Nach der Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes in Anspruch genommene Elternzeit besteht keine Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversich
Nach der Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes in Anspruch genommene Elternzeit besteht keine Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversich

Eltern haben einen Anspruch auf Übertragung eines Teils der Elternzeit über das dritte Lebensjahr ihres Kindes hinaus. Allerdings besteht nach Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes keine Versicherungspflicht mehr in der Arbeitslosenversicherung nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III).

Nach der Entscheidung des Ersten Senats des Landessozialgerichts (LSG) Rheinland-Pfalz vom 30.08.2016 kann es dann zu einem Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld kommen, wenn die nach dem dritten Lebensjahr des Kindes in Anspruch genommene Elternzeit mehr als 12 Monate beträgt.

Bereits das Bundessozialgericht und das Bundesverfassungsgericht haben einen eingeschränkten Versicherungsschutz in der Arbeitslosenversicherung als verfassungskonform gewertet.

Nach der Geburt ihres ersten als auch nach der Geburt ihres zweiten Kindes hat die Klägerin jeweils ein Jahr der Elternzeit auf die Zeit nach Vollendung des dritten Lebensjahres ihrer Kinder übertragen und insgesamt ca. 14,5 Monate Elternzeit nach Vollendung des dritten Lebensjahres ihres jüngsten Kindes in Anspruch genommen.

Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch arbeitsgerichtlichen Vergleich verhindert Anspruch auf Arbeitslosengeld

Weil die Klägerin im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Vergleichs der Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses zugestimmt hatte, war sie unmittelbar nach Beendigung der übertragenen Elternzeit arbeitslos. Der Antrag auf Arbeitslosengeld wurde abgelehnt. Begründet wurde dies damit, dass sie während der ca. 14,5 Monate nicht in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig war. Sie erfüllte deshalb die für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld notwendige Mindestversicherungszeit nicht mehr.

Landessozialgericht bestätigt Sozialgericht und stellt überdies keinen Verstoß gegen europäisches Recht fest

Im Einklang mit dem Sozialgericht Mainz sei es nicht zu beanstanden, so die Richter*innen der Berufungsinstanz, dass die nach der Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes in Anspruch genommene Elternzeit keine Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung begründe. Auch liege darin liege kein Verstoß gegen europäisches Recht, etwa gegen die "Richtlinie 2010/18/EU des Rates vom 8. März 2010“. Der deutsche Gesetzgeber sei mit den nationalen Regelungen deutlich über die europäischen Mindestvorgaben hinausgegangen. Verlangt werde von den Mitgliedstaaten nur die Einräumung eines Anspruchs auf eine viermonatige Elternzeit. Nur in diesem Mindestumfang müsse der nationale Gesetzgeber auch das europarechtliche Verlangen nach sozialrechtlicher Kontinuität beachten, dürfe also den Eltern grundsätzlich nicht den Schutz durch eine Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung versagen. Die nationalen Regelungen schützten Arbeitnehmer auch deshalb hinreichend, weil diese während der Elternzeit einem Kündigungsschutz unterlägen. Die dem am 30. August 2016 entschiedenen Fall zu Grunde liegende Konstellation habe daher nur durch die Mitwirkung der Klägerin - durch Zustimmung zu der Aufhebung ihres Arbeitsverhältnisses in dem arbeitsgerichtlichen Vergleich - eintreten können.

Anmerkung: Fehlende Harmonisierung zwischen Sozial- und Arbeitsrecht

Wenn die nach dem dritten Lebensjahr des Kindes in Anspruch genommene Elternzeit mehr als 12 Monate beträgt, kann dies zu einem Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld führen.

Aus sozialrechtlicher Sicht ist die Entscheidung des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz nicht zu beanstanden.

Letztendlich ergibt sich die für die Klägerin missliche Situation daraus, dass arbeits- und sozialrechtliche gesetzliche Vorgaben nicht in der Weise harmonisiert sind, die ein solches Ergebnis ausschließen. Diesem Übelstand abhelfen kann nur der Gesetzgeber. Damit dürfte aber nach Einschätzung des Autors zeitnah nicht zu rechnen sein.

Im Zweifelsfall beraten lassen

Um nicht in die „Sozialrechtsfalle“ wie die Klägerin zu laufen, sollten „Elternzeitler“, die Mitglied einer der im DGB vereinigten Gewerkschaften sind, dann, wenn offene Fragen im Raum stehen, sich beraten lassen. Beratungen erfolgen durch entsprechend spezialisierte Gewerkschaftssekretäre*innen oder durch die bundesweit in 111 Büros der DGB Rechtsschutz GmbH tätigen Juristen*innen.

Hier geht es zur Pressemeldung 18/2016 des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz „Elternzeit nach dem dritten Lebensjahr des Kindes kann Arbeitslosengeldanspruch ausschließen“


Im Praxistipp: Zusammenfassung der Richtlinie 2010/18/EU des Rates vom 8. März 2010

Rechtliche Grundlagen

Zusammenfassung der Richtlinie 2010/18/EU des Rates vom 8. März 2010

Elternurlaub
ZUSAMMENFASSUNG DES DOKUMENTS:

Überarbeitete Rahmenvereinbarung mit Europäischen Sozialpartnern über den Elternurlaub - Richtlinie 2010/18/EU des Rates


WAS IST DER ZWECK DIESER RICHTLINIE?

Sie führt die überarbeitete Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub durch, die von den Europäischen Sozialpartnern am 18. Juni 2009 geschlossen wurde.

WICHTIGE ECKPUNKTE

Bei Geburt oder Adoption eines Kindes haben Arbeitnehmer Anspruch auf Elternurlaub. Dieser Urlaub kann wahrgenommen werden, bis das Kind ein bestimmtes Alter, das von den nationalen Rechtsvorschriften und/oder den Sozialpartnern festgelegt wird, erreicht hat, wobei das Höchstalter bei acht Jahren liegt.

Diese Richtlinie gilt gleichermaßen für alle weiblichen und männlichen Arbeitnehmer, unabhängig von der Art ihres Arbeitsverhältnisses (unbefristetes, befristetes Arbeitsverhältnis, Teilzeit oder Leiharbeit).
Der Elternurlaub wird als individuelles Recht beider Elternteile für eine Dauer von mindestens vier Monaten gewährt. Prinzipiell muss der gesamte Urlaub von einem Arbeitnehmer wahrgenommen werden und dürfte folglich nicht von einem Elternteil auf den anderen übertragbar sein. Die Übertragung kann allerdings unter der Voraussetzung genehmigt werden, dass jeder Elternteil mindestens einen der vier Monate selbst wahrnimmt, um den gleichberechtigten Anspruch auf Elternurlaub beider Elternteile zu ermöglichen. Die Richtlinie legt Mindestvorschriften fest, somit können die EU-Länder sie anwenden oder vorteilhaftere Bestimmungen einführen.

Inanspruchnahme des Elternurlaubs

Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Elternurlaubs werden von den nationalen Rechtsvorschriften und/oder Tarifverträgen festgelegt. So können die EU-Länder und/oder die Sozialpartner:
den Elternurlaub als Vollzeit- oder Teilzeiturlaub, in Teilen oder in Form von Zeitguthaben gewähren und dabei die Bedürfnisse der Arbeitgeber und Arbeitnehmer berücksichtigen;

das Recht auf Elternurlaub von einer Betriebszugehörigkeitsdauer bis zu einer Grenze von höchstens einem Jahr abhängig machen. Gegebenenfalls ist dieser Zeitraum unter Berücksichtigung aller aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträge mit demselben Arbeitgeber zu berechnen;

die Bedingungen festlegen, unter denen der Arbeitgeber aus berechtigten betrieblichen Gründen den Urlaub verschieben darf;

besondere Vorkehrungen gestatten, die den Arbeitsbetrieb kleiner Unternehmen sichern.


Arbeitnehmer, die den Elternurlaub in Anspruch nehmen wollen, müssen ihren Arbeitgeber innerhalb einer bestimmten Frist über ihre Absicht unterrichten. Diese Fristen werden in jedem Mitgliedstaat festgelegt, wobei die Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber berücksichtigt werden.

Die Richtlinie ermutigt die EU-Länder und/oder Sozialpartner festzulegen, welche zusätzlichen Maßnahmen und/oder besonderen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Elternurlaubs notwendig sind, um den Bedürfnissen von Adoptiveltern und von Eltern von Kindern mit einer Behinderung oder Langzeitkrankheit gerecht zu werden.

Rückkehr zum Arbeitsplatz und Nichtdiskriminierung
Nach Inanspruchnahme des Elternurlaubs hat der Arbeitnehmer das Recht, an seinen früheren Arbeitsplatz zurückzukehren. Ist dies nicht möglich, muss der Arbeitgeber diesem eine laut Arbeitsvertrag oder Beschäftigungsverhältnis gleichwertige oder ähnliche Arbeit anbieten.

Die Rechte, die der Arbeitnehmer zu Beginn des Elternurlaubs erworben hatte oder dabei war zu erwerben:
bleiben bis zum Ende des Elternurlaubs bestehen;

finden im Anschluss an den Elternurlaub Anwendung. Gleichermaßen finden alle Änderungen Anwendung, die sich aus den nationalen Rechtsvorschriften, Tarifverträgen und/oder Gepflogenheiten ergeben.


Außerdem sind die Arbeitnehmer gegen Benachteiligung oder Kündigung aufgrund der Beantragung oder Inanspruchnahme des Elternurlaubs geschützt.

Die EU-Länder und/oder Sozialpartner regeln alle sozialversicherungs- und einkommensrechtlichen Fragen, die mit dem Elternurlaub zusammenhängen. Die Vereinbarung macht also keine Vorschriften zu Gehaltszahlungen oder Ausgleichszahlungen während des Elternurlaubs.

Im Anschluss an den Elternurlaub müssen die Arbeitnehmer die Möglichkeit erhalten, Änderungen ihrer Arbeitszeiten und/oder ihres Arbeitsarrangements für eine bestimmte Dauer zu beantragen. Die Arbeitgeber prüfen die Anträge und beantworten diese unter Berücksichtigung ihrer eigenen Bedürfnisse und der der Arbeitnehmer.

Fernbleiben aus Gründen höherer Gewalt
Darüber hinaus können die Arbeitnehmer Urlaub im Fall höherer Gewalt wegen dringender familiärer Gründe beantragen. Dieser Urlaub kann insbesondere bei Krankheiten oder Unfällen beantragt werden, die die sofortige Anwesenheit des Arbeitnehmers bei seiner Familie erfordern.

WANN TRITT DIESE RICHTLINIE IN KRAFT?

Sie ist am 7. April 2010 in Kraft getreten und musste von den EU-Ländern bis zum 8. März 2012 in nationales Recht umgesetzt werden.