

Streitgegenstand des Verfahrens sind vom Jobcenter verhängte Sanktionen wegen fehlender Eigenbemühungen. Der Kläger hatte in drei streitigen Zeiträumen jeweils nicht zehn Bewerbungsversuche nachgewiesen. Dazu hatte er sich in einer mit dem Jobcenter geschlossenen Eingliederungsvereinbarung verpflichtet.
Das Jobcenter hatte daraufhin das Arbeitslosengeld II jeweils, also in allen drei Zeitabschnitten, für zwei volle Monate nicht gezahlt. Es handelte sich also um 100%-Sanktionen.
Kläger war in allen Instanzen erfolgreich
Der Hartz-IV-Empfänger wehrte sich erfolgreich. Das Sozialgericht Kassel gab der Klage statt und verpflichtete das Jobcenter zur Aufhebung der Sanktionen und zur Nachzahlung der Leistungen. Mit der gegen dieses Urteil eingelegten Berufung scheitere das Jobcenter beim hessischen Landessozialgericht. Das letzte Wort hatte nun das Bundessozialgericht (BSG), das die vom Jobcenter eingelegte Revision zurückwies.
Auch das BSG hält die Sanktionen des Jobcenters in diesem Fall für rechtswidrig. Dies schon deshalb, da der Kläger durch die Eingliederungsvereinbarungen nicht zu Bewerbungsbemühungen verpflichtet war. Denn die Eingliederungsvereinbarung als öffentlich-rechtlicher Vertrag, auf die die Sanktion fußt, sei nichtig. Zu diesem Schluss kommt das BSG, wie auch die Vorinstanzen, mit einem genauen Blick auf den Regelungsinhalt. Hier war es so, dass das Jobcenter in der Eingliederungsvereinbarung Unterstützungsleistungen zur Beschäftigungsaufnahme anbot. Dies wurde aber nicht weiter konkretisiert, vor allem nicht geregelt, dass dem Kläger durch das Jobcenter die Bewerbungskosten zu erstatten sind.
Eingliederungsvereinbarung nicht ausgeglichen und damit nichtig
Was die Vereinbarung aber regelte, war eine Verpflichtung des Klägers sich zu bewerben und dies dem Jobcenter nachzuweisen. Für den Fall, dass dies nicht im festgeschriebenen Umfange erfolgen sollte, waren Sanktionen als Folge geregelt. Das BSG wertete dies so, dass sich das Jobcenter vom Kläger unzulässige Gegenleistungen versprechen lassen hat. Die Eingliederungsvereinbarung sei deshalb insgesamt nichtig.
Das BSG stellte dabei die (sanktionsbewehrten) Verpflichtungen des Klägers zu den in den Vereinbarungen bestimmten Bewerbungsbemühungen den vom Jobcenter übernommenen Leistungsverpflichtungen zur Eingliederung in Arbeit gegenüber. Ergebnis war ein unangemessenes Verhältnis.
Unterstützungsleistungen nicht konkret, verbindlich und für den Einzelfall
Zu dem Ergebnis kam das BSG, weil die Unterstützungsleistungen für die Bewerbungsbemühungen des Klägers die Übernahme von Bewerbungskosten nicht umfasste und weder konkret noch verbindlich für den Einzelfall gestaltet waren.
Das Jobcenter hatte sich darauf berufen, dass die Erstattung von Bewerbungskosten gesetzlich geregelt ist. Deshalb sei es unschädlich, wenn die Übernahme von Kosten nicht Teil der Eingliederungsvereinbarung sei. Das sah das BSG anders. Die gesetzliche Regelung zur Kostenerstattung führe nicht dazu, dass die Eingliederungsvereinbarungen ein ausgewogenes Verhältnis der wechselseitigen Verpflichtungen von Kläger und Jobcenter aufweisen.
Ergebnis: Die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 SGB II für eine Leistungsabsenkung nach § 31a SGB II lagen nicht vor. Der Kläger hat nicht in vorwerfbarer Weise Pflichten aus der Eingliederungsvereinbarung verletzt.
Im Klartext: Es fehlt schon die Verpflichtung des Klägers zu Bewerbungsbemühungen und damit die Grundlage für die streitigen Sanktionen.
Anmerkung der Redaktionen:
Beruhigend, dass sich das Bundessozialgericht hier den Vorinstanzen angeschlossen hat. Wir sind grundsätzlich gegen die Sanktionen beim Arbeitslosengeld II, weil das Existenzminimum keinen Raum für Kürzungen lässt. Doch wenn es solche Kürzungen geben soll, dann doch wenigstens nur, wenn die Eingliederungsvereinbarungen vernünftig und angemessen sind. Erfreulicherweise sehen die Gerichte hier ein „normales“ Austauschverhältnis von Leistung und Gegenleistung wie im sonstigen Rechtsverkehr auch. Wer zehn Bewerbungen pro Monat schreiben und nachweisen soll, muss dazu natürlich auch die finanziellen Mittel bekommen und wissen, was er in welchem Umfang von wem erstattet bekommt.
Woran das BSG die Nichtigkeit der Eingliederungsvereinbarung ganz konkret festmacht, wird erst den Entscheidungsgründen aus dem Urteil zu entnehmen sein. Zurzeit liegt nur die Pressemitteilung vor.
Im Rechtstipp ist der Text der Eingliederungsvereinbarung aus diesem Verfahren auszugsweise nachzulesen. Im Falle einer Sanktion lohnt es sich, die Vereinbarung mal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Die Pressemitteilung des Bundessozialgerichts vom 23. Juni 2016 kann hier nachgelesen werden.