Der Arbeitgeber in diesem Fall ist nach eigenen Angaben Spezialist für Convenience-Produkte
Copyright: @ Adobe Stock – lado2016
Der Arbeitgeber in diesem Fall ist nach eigenen Angaben Spezialist für Convenience-Produkte Copyright: @ Adobe Stock – lado2016

Beim Kläger, einem 55-jährigen Produktionsmitarbeiter, verblieb bei der Kürzung pro Fehltag gar kein Weihnachtsgeld. Seine Gewerkschaft NGG forderte den Arbeitgeber auf, das Weihnachtsgeld von rund 630 € nachzuzahlen. Da dies abgelehnt wurde, erhob der DGB Rechtsschutz Bielefeld  beim Arbeitsgericht Klage für den Kläger und weitere Betroffene.

 

Gesetzliche Regelung zur Kürzung von Sondervergütungen

Das beklagte Unternehmen berief sich auf § 4a Entgeltfortzahlungsgesetz. Danach ist eine Vereinbarung über die Kürzung von Leistungen, die der Arbeitgeber zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt erbringt, auch für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit zulässig.

 

Es stellte sich damit zunächst die Frage, ob es sich bei dem Weihnachtsgeld um eine entsprechende Sondervergütung handelt oder um laufendes Arbeitsentgelt. Würde das Weihnachtsgeld zum laufenden Arbeitsentgelt gehören, dürfte es nach der gesetzlichen Regelung nicht gekürzt werden.

 

Diese Frage ließ das Arbeitsgericht offen. Denn Arbeitgeber und Arbeitnehmer hätten keine wirksame Kürzungsvereinbarung im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes getroffen.

 

Das Gericht stellte klar, dass die gesetzliche Regelung es den Arbeitgebern nicht ermöglicht, Sondervergütungen einseitig zu kürzen. Die Kürzung bedürfe einer Vereinbarung. Und eine solche Vereinbarung stehe zwar im Arbeitsvertrag, sei jedoch unwirksam.

 

Unangemessene Benachteiligung nach AGB-Recht

Eine Klausel in einem Arbeitsvertrag kann Arbeitnehmer*innen unangemessen benachteiligen, wenn die Klausel nicht klar und verständlich ist. Die Voraussetzungen und Rechtsfolgen müssen so genau beschrieben sein, dass für den Arbeitgeber keine ungerechtfertigten Beurteilungsräume entstehen.

Eine Klausel muss deshalb die Rechte und Pflichten der Vertragspartner so eindeutig und so verständlich wie möglich darstellen.

 

Daran gemessen erweise sich die Kürzungsabrede als unklar und missverständlich so das Gericht, weil sie im Hinblick auf ihre Voraussetzungen vermeidbare Unklarheiten und Spielräume enthalte.

 

Verweis auf die für die Gesellschaft aktuell geltenden Regelungen

Die Regelung im Arbeitsvertrag zu den Sonderzahlungen beginnt mit diesem Satz:

Der Mitarbeiter erhält Jahressondervergütungen in Form von zusätzlichem Urlaubs und Weihnachtsgeld entsprechend den für die Gesellschaft aktuell geltenden Regelungen, dies sind aktuell…“

 

Schon wegen dieser Formulierung sei die arbeitsvertragliche Klausel intransparent, so das Gericht. Denn danach könne der Arbeitgeber seine aktuell geltenden Regelungen einseitig ändern, ohne dass dies mit dem Kläger gesondert vereinbart werden müsse.

 

Weiterer Verstoß gegen das Transparenzgebot

Weihnachtsgeld wird nach dem Arbeitsvertrag in Höhe von 35 % des Bruttomonatsgehalts mit der Abrechnung für den Monat November ausgezahlt. Weiter heißt es:

"Pro Fehltag wird das Weihnachtsgeld um 1/60 pro Fehltag gekürzt."

 

Das Gericht störte sich hier schon deshalb an der Formulierung, weil auch Arbeitsunfähigkeitszeiten nach einem Arbeitsunfall zu einer Kürzung des Weihnachtsgeldanspruchs führen können. Dies war im Falle des Klägers auch so.

 

Unabhängig davon sei die Klausel intransparent, weil für den Kläger als Arbeitnehmer nicht ersichtlich sei, welche Fehltage zu einem Verlust des Weihnachtsgeldanspruchs führen sollen. Es sei nicht klar, ob dies beispielsweise nur bei einem unberechtigten Fehlen der Fall sein soll oder auch bei Urlaub oder sonstiger Freistellung. Was gelte bei Mutterschutz, Streik oder Arbeitnehmerweiterbildung?

In dem Zusammenhang verwies das Gericht auch auf die im Jahre 2021 im Betrieb nicht ganz seltenen behördlichen Anordnungen von pandemiebedingter Quarantäne. Auch diese könnten „Fehltage“ im Sinne des Arbeitsvertrages sein.

 

Intransparente Kürzungsvereinbarung ist unwirksam

Nach dem Gesetz ist eine Vereinbarung, die intransparent ist, insgesamt unwirksam. Etwas anderes gelte hier für die Kürzungsabrede nicht, so das Gericht. Auch eine ergänzende Vertragsauslegung scheide aus.

 

Das Gericht verurteilte deshalb das beklagte Unternehmen dazu, das Weihnachtsgeld an den Kläger zu zahlen.

Von Seiten des Arbeitgebers besteht noch die Möglichkeit, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Er hat jedoch bereits angekündigt, keine Rechtsmittel einzulegen, sondern in allen Fällen die eingeklagten Beträge nachzuzahlen.