Schon 2019 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass ein Arbeitgeber seine Beschäftigten darauf hinweisen muss, dass Resturlaub aus dem Vorjahr zu verfallen droht. Wenn er dies unterlässt, verfällt der Urlaub auch nicht. Wir hatten darüber berichtet:
Arbeitgeber müssen Arbeitnehmer vor Urlaubsverfall warnen
Ebenso entschied zwei Monate später das Landesarbeitsgericht Köln. Beiden Urteilen lag eine Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshofes zugrunde. Lesen Sie dazu:
Europäischer Gerichtshof stärkt Arbeitnehmerrecht bei Urlaubsanspruch
Ein Arbeitgeber aus Trier ignoriert die Rechtsprechung des BAG
Nun gelangte ein ähnliches Verfahren an das Arbeitsgericht Trier. Aufgrund der Argumente der Jurist*innen des DGB Rechtsschutzbüros Trier sah das Arbeitsgericht keinen Anlass, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abzuweichen.
Im Trierer Verfahren ließ der Arbeitgeber die Lohnabrechnungen vom Steuerberater erstellen. Im Januar 2020 waren noch Resturlaubsansprüche aus 2019 und der Jahresurlaubsanspruch des Klägers für 2020 aufgeführt.
Bis zum März 2020 hat der Kläger einige Tage Urlaub genommen, die ausweislich der Lohnabrechnung von dem Resturlaubsanspruch aus 2019 abgezogen wurden. Im April verschwanden dann die verbliebenen Resturlaubsansprüche aus 2019 plötzlich aus dem Entgeltzettel. Die Lohnabrechnung enthielt nur noch den Urlaubsanspruch für 2020.
Der Arbeitgeber machte dem Kläger keine Mitteilung über den Urlaubsverfall
Damit war der Kläger nicht einverstanden. Seine Prozessbevollmächtigten aus dem DGB Rechtsschutzbüro Trier verwiesen auf die höchstrichterliche Rechtsprechung. Die war auch aus Sicht des Arbeitsgerichts eindeutig und uneingeschränkt anzuwenden.
Der Arbeitgeber hatte es versäumt, den Kläger rechtzeitig darauf hinzuweisen, dass seine Urlaubsansprüche aus dem Vorjahr verfallen, wenn er sie nicht bis März 2020 nähme.
Der Lohnzettel sagt zum Urlaub nichts aus
Der Arbeitgeber sah das allerdings nicht ein. Der Kläger könne aus der Lohnabrechnung für März 2020 keinen höheren Urlaubsanspruch herleiten. Bei der Mitteilung in der Entgeltabrechnung über eine bestimmte Anzahl von Resturlaubstagen handele es sich nämlich nicht um eine rechtlich bindende Erklärung des Arbeitgebers. Nach dem Bundesurlaubsgesetz verfalle der Urlaub Ende März 2020.
So einfach ist das nicht, stellt das Arbeitsgericht Trier fest. Entgegen der Auffassung des Arbeitgebers sei der Resturlaubsanspruch des Klägers nicht entfallen.
Zwar regele das Bundesurlaubsgesetz, dass der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden müsse. Eine Übertragung sei nur dann möglich, wenn es dringende Gründe dafür gebe. Dann könne der Urlaub in die ersten drei Monate des Folgejahres übertragen werden.
Europarechtliche Bestimmungen geben die Rechtslage vor
Aufgrund europarechtlicher Bestimmungen erlösche der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub aber nur dann, wenn der Arbeitgeber den*die Arbeitnehmer*in zuvor die Lage versetzt habe, den Urlaubsanspruch auch tatsächlich wahrzunehmen und der*die Betroffene den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen habe.
Das müsse der Arbeitgeber klar und rechtzeitig mitteilen. Versäume er das, verfalle der Resturlaubsanspruch nicht.
Auch der tarifliche Mehrurlaub ist nicht verfallen
Das gelte auch nicht nur für den Mindesturlaub, sondern im Fall des Klägers auch für seinen tariflichen Urlaub, sofern der über dem Mindesturlaub liege. Zwar könnten entsprechende Tarifverträge davon abweichende Regeln für den Verfall treffen.
Der hier anwendbare Manteltarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe in Rheinland-Pfalz enthalte aber keine Regelung zum Verfall des tariflichen Mehrurlaubes. Deswegen gelte hier dasselbe wie für den gesetzlichen Mindesturlaub. Auch der tarifliche Mehrurlaub verfalle nur dann, wenn der Arbeitgeber das zuvor klar und rechtzeitig mitgeteilt habe.
Das sei nicht geschehen.
Nachdem der Kläger seine offenen Urlaubsansprüche im Verfahren richtig berechnet hatte, muss der Arbeitgeber nun nachlegen. Die eingeklagten Urlaubstage wird der Kläger nun doch noch nehmen können.
Das sagen wir dazu:
Gerade ist der März vorbei und es stehen vielfach die Entgeltabrechnungen für April an. Da lohnt es sich für Arbeitnehmer*innen, genau hinzuschauen; denn wer genau prüft kann auf dem Lohnzettel im Regelfall auch lesen, wie viel Urlaub der Arbeitgeber in seinen Unterlagen verzeichnet hat.
Ändert sich da plötzlich was, ohne dass eine entsprechende Zahl von Urlaubstagen genommen worden ist, dann stimmt möglicherweise etwas nicht. Betroffene sollten sich nicht scheuen, dann nachzuhaken.
Rechtliche Grundlagen
§ 7 III BUrlG
§ 7 Zeitpunkt, Übertragbarkeit und Abgeltung des Urlaubs
(1) Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, daß ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Der Urlaub ist zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer dies im Anschluß an eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation verlangt.
(2) Der Urlaub ist zusammenhängend zu gewähren, es sei denn, daß dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung des Urlaubs erforderlich machen. Kann der Urlaub aus diesen Gründen nicht zusammenhängend gewährt werden, und hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub von mehr als zwölf Werktagen, so muß einer der Urlaubsteile mindestens zwölf aufeinanderfolgende Werktage umfassen.
(3) Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muß der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist ein nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a entstehender Teilurlaub jedoch auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.
(4) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.
Das sagen wir dazu