit wurde von 12 auf sechs Wochen herabgesetzt.
Kläger hatte Arbeitslosigkeit grob fahrlässig herbei geführt
Das Sozialgericht führt aus, der Kläger habe sein Arbeitsverhältnis gelöst, ohne konkrete Aussichten auf einen Anschlussarbeitsplatz gehabt zu haben. Er habe damit seine Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt.
Das führe lediglich dann nicht zu einer Sperrzeit, wenn ein wichtiger Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnis vorgelegen habe. Einen solchen wichtigen Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses sieht das Sozialgericht jedoch nicht.
Es führt dazu aus, ob ein wichtiger Grund vorliege, müsse unter Berücksichtigung des Ziels der gesetzlichen Sperrzeitregelung entschieden werden.
Versichertengemeinschaft darf sich gegen Risikofälle wehren
Die Versichertengemeinschaft solle sich nämlich gegen Risikofälle wehren dürfen, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten habe, so das Sozialgericht. Eine Sperrzeit trete deshalb ein, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zumutbar gewesen sei.
Gebe ein Beschäftigter sein Arbeitsverhältnis auf, sei ein wichtiger Grund nur dann gegeben, wenn eine Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr zumutbar erscheine. Dies dürfe jedoch nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Arbeitslosen beurteilt werden. Ein wichtiger Grund im Sinne des Sperrzeitrechts müsse objektiv gegeben sein.
Zeitpunkt des Aufhebungsvertrages ist von besonderer Bedeutung
Ein Aufhebungsvertrag sei nicht zu beanstanden, wenn der Arbeitgeber ohnehin zum selben Zeitpunkt gekündigt hätte und diese Kündigung des Arbeitgebers nicht zu einer Sperrzeit führen würde. Ein wichtiger Grund zur Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag bestehe also nur, wenn dem Arbeitnehmer andernfalls objektiv rechtmäßig zum selben Zeitpunkt gekündigt worden wäre.
Der wichtige Grund müsse sich nicht nur auf die Beendigung überhaupt oder auf die Art der Beendigung beziehen. Vielmehr müsse auch die Wahl des Zeitpunktes für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses davon umfasst sein.
Aufhebungsvertrag bei Kündigungsandrohung nicht zu beanstanden
Außerdem müsse ein Arbeitgeber auch hinreichend konkret eine Kündigung angedroht haben. Stehe eine hypothetische, betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung im Raum, komme es darauf an, ob die rechtlichen Voraussetzungen dafür tatsächlich gegeben seien. Diese rechtlichen Voraussetzungen umfassten die dringenden betrieblichen Gründe, die der Weiterbeschäftigung entgegenstünden. Es seien aber auch soziale Gesichtspunkte im Rahmen einer Sozialauswahl oder die Frage der weiteren Beschäftigungsmöglichkeiten von Bedeutung.
Diese Voraussetzungen sah das Sozialgericht im vorliegenden Falle nicht als erfüllt an. Zwar sei die Abteilung des Klägers geschlossen worden. Der Betriebsrat habe auch mit dem Arbeitgeber einen Personalabbau vereinbart.
Einsparungen durch freiwillige Austritte beabsichtigt
Die Betriebsparteien zielten mit ihrer Vereinbarung auf freiwilliger Austritte. Im Mai 2017 sollte das Volumen dieser freiwilligen Austritte festgesetzt werden. Im April 2016 sei es jedoch noch nicht so weit gewesen. Das Volumen der freiwilligen Austritte habe da noch nicht festgestanden.
Als der Aufhebungsvertrag geschlossen worden ist, konnte der Kläger noch gar nicht sicher mit einer Kündigung gerechnet haben. Im April 2016 sei nämlich noch überhaupt nicht geklärt gewesen, ob eine betriebsbedingte Kündigung des Klägers überhaupt erforderlich geworden wäre. Der Arbeitgeber hätte das Einsparvolumen möglicherweise auch auf andere Weise erreichen können.
Kläger hätte abwarten müssen
Das Gericht nahm eine Gesamtwürdigung der vorliegenden Erkenntnisse vor. Es kam dabei zum Ergebnis, der Kläger habe mit seinem Aufhebungsvertrag nicht abgewartet, ob die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der bevorstehenden Schließung seiner Abteilung überhaupt wirklich erfolgt wäre.
Zu berücksichtigen seien dabei auch die hohen Voraussetzungen für eine rechtmäßige betriebsbedingte Kündigung des Klägers gewesen. Dieser habe immerhin schon sehr lange im Betrieb gearbeitet. Im Rahmen einer Sozialauswahl hätte man dies berücksichtigen müssen. Zudem sei grundsätzliche Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Kündigung der dauerhafte Wegfall des Beschäftigungsbedarfs. Daneben müsse es an der Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz fehlen.
Hier sah das Gericht erhebliche Bedenken. Die Sozialauswahl habe nicht unbedingt zum Nachteil des Klägers ausfallen müssen. Darüber hinaus sah das Gericht zum Zeitpunkt des Aufhebungsvertrages noch keine konkrete Entscheidung des Arbeitgebers in Bezug auf den Wegfall des Beschäftigungsverhältnisses des Klägers. Nur dann wäre jedoch eine betriebsbedingte Kündigung zu diesem Zeitpunkt möglich gewesen.
Abwarten stellt kein unzumutbares Risiko dar
Das Gericht sah für den Kläger noch kein unzumutbares Risiko, erst einmal weiter abzuwarten.
Darüber hinaus habe der Kläger eine Abfindungszahlung vereinbart. Zwar könne das Interesse am Erhalt einer Abfindung für sich alleine noch kein wichtiger Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sein. Jedoch schließe umgekehrt eine Abfindung das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses nicht aus.
Es sei durchaus schützenswert, wenn ein Beschäftigter einen Aufhebungsvertrag schließe, um eine Abfindung zu bekommen, wenn sein Arbeitsverhältnis ohnehin beendet werden solle.
Gericht erkennt besondere Härte an
Allerdings hielt das Gericht auch das Vorgehen der Agentur für Arbeit für rechtsfehlerhaft. Infolgedessen wurde die Sperrzeit von zwölf auf sechs Wochen verkürzt. Eine solche Verkürzung komme in Betracht, so das Sozialgericht, wenn eine zwölfwöchige Sperrzeit für die arbeitslose Person eine besondere Härte bedeute.
Eine besondere Härte liege vor, wenn nach den Gesamtumständen im Einzelfall die Regeldauer von zwölf Wochen objektiv unverhältnismäßig erschienen.
Eine Härte könne aus verschiedensten Gründen in Betracht kommen. Dem Kläger sei bereits ab Mitte 2015 vermittelt worden, dass eine Schließung seiner Abteilung beabsichtigt sei. Es wurde darüber hinaus darauf verwiesen, dass nach und nach verschiedene Austrittsmodelle vereinbart würden.
Es erscheine daher nachvollziehbar, dass der Kläger sich bereits beim Abschluss des Aufhebungsvertrages in einer für ihn sehr belastenden Situation befunden habe. Er persönlich sei von einer nicht mehr zu verhindernden Kündigung ausgegangen. Dass seine Abteilung im Dezember 2017 tatsächlich geschlossen worden sei, lasse für den Kläger die Regelsperrzeit von zwölf Wochen als besonders hart erscheinen.
Das Gericht setzte aufgrund dessen eine Sperrzeit von nur sechs Wochen fest.
Das sagen wir dazu:
Eigenkündigungen und Aufhebungsverträge führen regelmäßig zu Sperrzeiten. Es ist jedoch nicht selten so, dass Arbeitnehmer durch ihren Arbeitgeber so stark unter Druck gesetzt werden, dass sie meinen, einen Aufhebungsvertrag unterschreiben zu müssen. Dies gilt insbesondere dann, wenn auch noch Abfindungszahlungen in Aussicht gestellt werden.
Sofern ein Arbeitnehmer bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in irgendeiner Weise mitwirkt, setzen die zuständigen Agenturen für Arbeit regelmäßig Sperrzeiten fest. Wie dieser Fall zeigt, lohnt es sich jedoch, hiergegen anzugehen. Wenn die Drucksituation nachweisbar ist, kommt die Anerkennung einer besonderen Härte in Betracht. Statt zwölf Wochen beträgt die Sperrzeit dann nur sechs Wochen.
Das sagen wir dazu