Die am 1.1.1953 geborene Klägerin hatte mit ihrem Arbeitgeber einen Altersteilzeitvertrag geschlossen. Dieser sah eine Altersteilzeitarbeit im Blockmodell vor mit einer Arbeitsphase bis Ende November 2012 und einer Freistellungsphase bis Ende November 2015.
Planänderung wegen „Rente mit 63“
Wegen der im Juli 2014 eingeführten Rente für besonders langjährig Versicherte („Rente mit 63“) bot sich für die Klägerin die Möglichkeit, zu März 2016 ohne Abschläge in Rente zu gehen. Deshalb verwarf sie ihren ursprünglichen Plan, ab Dezember 2015 eine vorzeitige Altersrente mit Abschlägen in Anspruch zu nehmen.
Als die Klägerin sich zu Dezember 2015 arbeitslos meldete, verhängte die Arbeitsagentur eine Sperrzeit von zwölf Wochen. Ab März 2016 bezieht die Klägerin Altersrente für besonders langjährig Versicherte.
Landessozialgericht reduzierte Sperrzeit wegen besonderer Härte
In erster Instanz war die Klägerin mit ihrer Klage gegen die Sperrzeit erfolglos und ging in Berufung.
Das Landessozialgericht Stuttgart erkannte einen wichtigen Grund an, da die Klägerin beabsichtigt hatte, nach Ende der Altersteilzeit in Altersrente zu gehen. Es sah dann aber diesen wichtigen Grund als weggefallen an, indem die Klägerin ihre Pläne änderte. Allerdings stellten die Richter eine besondere Härte fest und reduzierten die Sperrzeit auf sechs Wochen.
Dagegen wandte sich die Agentur für Arbeit mit der Revision beim Bundessozialgericht.
Bundessozialgericht: Sperrzeit nicht gerechtfertigt
In dritter und letzter Instanz konnte die Klägerin nun die Sperrzeit ganz „vom Tisch kriegen“. Es steht ihr damit Arbeitslosengeld zu für die vollen drei Monate zwischen Ende der Altersteilzeit und dem Rentenbeginn.
Das Verhalten der Klägerin rechtfertige den Eintritt einer Sperrzeit nicht, entschieden die Richter beim Bundessozialgericht. Die Klägerin habe ihr Beschäftigungsverhältnis zwar durch die Altersteilzeitvereinbarung zum 1. Dezember 2015 aufgelöst und sei so beschäftigungslos geworden.
Aber dafür habe sie einen wichtigen Grund gehabt. Ein solcher wird anerkannt, wenn bei Abschluss der Vereinbarung beabsichtigt ist, nahtlos von der Altersteilzeit in den Rentenbezug zu wechseln und eine solche Prognose gerechtfertigt ist.
Das war bei der Klägerin der Fall.
Hier wird es besonders interessant: Denn einige Gerichte hatten zwar einen wichtigen Grund anerkannt, dieser sei aber wegen der Planänderung nachträglich entfallen.
Wichtiger Grund entfällt nicht nachträglich
Dem tritt das Bundessozialgericht entgegen. Dass die Klägerin von ihren ursprünglichen Plänen Abstand nahm, weil sich für sie die Möglichkeit ergab, drei Monate später eine abschlagsfreie Altersrente zu beziehen, sei für die Beurteilung des wichtigen Grundes unerheblich.
Der wichtige Grund sei nicht deshalb entfallen, weil die Klägerin entgegen ihrer ursprünglichen Absicht keine Altersrente mit Abschlägen beantragt hat. Das begründete das Bundessozialgericht damit, dass „das Vorliegen eines wichtigen Grundes inhaltlich und auch zeitlich allein bezogen auf den das Beschäftigungsverhältnis auflösenden Akt zu prüfen ist“.
Positive Auswirkungen der Entscheidungen auf andere Verfahren
Damit ist eine Rechtsfrage geklärt, die die Sozial- und Landessozialgerichte in den letzten Jahren vielfach beschäftigt haben. Es ist richtig und wichtig, dass das BSG diese Rechtsfrage zugunsten Derer entschieden hat, die verständlicherweise wegen der neuen Rentenart ihre Altersrente um einige Monate verschoben haben.
Es sind noch zwei weitere Verfahren beim 11. Senat des Bundesozialgerichts anhängig. Diese werden aber - wenn es überhaupt noch in einer Entscheidung in der Sache kommen wird - nicht anders ausgehen können.
Der DGB Rechtsschutz hat auch einige gleichgelagerte Verfahren geführt, darunter auch eines bis zum Bundessozialgericht.
In einem Rechtstreit hatte das Sozialgericht Detmold eine Sperrzeit aufgehoben.
Die Agentur für Arbeit war in Berufung gegangen und das Landessozialgericht Essen hatte ein Ruhen angeordnet, im Hinblick auf die beim Bundessozialgericht anhängigen Verfahren.
Auch diese Sache wird nun ein gutes Ende für den Rentner nehmen.
Hier geht`s zur Pressemitteilung des Bundessozialgerichts vom 12.09.2017 zum Urteil vom 12.09.2017, B 11 AL 25/16 R
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Rechtliche Grundlagen
§ 159 Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - Ruhen bei Sperrzeit
§ 159 Ruhen bei Sperrzeit
(1) Hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit. 2Versicherungswidriges Verhalten liegt vor, wenn
1. die oder der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe),
[...]
(3) 1Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe beträgt zwölf Wochen. 2Sie verkürzt sich
1. auf drei Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohne eine Sperrzeit geendet hätte,
2. auf sechs Wochen, wenn
a) das Arbeitsverhältnis innerhalb von zwölf Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohne eine Sperrzeit geendet hätte oder
b) eine Sperrzeit von zwölf Wochen für die arbeitslose Person nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten würde.