Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub nicht mehr wegen Elternzeit kürzen. Die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG), wonach der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der dem/der Arbeitnehmer*in für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen kann, setzt voraus, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub noch besteht. Daran fehlt es, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist und der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaubsabgeltung hat.

Aufgabe der Surrogatstheorie durch den 9. Senat des Bundesarbeitsgerichts


Bisher vertrat das Bundesarbeitsgericht (BAG) zur Kürzungsbefugnis des Arbeitgebers, auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die sogenannte Surrogatstheorie. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats ist der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht mehr Surrogat, also Ersatz, des Urlaubsanspruchs, sondern ein reiner Geldanspruch.


Dieser verdankt seine Entstehung zwar urlaubsrechtlichen Vorschriften. Ist jedoch der Abgeltungsanspruch entstanden, bildet er einen Teil des Vermögens des Arbeitnehmers und unterscheidet sich in rechtlicher Hinsicht nicht von anderen Zahlungsansprüchen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber.

Arbeitgeber kürzt Urlaubsabgeltung wegen Elternzeit


Die Klägerin war ab April 2007 gegen eine monatliche Bruttovergütung von zuletzt 2.000,00 Euro im Seniorenheim der Beklagten als Ergotherapeutin beschäftigt. Bei einer Fünftagewoche standen ihr im Kalenderjahr 36 Urlaubstage zu. Die Klägerin befand sich nach der Geburt ihres Sohnes im Dezember 2010 ab Mitte Februar 2011 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 15. Mai 2012 in Elternzeit.


Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangte sie mit Schreiben vom 24. Mai 2012 sie von der Beklagten die Abrechnung und Abgeltung ihrer Urlaubsansprüche aus den Jahren 2010 bis 2012. Die Geltendmachung blieb jedoch erfolglos. Die Beklagte erklärte gegenüber der Klägerin, der Erholungsurlaub sei wegen der Elternzeit gekürzt worden. Hierauf erhob die Klägerin Klage.

Arbeitsgericht weist Klage ab. Landesarbeitsgericht erkennt Klägerin Anspruch zu.


Nachdem das Arbeitsgericht Hamm die Klage abgewiesen hatte, legte die Klägerin Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) ein. Auf die Berufung der Klägerin änderte die 16. Kammer des LAG Hamm die erstinstanzliche Entscheidung mit Urteil vom 27.06.2013 ab (Az: 16 Sa 51/13).


Die Berufungsrichter erachteten die nachträgliche Kürzung des Erholungsurlaubs der Klägerin für unwirksam und sprachen dieser deshalb Urlaubsabgeltung in Höhe von 3.822,00 Euro brutto zu. Für die Beklagte wurde das Rechtsmittel der Revision beim BAG durch das LAG zugelassen.

Bundesarbeitsgericht bestätigt Berufungsgericht


Die Chance einer Überprüfung der Entscheidung des LAG durch die zugelassene Revision nutzte die Beklagte, was aber für diese nicht von Erfolg gekrönt war. Denn ebenso wie das Gericht der zweiten Instanz, kam der 9. Senat des BAG zu dem Ergebnis, dass die Beklagte nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 15. Mai 2012 mit ihrer Kürzungserklärung im September 2012 den Anspruch der Klägerin auf Erholungsurlaub wegen der Elternzeit nicht mehr verringern konnte.

Hier der Link zur Pressemitteilung zur BAG-Entscheidung vom 19.05.2015 – 9 AZR 725/13

Hier der Link zum Urteil des LAG Hamm vom 27.06.2013, Az: 16 Sa 51/13