Wie so häufig kam es auch in dem Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern zu einem Streit eines Notfallsanitäters mit seinem Arbeitgeber über die Höhe der Vergütung von Zeiten, in welchen er Bereitschaft leistete.
 

Die Arbeitszeit wurde auf 54 Stunden je Woche verlängert

Der Arbeitsvertrag sah vor, dass die tatsächliche Einsatzzeit im Bereich der aktiven Rettung höchstens 25 % der Arbeitszeit beträgt. Deshalb wurde die regelmäßige Arbeitszeit von 40 Wochenstunden auf 54 Stunden wöchentlich verlängert. Bei einem 24-Stunden-Dienst ergab sich damit eine anrechenbare Arbeitszeit von 17,8 Stunden.
 
Der Kläger verrichtete durchweg 24-Stunden-Schichten in einer 54-Stunden-Woche. Sein Arbeitgeber führte für ihn ein Jahresarbeitszeitkonto auf der Grundlage einer 40-Stunden-Woche. Eine 24-Stunden-Schicht im Rettungsdienst ging dabei mit 17,8 Vollzeitstunden in das Arbeitszeitkonto ein - genauso wie es im Arbeitsvertrag vereinbart war.
 

Der Kläger wollte die gesamte 24-Stunden-Schicht bezahlt haben

So wurde der Kläger auch bezahlt. Dieser vertrat allerdings die Ansicht, sein Arbeitgeber sei verpflichtet, die gesamte 24-Stunden-Schicht mit dem vollen Stundensatz zu vergüten bzw. im Arbeitszeitkonto mit 24 Stunden anzurechnen. Er hielt die Vereinbarung im Arbeitsvertrag zur Vergütung für unwirksam. Sie verstoße gegen Vorschriften des Tarifvertragsgesetzes, wonach all das, was durch Tarifvertrag geregelt sei, im Arbeitsvertrag nicht geregelt werden dürfe.
 
Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern meinte dazu, schon das Gesetz regele grundsätzlich wie Dienstleistungen zu bezahlen seien. Dabei gelte eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die betreffende Dienstleistung den Umständen nach üblicherweise nur gegen eine Vergütung erwartet werden könne.
 

Die Bezahlung von Sonderleistungen kann stillschweigend vereinbart werden

Diese Vorschrift gelte nicht nur für die Fälle, in denen überhaupt keine Vereinbarung über eine Vergütung getroffen worden sei. Sie gelte vielmehr auch dann, wenn über die vertraglich geschuldete Tätigkeit hinaus Sonderleistungen erbracht würden, die von der vertraglichen Vereinbarung nicht erfasst seien und die auch kein Tarifvertrag regele.
 
Dazu gehöre auch der Fall, dass ein Arbeitnehmer mehr Arbeit erbringe als vertraglich vereinbart sei. Er schulde nämlich für die vereinbarte Vergütung auch nur die vereinbarte Tätigkeit.
 

Im Bereitschaftsdienst überwiegt die Zeit ohne Arbeitsleistung

Nach seinem Arbeitsvertrag müsse der Kläger Vollarbeitszeit und Bereitschaftsdienst erbringen. Während des Bereitschaftsdienstes überwiege die Zeit ohne Arbeitsleistung. Arbeitsbereitschaft müsse aber ebenso wie Bereitschaftsdienst vergütet werden. Das habe das Bundesarbeitsgericht bereits vielfach entschieden.
 
Allerdings müsse der Bereitschaftsdienst nicht wie Vollarbeit vergütet werden. Die Arbeitsvertragsparteien könnten für diese Sonderform der Arbeit ein geringeres Entgelt als für Vollarbeit vereinbaren.
 

Bereitschaftsdienst über der wöchentlich zulässigen Höchstarbeitszeit bleibt Bereitschaftsdienst

Es gelte auch dann, wenn der Bereitschaftsdienst zusammen mit der regulären Arbeitszeit die zulässige wöchentliche Höchstarbeitszeit überschreite. Bereitschaftsdienst, den der Arbeitgeber nicht hätte anordnen dürfen und den der Arbeitnehmer dennoch leiste, bleibe Bereitschaftsdienst. Er werde nicht von selbst zu einer vollen Arbeitsleistung mit einem dementsprechenden Anspruch auf Vergütung.
 
Wenn der Bereitschaftsdienst gegen geltende Arbeitsschutzvorschriften verstoße, seien die zugrunde liegenden Anordnungen des Arbeitgebers zwar nichtig. Das führe aber nicht dazu, dass auch die Vergütungsvereinbarung nichtig wäre.
 

Die Vorschriften zum Arbeitsschutz sollen eine Überbeanspruchung verhindern

Die Vorschriften zur Arbeitszeit, den Ruhepausen und zur Ruhezeit dienten dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer. Sie sollten Sie vor einer Überbeanspruchung bewahren, die die Gesundheit gefährden könnte. Eine angemessene Vergütung der Arbeit wollten Arbeitsschutzbestimmungen demgegenüber nicht sicherstellen.
 
Es widerspreche auch dem Ziel des Gesundheitsschutzes, finanzielle Anreize für ein Überschreiten der Arbeitszeit zu setzen, indem beispielsweise die geringere Vergütung für Bereitschaftsdienste auf den Stundenlohn für Vollarbeit angehoben werde.
 

Die Vergütungsvereinbarung des Klägers ist wirksam

Der Kläger habe mit seinem Arbeitgeber ein festes Monatsgehalt vereinbart. Der Arbeitsvertrag regele keine unterschiedlichen Vergütungssätze für Vollarbeit und Bereitschaftsdienst. Der Kläger habe das vereinbarte Entgelt vollständig erhalten. Die Vergütungsvereinbarung sei auch wirksam, denn die Höhe des Gehaltes verstoße nicht gegen die guten Sitten. Ebenso wenig sei der Mindestlohn unterschritten.
 
Der Kläger habe auch keine Arbeitsleistung erbracht, die nicht vergütet worden sei. Die geleisteten 24-Stunden-Schichten habe der Arbeitgeber vollständig bezahlt. Aus der Tatsache, dass er dem Arbeitszeitkonto nur 17,8 Stunden gutgeschrieben habe folge nicht, dass jeweils 6,2 Stunden nicht vergütet worden seien.
 

Das Arbeitszeitkonto wird auf der Grundlage der 40-Stunden-Woche geführt

Die Arbeitszeit des Klägers erfasse der Arbeitgeber in einem Arbeitszeitkonto. Darin stünden im Allgemeinen die Zeiten, zu welchen der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht aus dem Arbeitsvertrag erbracht habe. Es fänden sich darin etwa auch Hinweise auf Zeiten der Entgeltfortzahlung.
 
Der Arbeitgeber führe das Arbeitszeitkonto des Klägers auf der Grundlage einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Stunden je Woche. Soweit der Kläger außerhalb des Bereitschaftsdienstes Vollarbeit leiste, werde dies auch 1:1 in das Arbeitszeitkonto übernommen. Für den Bereitschaftsdienst gelte eine höhere regelmäßige Wochenarbeitszeit, so dass eine Umrechnung nötig werde, damit die geleisteten Stunden miteinander vergleichbar seien. Das dürfe der Arbeitgeber auch so machen.
 

Der Kläger erhielt eine vollständige Vergütung

Der Umrechnungsfaktor ergebe sich aus dem Verhältnis der vereinbarten soll Arbeitszeit zur 40-Stunden-Woche. Die Arbeitszeit des Klägers würde damit nicht vertragswidrig gekürzt. Damit könne der Kläger keine Arbeitszeiten aufweisen, die der Arbeitgeber noch nicht vergütet oder noch nicht durch Freizeit ausgeglichen habe


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Rechtliche Grundlagen

§ 611 a BGB, 612 BGB

§ 611a Arbeitsvertrag
(1) Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.
(2) Der Arbeitgeber ist zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.


§ 612 Vergütung
(1) Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.
(2) Ist die Höhe der Vergütung nicht bestimmt, so ist bei dem Bestehen einer Taxe die taxmäßige Vergütung, in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.
(3) (weggefallen)