Mit Urteil vom 27. November 2015 hat der Elfte Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen entschieden, dass eine Kfz-Haftpflichtversicherung vom Einkommen eines Grundsicherungsempfängers auch dann abzuziehen ist, wenn dieser lediglich Halter und nicht Eigentümer des Fahrzeuges oder Versicherungsnehmer der Haftpflichtversicherung ist.

Dadurch ist das Einkommen des Grundsicherungsempfängers in geringerer Höhe auf seinen Arbeitslosengeld II-Anspruch anzurechnen, wodurch sich der Auszahlungsbetrag des Arbeitslosengelds II erhöht.

Jobcenter erkennt Beiträge für Kfz-Versicherung nicht an


Geklagt hatte eine Grundsicherungsempfängerin, die Kindergeld und ergänzend Arbeitslosengeld II erhielt. Das beklagte Jobcenter berücksichtigte das Kindergeld als Einkommen, wovon eine Versicherungspauschale von 30 Euro abgezogen wurde.

Der verbliebene Betrag wurde als Einkommen der Frau auf deren Arbeitslosengeld II-Anspruch angerechnet. Die Klägerin war mit dieser Berechnungsweise nicht einverstanden. Sie wollte zusätzlich die Beiträge für eine Kfz-Haftpflichtversicherung von dem Einkommen abziehen lassen, so dass auf den Grundsicherungsanspruch nur noch ein geringeres eigenes Einkommen angerechnet werden sollte.

Hierdurch würde sich der Arbeitslosengeld II-Anspruch erhöhen. Unstreitig sei das Kraftfahrzeug auf ihre Mutter zugelassen und diese sei auch Versicherungsnehmerin, aber sie selbst sei Eigentümerin des Fahrzeuges, nutze es allein und bezahle auch die Versicherungsbeiträge. Erstinstanzlich hatte die Klägerin keinen Erfolg. Mit Urteil vom 12. Juni 2013 wies das Sozialgericht Hannover die Klage ab.

Leistungsberechtigter muss nicht Eigentümer des Fahrzeuges sein


Unter Aufhebung der Entscheidung des Sozialgerichts führte das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in seiner Urteilsbegründung aus, dass über die Versicherungspauschale von 30 Euro monatlich hinaus die Beiträge für gesetzlich vorgeschriebene private Versicherungen wie eine Kfz-Haftpflichtversicherung gesondert vom Einkommen absetzbar sind.

Dafür, so die Richter*innen des Neunten Sentas sei es nicht erforderlich, dass der Leistungsberechtigte der Eigentümer des Fahrzeuges oder der Versicherungsnehmer der Kfz-Haftpflichtversicherung ist oder dass das Fahrzeug auf ihn zugelassen ist. Ausreichend sei allein, wenn der Versicherungsnehmer Halter des Kfz sei, er also das Fahrzeug tatsächlich selbst nutze und auch nachweisbar alle mit dem Betrieb des Fahrzeugs zusammenhängenden Kosten trage.

Ein Arbeitslosengeldempfänger dürfe ebenso wie jeder Andere die finanziellen Vorteile nutzen, die auftreten können, wenn der Halter eines Fahrzeugs nicht der Versicherungsnehmer ist.

Leistungsempfänger kann Vergünstigungen im Zusammenhang mit Haltereigenschaft in Anspruch nehmen


Unmissverständlich wies das Landessozialgericht darauf hin, dass die Auffassung des Jobcenters, wonach nur der Versicherungsnehmer die Beiträge der Kfz-Versicherung absetzen könne, keine Stütze im Gesetz findet.

Das SGB II billige grundsätzlich jedem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ein angemessenes Kfz ohne Notwendigkeitsprüfung zu, da dies der Förderung der Mobilität und damit der Erleichterung der Aufnahme einer Beschäftigung diene. Insoweit müsse es dem Leistungsempfänger auch möglich sein, die Vergünstigungen im Zusammenhang mit der Haltereigenschaft in Anspruch zu nehmen.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen.

Anmerkung:


Die Absetzung von Beiträgen für eine Kfz-Haftpflichtversicherung vom Einkommen des Leistungsberechtigten nach Maßgabe des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch II (alte Fassung), § 11 Abs.1 Satz 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch II (neue Fassung) setzt nicht voraus, dass der Leistungsberechtigte Versicherungsnehmer der für das maßgebliche Fahrzeug abgeschlossenen Kfz-Haftpflichtversicherung ist.

Es reicht daher aus, dass er Halter ist. Halter eines Fahrzeugs ist derjenige, dem das betreffende Fahrzeug nicht nur ganz vorübergehend zur eigenbestimmten Nutzung überlassen ist, und der tatsächlich für alle mit dem Betrieb des Fahrzeuges zusammenhängenden Kosten aufkommt.

Da die Klägerin diese Voraussetzungen erfüllte, ist das Ergebnis der Entscheidung des Landesozialgerichts, wonach sie Vergünstigungen im Zusammenhang mit der Haltereigenschaft in Anspruch nehmen kann, begrüßenswert.

Link zu § 11 Sozialgesetzbuch II alt und neu:

Das vollständige Urteil finden Sie hier:


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