Das Arbeitsverhältnis von Innenreinger*innen, die in einer Schule eingesetzt sind, ruht in den Ferien, wenn dies wirksam vereinbart ist. Copyright by Adobe Stock/settapong
Das Arbeitsverhältnis von Innenreinger*innen, die in einer Schule eingesetzt sind, ruht in den Ferien, wenn dies wirksam vereinbart ist. Copyright by Adobe Stock/settapong

BEISPIEL 1:
Die Klägerin arbeitet seit über 25 Jahren als Reinigungskraft in einer Förderschule in Paderborn. Während der Arbeitsplatz immer derselbe ist, wechselten die Arbeitgeber. Das Arbeitsverhältnis mit dem beklagten Unternehmen besteht seit August 2017.
 

Tariflicher Urlaub wird nicht gewährt

Der Rahmentarifvertrag für die Gebäudereinigung ist allgemeinverbindlich, gilt also für alle Arbeitsverhältnisse der Branche. Der Tarifvertrag regelt auch die Ansprüche der Arbeitnehmer*innen auf Erholungsurlaub. Dieser beträgt anfangs 28 Tage im Jahr, im 2. Jahr der Beschäftigung 29 Tage und ab dem 3. Jahr 30 Tage.
 
Im Jahr 2018 hatte die Klägerin an 23 Tagen Urlaub, die vom Arbeitgeber vorgegeben waren. Als sie 2019 Urlaub beantragte, bekam sie zu hören, sie dürfe sich die Urlaubstage nicht frei einteilen.
So kam es zwischen dem Mitglied der IG Bau und dem Unternehmen der Gebäudereinigung zu einem Rechtsstreit über die Urlaubstage.
 

Zusatzvereinbarung zur Reinigung in besonderen Einrichtungen

Für das Jahr 2018 hatte die Klägerin diese Vereinbarung als Zusatz zum Arbeitsvertrag unterschrieben:
 
1.   Bei der Reinigung von Einrichtungen, deren Betrieb sich nach den Schulferien eines Bundeslands richtet (z.B. Schulen, Kindergärten) erstreckt sich das aktive Arbeitsverhältnis
a)   auf die Zeiten im Jahr 2018, in denen im Bundesland NRW Schulpflicht besteht
und
b)  auf die nachfolgend konkret aufgeführten Zeiten der Schulferien.

 
Für das Jahr 2018 steht in der Vereinbarung sodann, wann die Mitarbeiterin an welchen Tagen im Jahr wie viele Tage ihres Urlaubs zu nehmen hat. Die Tage liegen sämtlich in den Schulferien. Der Arbeitgeber begnügt sich nicht damit, vorzugeben, dass die Klägerin 15 Tage Urlaub in den Sommerferien und fünf Tage in den Herbstferien zu nehmen hat. Er bestimmt auch die konkrete Lage des Urlaubs.
 
Und es geht noch weiter:
 
c)   auf die nachfolgend konkret aufgeführten Zeiten der Schulferien, in denen der/die Arbeitnehmer/in tatsächlich arbeitet und beispielsweise Grundreinigungsarbeiten durchgeführt werden. Insofern werden folgende Zeiten vereinbart:
 
An dieser Stelle ist die Vereinbarung ohne Inhalt.
 
Es folgt nach den leeren Linien:
 
2.   In den übrigen Zeiten der Schulferien im Bundesland NRW ruht das Arbeitsverhältnis.
 
Wüssten Sie nun, wann Urlaub zu nehmen ist, wann das Arbeitsverhältnis ruht und was überhaupt ein aktives Arbeitsverhältnis ist? Eher nicht. Die Klägerin auch nicht. Zumal sie in den vermeintlichen Ruhezeiten der Schulferien zur Reinigung in der Schule eingesetzt war.
 

Keine Zusatzvereinbarung für das Jahr 2019

Im Folgejahr unterzeichnete die Klägerin keine Vereinbarung zur Reinigung in besonderen Einrichtungen.
 
Sie beantragte Erholungsurlaub für drei Tage vor und nach den Osterfeiertagen sowie 15 Tage innerhalb der Sommerferien und fünf Tage in den Herbstferien.
 
Die beklagte Arbeitgeberin lehnte den Urlaubsantrag unverzüglich ab. Die Klägerin sei nicht berechtigt, die Tage frei aufzuteilen.
 

Keine gütliche Einigung in Puncto Resturlaub

Der DGB Rechtsschutz in Paderborn erhob eine Klage beim örtlichen Arbeitsgericht. Es ging zum einen darum, dass der Urlaub wie beantragt genehmigt wird. Zudem sollte das Gericht feststellen, dass aus 2018 und 2019 noch Urlaubstage offen sind.
 
Immerhin: Nach dem ersten Termin beim Arbeitsgericht erklärte die Beklagte, den Urlaub in den Sommer- und Herbstferien wie beantragt zu genehmigen.
 
Über die noch offenen Urlaubstage war man sich jedoch nicht einig. Hier konnte das Gericht behilflich sein.
 

Der Jahresurlaub beträgt nicht nur 23 Tage

Die Beklagte hatte im Jahr 2018 nur 23 Tage Urlaub gewährt und wollte so auch 2019 vorgehen.
 
Doch das Arbeitsgericht gebot dem Einhalt. Es stellte fest, dass die Klägerin noch einen Urlaubsanspruch von fünf Tagen aus 2018 sowie von elf Tagen aus 2019 habe.
 

Zusatzvereinbarung gilt nur für den Urlaubsanspruch aus 2018

Soweit die Beklagte meinte, die für 2018 unterschriebene Zusatzvereinbarung gelte für die weiteren Jahre fort, widersprachen die Richter*innen.
 
Ein Urlaubsanspruch der Klägerin von nur 23 Tagen ergebe sich aber auch für 2018 nicht. Denn die Zusatzvereinbarung sei unwirksam (nach § 307 BGB). Sie benachteilige die Klägerin unangemessen, da sie nicht klar und verständlich sei.
 

Selbst bei unterstellter Wirksamkeit beträgt der Jahresurlaub nicht nur 23 Tage

Doch, so das Gericht weiter, reduziere sich der Jahresurlaub auch nicht, gehe man von einer wirksamen Vereinbarung aus. 23 Tage sind in der Zusatzvereinbarung mit Datum genannt, an denen die Klägerin Urlaub zu nehmen habe. Diese vorab festgelegten Termine begrenzten jedoch den Urlaubsanspruch nicht.
 
Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Regelung zum Ruhen. Denn hier sei nicht vereinbart, dass sich der Urlaubsanspruch durch das Ruhen verändere. Außerdem habe die Beklagte die Klägerin innerhalb dieser Ruhenszeiten eingesetzt.
 
Es ergab sich also ein Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2018 von 28 Tagen. Davon hatte die Klägerin nur 23 Tage genommen.
 

Urlaub aus 2018 ist nicht verfallen

Urlaub ist bis zum Jahresende zu nehmen. Wird er in das Folgejahr übertragen, ist Ende März Schluss. Doch diese Fristen gelten nicht immer ganz starr. Das Bundesarbeitsgericht hat seine Rechtsprechung geändert. Arbeitgeber können nun ihre Beschäftigten nicht so einfach um ihren Urlaub bringen. Denn dieser kann nur verfallen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aufgefordert hat, den Resturlaub zu nehmen. Er muss außerdem deutlich machen, dass der Urlaub sonst verfällt.
 
Unstreitig ist dies für das Jahr 2018 nicht erfolgt. Die Arbeitgeberin hatte die Klägerin weder über die Anzahl noch über einen Verfall der Urlaubstage informiert. Die Beklagte musste also auch den Resturlaub aus dem Vorjahr noch gewähren.
 
BEISPIEL 2:
 
Die Klägerin aus diesem Beispiel war ab April 2016 als Innenreinigerin bei dem Gebäudereiniger beschäftigt, den wir immer wieder verklagen mussten. In dem Objekt, einem Berufskolleg, reinigte sie schon viele Jahre zuvor, immer als Minijob neben dem Hauptjob. Die Arbeitszeit betrug nur etwas mehr als eineinhalb Stunden pro Tag.
 

2018

Zum ersten Verfahren vor dem örtlichen Arbeitsgericht kam es wegen der Anzahl von Urlaubstagen im Jahr 2018. Der Arbeitgeber gab einen Jahresurlaub von nur 21 Tagen an. Der tarifvertragliche Anspruch der Klägerin bestand aber für 30 Tage.
 
Sie beantragte Urlaub für 24 Tage. Der Arbeitgeber bewilligte keinen dieser Urlaubstage.
Stattdessen berief er sich auf eine Zusatzvereinbarung zur Reinigung in besonderen Einrichtungen. Danach werde der gesamte Jahresurlaub zusammenhängend in den Schulferien vergütet.
Eine solche Sondervereinbarung hatte die Klägerin aber gar nicht unterzeichnet.
 
Noch vor dem Termin beim Arbeitsgericht genehmigte das Unternehmen den beantragten Urlaub.
 
Teil der Klage war auch die fehlende Vergütung von Feiertagen. Karfreitag, Ostermontag, 1. Mai, Himmelfahrt, Pfingstmontag und Fronleichnam  - alles gesetzliche Feiertage. Die Forderung beglich die Beklagte und meinte, damit sei alles geklärt.
 
Da es aber auch um die Anzahl der Urlaubstage ging, nahmen wir  - anders als vom beklagten Unternehmen gewünscht  - die Klage nicht zurück. Zum Termin beim Arbeitsgericht erschien für die Seite der Beklagten niemand. Es erging deshalb ein Versäumnisurteil, mit dem die restlichen Urlaubstage der Klägerin festgestellt wurden  - gemessen an 30 Tagen Jahresurlaub.
 

Rechtsstreit wegen falscher Abrechnung in den Sommerferien

Das ließ das Unternehmen jedoch kalt. Es beharrte auf dem Standpunkt, die Mitarbeiterin müsse in den Schulferien Urlaub nehmen und sei für die Tage, die über den Urlaub hinausgehen, nicht zu entlohnen.
 
So kam es direkt zu einer weiteren Klage. Die Beklagte hatte in den Monaten Juli und August nicht für alle Tage Lohn gezahlt.
 
Wohl um einen Gerichtstermin zu vermeiden, beglich die Beklagte erneut die streitigen Forderungen.
 

2019

Mit 2019 kam ein neues Jahr. Doch leider ging damit keine Einsicht einher.
In der Abrechnung aus Januar war bei „Urlaub Gesamt“ die Zahl 23 eingetragen. Aber immerhin: Schon nach außergerichtlicher Korrespondenz korrigierte das Unternehmen den Jahresurlaub auf die tariflichen 30 Tage.
 
Doch weitere Probleme folgten. Begonnen mit den Osterfeiertagen 2019, für die die Klägerin keine Entgeltfortzahlung erhielt, über den Lohn für die Tage „zwischen den Jahren“ bis zum Resturlaub aus 2019.
 
Letztlich kam die Klägerin immer zu ihrem Recht. Auch, wenn kein Richter/keine Richterin rechtlich urteilen musste, ist einiges dennoch klar:

  • Der Rahmentarifvertrag und damit auch der Urlaubsanspruch gelten für alle Beschäftigte in    der Gebäudereinigung.
  • Der tarifliche Urlaub ist für Reinigungskräfte in Schulen/Kitas nicht zu kürzen.
  • Die Zusatzvereinbarung zur Reinigung in besonderen Einrichtungen kann nur für Beschäftigte gelten, die eine solche Vereinbarung unterschrieben haben.

 

Das Arbeitsverhältnis besteht mittlerweile nicht mehr

Nach einer  - als Schnellschuss unwirksamen  - „Corona-Kündigung“ im April 2020 zog das Unternehmen zwar seine Kündigung zurück. Wenige Monate darauf aber strich die Mitarbeiterin selbst die Segel. Sie bekam ein besseres Jobangebot und konnte das leidige Kapitel endlich abschließen.
 
Da in diesem Beispiel die Klägerin die Zusatzvereinbarung für die Reinigung in Schulen nicht unterschrieben hatte, schauen wir noch auf die Rechtslage, wenn der/die Mitarbeiter*in unterschrieben hat.
 

Wenn eine Sondervereinbarung unterschrieben ist…

…stellt sie eine Ergänzung zum Arbeitsvertrag dar. Es kommt dann darauf an, wie eine solche Vereinbarung formuliert ist. Grundsätzlich gilt:
 

  • Der Arbeitgeber kann vorgeben, dass Urlaub in den Schulferien zu nehmen ist.  
  • Es kann vereinbart werden, dass das Arbeitsverhältnis in bestimmten Zeiten ruht.

 
Ein Ruhen beutet, die Reinigungskraft muss nicht arbeiten und erhält keinen Lohn. Diese Zeiten des Ruhens können auch die Schulferien eines Bundeslandes sein.
 
ABER: Arbeitnehmer*innen müssen genau erkennen können, wann das Arbeitsverhältnis ruht. Das ist nicht der Fall, wenn in der Vereinbarung ein solcher Satz steht:
 
Das aktive Arbeitsverhältnis erstreckt sich auf Zeiten im Jahr, in denen im Bundesland …. Schulpflicht besteht.
 
Ein aktives Arbeitsverhältnis bestünde danach nur für Tage, an denen die Schüler*innen des betreffenden Bundeslands zur Schule gehen müssen.
 
Das Arbeitsgericht München hat eine solche Zusatzvereinbarung für unwirksam erklärt.
Zum einen, da auch sämtliche Feiertage im Jahr von der Regelung zum Ruhen betroffen wären. Zum anderen bliebe unklar, ob außerplanmäßig schulfreie Tage von der Regelung umfasst sind.
Nach der Vereinbarung erstreckt sich das aktive Arbeitsverhältnis auf Zeiten der Schulferien, in denen anteilig Jahresurlaub genommen wird bzw. tatsächlich gearbeitet wird. Hier geht es meist um Grundreinigungsarbeiten. Weiter heißt es:
 
In den übrigen Zeiten der Schulferien im Bundesland …. ruht das Arbeitsverhältnis.
 
Hierzu sagt das Münchner Arbeitsgericht:
(Urteil vom 5. August 2015 - 9 Ca 14247/14)
Eine Regelung in allgemeinen Geschäftsbedingungen, wonach das Arbeitsverhältnis "in den übrigen Zeiten der Schulferien" ruht, sei intransparent und unwirksam, wenn nicht zugleich bestimmt/bestimmbar ist, an welchen Tagen der Schulferien das Arbeitsverhältnis "aktiv" sein soll.
 

Wenig Rechtsprechung

Urteile der Arbeitsgerichte gibt es nicht viele. Die Gebäudereinigung ist eine der Branchen, in denen sich nicht viele Beschäftigte wehren, schon gar nicht, wenn sie keinen gewerkschaftlichen Schutz haben. Und  - wie unser Beispiel 2 zeigt  - wird in dieser Branche gut und gerne versucht, allgemeingültige Gerichtsentscheidungen zu vermeiden.
 
Bis zum Bundesarbeitsgericht (BAG) hat es 2016 eine Sache geschafft, in der es um die Feiertagsvergütung an Weihnachten ging (BAG, Urteil vom 26.10.2016, 5 AZR 456/15).
In der Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag stand:
 
Während dieser Ferienzeiten ruht das Beschäftigungsverhältnis und die sich daraus ergebenden Arbeits- und Lohnfortzahlungspflichten, soweit der Beschäftigte in dieser Zeit keine anderen Einsätze (insb. Vertretungs-/Zusatzeinsätze) erbringt oder die Betriebs-/oder Schulferienzeit nicht durch Urlaub abgedeckt ist.
 
Was das BAG dazu sagt:
Diese Klausel enthalte vermeidbare Unklarheiten und Spielräume für den Arbeitgeber. Die Regelung ließe nicht erkennen, wann Arbeitspflicht bestehen, wann Urlaub gewährt werden und wann das Arbeitsverhältnis ruhen soll.
 
Das galt hier deshalb, weil das Ruhen zwar auf die zeitlich bestimmbaren Schulferien begrenzt war, jedoch ohne die Urlaubszeiträume festzulegen. Zudem hatte der Arbeitgeber die Zeiten nicht bestimmt, in denen zusätzliche Einsätze möglich sein sollten.
 
Im Ergebnis bejahte das BAG hier den Anspruch auf Vergütung für die Feiertage. Ist ein Ruhen wirksam vereinbart, sieht das anders aus. Denn der gesetzliche Anspruch auf Entgeltfortzahlung an Feiertagen setzt voraus, dass die Arbeit und damit der Lohn wegen des Feiertags ausfällt. Das ist nicht der Fall, wenn das Arbeitsverhältnis ohnehin ruht, z.B. in den Weihnachtsferien.
 

Tipps für Betroffene

Die Zusatzvereinbarungen zur Reinigung in besonderen Einrichtungen wirken nur, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer sie unterschreiben. Wir können nicht pauschal dazu raten, die Vereinbarung nicht zu unterschreiben. Wird diese mit dem Arbeitsvertrag bei Einstellung vorgelegt, könnte bei einer Weigerung erst gar kein Arbeitsverhältnis zustandekommen.
 
Je nach Einzelfall kann eine solche Zusatzvereinbarung unwirksam sein. Ihnen als Arbeitnehmer*innen müsste klar sein, wann Arbeitspflicht besteht und wann das Arbeitsverhältnis ruht. Ist das nicht so, ist der Weg zur Gewerkschaft sinnvoll. Diese schaut dann, ob Lohnansprüche oder Urlaubstage offen sind. Der DGB Rechtsschutz vor Ort kann dann Ansprüche gerichtlich durchsetzen.

Rechtliche Grundlagen

§ 307 BGB Inhaltskontrolle
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
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