Ständig auf Abruf, aber bei der Bezahlung nur Nachteile -  die Innenreinigerin musste sich vor Gericht durchsetzen. © Adobe Stock: Diego Cervo
Ständig auf Abruf, aber bei der Bezahlung nur Nachteile - die Innenreinigerin musste sich vor Gericht durchsetzen. © Adobe Stock: Diego Cervo

Innerhalb von zwei Wochen sollte die Innenreinigerin 13 Stunden arbeiten. Tatsächlich waren es jedoch mehr. Der Arbeitgeber zahlte ihr 10 € pro Stunde. Nach einer längeren Arbeitsunfähigkeit erhielt sie ihren Lohn für August 2022 ausgezahlt. Später erhielt die Mitarbeiterin eine weitere Abrechnung für denselben Monat, der Arbeitgeber zahlte jedoch nichts. Auch im September wurde eine Lohnabrechnung ausgestellt, allerdings mit einem negativen Auszahlungsbetrag.

 

Die Frau arbeitete viel länger als vereinbart

 

Vertreten durch Thomas Marek vom DGB Rechtsschutzbüro Hannover klagte die Frau ihre Ansprüche ein. Marek legte dem Arbeitsgericht eine genaue Aufstellung der einzelnen, von seiner Mandantin geleisteten Arbeitsstunden vor. Ihm fiel auf, dass die Frau monatlich statt der vereinbarten Stundenzahl für insgesamt 38 Stunden zu Reinigungsarbeiten herangezogen worden war.

 

Spätestens seit Anfang 2019 habe der Beklagte teilweise deutlich weniger Stunden vergütet als tatsächlich geleistet worden seien, teilte er dem Gericht mit. Sozialversicherungsbeiträge seien ebenfalls nicht abgeführt worden. Er verwies mit seiner Klagebegründung außerdem auf einen Verstoß gegen das Mindestlohngesetz.

 

Der Arbeitgeber seinerseits trug im Prozess vor, dass kein Verstoß gegen das Mindestlohngesetz vorliege, da ein Arbeitszeitkonto vereinbart worden sei, welches ausgeglichen gewesen sei. Etwaige Sozialversicherungsbeiträge habe er zur Vermeidung einer Anzeige bei der Zollverwaltung nachgezahlt.

 

Das Arbeitsgericht hielt die Klage für begründet

 

Das Gericht sprach der Klägerin die geltend gemachten Zahlungsansprüche zu. Die Klägerin habe in ihrer Klage die geleisteten Arbeitsstunden aufgelistet. Diese Stunden seien vom Beklagten für die streitgegenständlichen Monate nicht konkret bestritten worden. Die Kammer legte sie deshalb bei ihrer Entscheidung als unstreitig zu Grunde.

 

Weiter führt das Gericht aus:

 

„Der Beklagte hat lediglich eingewandt, dass ein Arbeitszeitkonto geführt worden sei, um die monatlichen Höchstgrenzen des geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses zu wahren. Dieses sei über das Jahr gesehen ausgeglichen. Der Beklagte scheint zu meinen, dass er Stunden, die über der Geringfügigkeitsschwelle lagen, mit Minusstunden aus anderen Zeiträumen verrechnen konnte. Dies greift aber vorliegend bereits deshalb nicht durch, weil die Belastung eines Arbeitszeitkontos mit Minusstunden voraussetzt, dass der Arbeitgeber diese Stunden im Rahmen einer verstetigten Vergütung entlohnt hat und der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet ist, weil er die in Minusstunden ausgedrückte Arbeitszeit vorschussweise vergütet erhalten hat.“

 

Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn der*die Arbeitnehmer*in allein darüber entscheiden könne, ob eine Zeitschuld entstehe und er*sie damit einen Vorschuss erhalte. Es komme andererseits zu keinem Vorschuss der Vergütung, wenn auf Grund einer Entgeltfortzahlung eine Vergütung auch ohne Arbeit beansprucht werden könne. Gleiches gelte für den Fall, dass sich der Arbeitgeber in Annahmeverzug befinde, weil das Risiko der Einsatzmöglichkeit bzw. des Arbeitsausfalls vom Arbeitgeber zu tragen wäre.

 

Die Vergütung der Klägerin war in jedem Monat anders

 

Der Beklagte habe in den letzten Monaten unterschiedliche Beträge ausgezahlt. Die Klägerin sei zu unterschiedlichen Zeiten zur Arbeit herangezogen worden und zwar nachweislich für mindestens 38 Stunden im Monat. Dem sei der Beklagte nicht entgegengetreten. Bei flexibler Arbeit nach Abruf und einer nicht gleichbleibenden Vergütung komme keine Verrechnung von Minusstunden in Betracht, da anderenfalls Lohnansprüche aus Annahmeverzug umgangen würden.

 

Der Anspruch der Klägerin sei auch nicht erloschen. Der Beklagte habe ihn weder ganz noch teilweise erfüllt.

 

Der Arbeitgeber könne bei der Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuer eine teilweise Erfüllung einwenden. Dann müsse er aber konkret dazu vortragen, wann in welcher Höhe auf welche Bruttoforderung der Klägerin abgeführt worden sei. Geschehe das nicht, könne das Gericht keine Tilgungsbestimmung erkennen und der Vortrag bleibe für das Gericht nicht nachvollziehbar. Der Beklagte habe hierzu nichts weiter mitgeteilt.

 

Der Beklagte hatte keine Aufrechnung erklärt

 

Der Anspruch sei auch nicht durch Aufrechnung des Beklagten erloschen. Er habe überhaupt keine Aufrechnung erklärt. Dementsprechend sei im Weiteren auch nicht nachvollziehbar, mit welchem Rückzahlungsanspruch der Beklagte aus seiner Sicht gegen welche Forderung der Klägerin konkret habe aufrechnen wollen.

 

Etwaige Überzahlungen wären im Übrigen nach dem Rahmentarifvertrag der Gebäudereinigung, der allgemeinverbindlich sei, verfallen. Der Beklagte hätte diese innerhalb von zwei Monaten geltend machen müssen.

 

Damit kann die Klägerin nun dank der guten Prozessvertretung durch den DGB Rechtsschutz mit einer Nachzahlung rechnen.