Wenn ein Unternehmen Insolvenz beantragt, beunruhigt das vor allem auch deren Beschäftigte. Ein Insolvenzverfahren bedeutet in aller Regel nicht nur Verzicht auf viele Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Es droht auch der Verlust des Arbeitsplatzes und bedroht die wirtschaftliche Existenz.
Ziel muss sein, das Unternehmen zu sanieren
Ziel der Insolvenzordnung ist auch, die Sanierung eines Unternehmens zu ermöglichen. Im März 2012 hat der Gesetzgeber die Möglichkeit eingeführt, dass Unternehmen bereits in der Zeit zwischen dem Insolvenzantrag und der Eröffnung der Insolvenz (zumeist etwa drei Monate) in Eigenverwaltung Sanierungskonzepte erstellen können, die nach der Eröffnung als Insolvenzplan fortgeführt werden.
Der Gedanke war, Unternehmen dazu zu veranlassen, möglichst früh einen Insolvenzantrag zu stellen und die Sanierung voranzutreiben. Den Gläubigern und damit auch den Arbeitnehmer*innen sollte bereits im Eröffnungsverfahren ein entscheidender Einfluss auf die Sanierungsmaßnahmen eingeräumt werden. Ein vom Gesetzgeber gewolltes Instrument der Sanierung ist dabei die Möglichkeit, dass Forderungen gegen das Unternehmen gegen Geschäftsbeteiligungen getauscht werden (sogenanntes „Debt-Equity-Swap“).
Voraussetzung für die Sanierung in Eigenverwaltung ist ein Insolvenzantrag
Wenn ein Unternehmen nicht mehr dazu in der Lage ist, seine Verbindlichkeiten zu erfüllen, ist es zahlungsunfähig. Zu den Verbindlichkeiten gehören auch alle Schulden, die ein Unternehmen bei seinen Beschäftigten hat, wie etwa deren Arbeitsentgelte. Wenn das gesamte Vermögen des Unternehmens die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, spricht man von Überschuldung.
Ist ein Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet, muss es beim zuständigen Amtsgericht die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragen. Befindet sich das Unternehmen in einer Situation, in der Zahlungsunfähigkeit droht, kann es das Insolvenzverfahren beantragen. Die Zahlungsunfähigkeit droht, wenn das Unternehmen voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten zu der Zeit zu erfüllen, wenn sie fällig werden.
Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie hat der Bundestag beschlossen, dass bei Zahlungsunfähigkeit bis zum 30. September die Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen, ausgesetzt wird, wenn sie infolge der Auswirkungen der Pandemie entstanden ist und Aussicht besteht, sie wiederherzustellen.
Die Zeit zwischen Insolvenzantrag und Eröffnung
Sinn des Insolvenzverfahrens ist, entweder die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens wiederherzustellen oder es geordnet abzuwickeln. Das Amtsgericht prüft den Antrag des Unternehmens zunächst darauf hin, ob eines der drei Insolvenzgründe vorliegt. Liegt es vor, hat das Gericht alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine den Gläubigern nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten.
Für diese Zeit kann das Gericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen und vorläufige Maßnahmen anordnen, um das noch vorhandene Vermögen für die Gläubiger möglichst weitgehend zu sichern. Stellt das Gericht im vorläufigen Verfahren fest, dass das Vermögen des Unternehmens nicht einmal ausreicht, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu decken, weist es den Antrag „mangels Masse“ ab. Reicht das Vermögen noch aus, eröffnet das Gericht das Insolvenzverfahren mit einem Beschluss und bestellt in der Regel einen Insolvenzverwalter. Dieser hat dann die Befugnis, über das Vermögen zu verfügen und nicht mehr der Unternehmer selbst. Für die Beschäftigten tritt er damit an die Stelle des Arbeitgebers.
Das Insolvenzverfahren kann auch in Eigenverwaltung geführt werden
Die Insolvenzordnung (InsO) sieht aber auch die Möglichkeit vor, dass das Gericht die Eigenverwaltung anordnet. Dann wird der Unternehmer gleichsam Insolvenzverwalter in eigener Sache. Voraussetzung ist, dass der Unternehmer die Eigenverwaltung beantragt hat und dem Gericht keine Umstände bekannt sind, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird. Statt eines Insolvenzverwalters bestellt das Gericht einen Sachwalter. Dieser muss die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen und dessen Geschäftsführung sowie dessen Ausgaben für die Lebensführung überwachen.
Im März 2012 trat das „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“ (ESUG) in Kraft, das die Eigenverwaltung ausweitete (vorläufige Eigenverwaltung § 270a InsO) und zugleich das Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO) einführte. Das Gesetz nennt den Begriff „Schutzschirmverfahren“ allerdings nicht, sondern bezeichnet das Verfahren als „Vorbereitung einer Sanierung“.
Das Schutzschirmverfahren ist eine besondere Form der vorläufigen Eigenverwaltung
Auch wenn das Schutzschirmverfahren einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens voraussetzt, stellt es kein Eröffnungsverfahren im klassischen Sinne dar. Vielmehr wird der laufende Betrieb fortgesetzt ohne die typischen insolvenzrechtlichen Beschränkungen. Der Schuldner soll in die Lage versetzt werden, Vorbereitungen dafür zu treffen, sein Unternehmen unter dem „Schutzschirm“ der Insolvenzordnung zu sanieren, bevor ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner werden während des vorläufigen Insolvenzverfahrens in aller Regel untersagt oder einstweilen eingestellt.
Das Schutzschirmverfahren ist zwar eine Form der vorläufigen Eigenverwaltung, hat aber einige Besonderheiten, wegen denen es sich deutlich von der „normalen“ vorläufigen Eigenverwaltung unterscheidet. Wesentlich ist etwa, dass das Gericht dem Unternehmen einräumen muss, unbegrenzt Verbindlichkeiten einzugehen, die sich gegen die Insolvenzmasse richten.
Ein Schutzschirmverfahren kann vom Unternehmen beantragt werden, wenn Zahlungsunfähigkeit droht, aber noch nicht besteht. Zudem darf die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos sein. Mit dem Antrag muss das Unternehmen die Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwaltes oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation vorlegen, aus der sich diese Voraussetzungen ergeben.
Der Unternehmer muss einen Sanierungsplan vorlegen, der nach Eröffnung als Insolvenzplan umgesetzt werden kann.
Das Gericht bestimmt eine Frist von längstens drei Monaten, um einen Insolvenzplan vorzulegen. In diesem Plan muss der Unternehmer sein Sanierungskonzept vorlegen. Zudem setzt es einen vorläufigen Sachwalter ein. Unter dessen Aufsicht und frei von Vollstreckungsmaßnahmen soll das Unternehmen in Eigenverwaltung einen Sanierungsplan erstellen, der anschließend als Insolvenzplan umgesetzt werden könnte, wenn ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet wird.
Nachdem innerhalb der Frist ein Insolvenzplan vorgelegt wird, hebt das Gericht das Schutzschirmverfahren auf und entscheidet, ob ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung oder im Regelinsolvenzverfahren eröffnet wird. Es kann auch die Eröffnung „mangels Masse“ ablehnen, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen. Das dürfte aber im Fall des Schutzschirmverfahrens eher unwahrscheinlich sein.
Das Schutzschirmverfahren kann auf Banken und Lieferanten einen gewissen Druck ausüben, Kompromisse bei der Sanierung von Unternehmen einzugehen
Das Schutzschirmverfahren bietet für das Unternehmen den Vorteil, dass es seine Geschäftstätigkeit fortsetzen kann, ohne dass es durch das Insolvenzrecht erheblich beschränkt wird. Auf der anderen Seite droht die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, was auf die Gläubiger, insbesondere Lieferanten und Banken, einen gewissen Druck erzeugen kann, im Sanierungsverfahren kompromissbereit zu sein. Glückt die Sanierung innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist, kann das Unternehmen den Insolvenzantrag zurücknehmen.
Der Bundestag hat die Bundesregierung im Oktober 2011 aufgefordert, die Wirkung von vorläufiger Eigenverwaltung und Schutzschirm zu evaluieren. Im August 2018 legte die Regierung einen entsprechenden Bericht vor. Es hat sich gezeigt, dass sich die vorläufige Eigenverwaltung durchaus bewährt hat. Das Schutzschirmverfahren hätten die insolventen Unternehmen allerdings eher selten genutzt. Nur in etwas mehr als die Hälfte der Schutzschirmverfahren seien nach der Eröffnung der Insolvenz in Eigenverwaltung weitergeführt worden. „Debt-Equity-Swap“ sei fast gar nicht erfolgt.
Aber gerade die Möglichkeit, Forderungen gegen ein Unternehmen gegen Geschäftsbeteiligungen zu tauschen, könnte ein Weg in der gegenwärtigen Krise sein. Der Staat stellt auch großen Unternehmen über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) Kredite in Aussicht. Wenn diese Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten geraten, weil sie die Kredite später zurückzahlen müssen, könnten in einem Schutzschirmverfahren durch ein „Debt-Equity-Swap“ Schulden beim Staat in Staatsbeteiligung umgewandelt werden.
Rechtliche Grundlagen
8. Teil - Eigenverwaltung (§§ 270 - 285)
§ 270
Voraussetzungen
(1) Der Schuldner ist berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen, wenn das Insolvenzgericht in dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eigenverwaltung anordnet. Für das Verfahren gelten die allgemeinen Vorschriften, soweit in diesem Teil nichts anderes bestimmt ist. Die Vorschriften dieses Teils sind auf Verbraucherinsolvenzverfahren nach § 304 nicht anzuwenden.
(2) Die Anordnung setzt voraus,
1. dass sie vom Schuldner beantragt worden ist und
2. dass keine Umstände bekannt sind, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird.
(3) Vor der Entscheidung über den Antrag ist dem vorläufigen Gläubigerausschuss Gelegenheit zur Äußerung zu geben, wenn dies nicht offensichtlich zu einer nachteiligen Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners führt. Wird der Antrag von einem einstimmigen Beschluss des vorläufigen Gläubigerausschusses unterstützt, so gilt die Anordnung nicht als nachteilig für die Gläubiger.
(4) Wird der Antrag abgelehnt, so ist die Ablehnung schriftlich zu begründen; § 27 Absatz 2 Nummer 4 gilt entsprechend.
§ 270a
Eröffnungsverfahren
(1) Ist der Antrag des Schuldners auf Eigenverwaltung nicht offensichtlich aussichtslos, so soll das Gericht im Eröffnungsverfahren davon absehen,
1. dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot aufzuerlegen oder
2. anzuordnen, dass alle Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind.
Anstelle des vorläufigen Insolvenzverwalters wird in diesem Fall ein vorläufiger Sachwalter bestellt, auf den die §§ 274 und 275 entsprechend anzuwenden sind.
(2) Hat der Schuldner den Eröffnungsantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit gestellt und die Eigenverwaltung beantragt, sieht das Gericht jedoch die Voraussetzungen der Eigenverwaltung als nicht gegeben an, so hat es seine Bedenken dem Schuldner mitzuteilen und diesem Gelegenheit zu geben, den Eröffnungsantrag vor der Entscheidung über die Eröffnung zurückzunehmen.
§ 270b
Vorbereitung einer Sanierung
(1) Hat der Schuldner den Eröffnungsantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gestellt und die Eigenverwaltung beantragt und ist die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos, so bestimmt das Insolvenzgericht auf Antrag des Schuldners eine Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans. Die Frist darf höchstens drei Monate betragen. Der Schuldner hat mit dem Antrag eine mit Gründen versehene Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation vorzulegen, aus der sich ergibt, dass drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist.
(2) In dem Beschluss nach Absatz 1 bestellt das Gericht einen vorläufigen Sachwalter nach § 270a Absatz 1, der personenverschieden von dem Aussteller der Bescheinigung nach Absatz 1 zu sein hat. Das Gericht kann von dem Vorschlag des Schuldners nur abweichen, wenn die vorgeschlagene Person offensichtlich für die Übernahme des Amtes nicht geeignet ist; dies ist vom Gericht zu begründen. Das Gericht kann vorläufige Maßnahmen nach § 21 Absatz 1 und 2 Nummer 1a, 3 bis 5 anordnen; es hat Maßnahmen nach § 21 Absatz 2 Nummer 3 anzuordnen, wenn der Schuldner dies beantragt.
(3) Auf Antrag des Schuldners hat das Gericht anzuordnen, dass der Schuldner Masseverbindlichkeiten begründet. § 55 Absatz 2 gilt entsprechend.
(4) Das Gericht hebt die Anordnung nach Absatz 1 vor Ablauf der Frist auf, wenn
1. die angestrebte Sanierung aussichtslos geworden ist;
2. der vorläufige Gläubigerausschuss die Aufhebung beantragt oder
3. ein absonderungsberechtigter Gläubiger oder ein Insolvenzgläubiger die Aufhebung beantragt und Umstände bekannt werden, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird; der Antrag ist nur zulässig, wenn kein vorläufiger Gläubigerausschuss bestellt ist und die Umstände vom Antragsteller glaubhaft gemacht werden.
Der Schuldner oder der vorläufige Sachwalter haben dem Gericht den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit unverzüglich anzuzeigen. 3Nach Aufhebung der Anordnung oder nach Ablauf der Frist entscheidet das Gericht über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
§ 270c
Bestellung des Sachwalters
Bei Anordnung der Eigenverwaltung wird anstelle des Insolvenzverwalters ein Sachwalter bestellt. Die Forderungen der Insolvenzgläubiger sind beim Sachwalter anzumelden. Die §§ 32 und 33 sind nicht anzuwenden.