Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen - Instanzengerichte contra Bundesarbeitsgericht. Copyright by Fotolia/Kaesler Media
Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen - Instanzengerichte contra Bundesarbeitsgericht. Copyright by Fotolia/Kaesler Media

Verzugspauschale nicht mit dem Bundesarbeitsgericht …

Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vor gut einem Jahr sollen Arbeitnehmer/innen die gesetzliche Verzugspauschale von 40 € nicht einfordern können - auch wenn sie die ihnen zustehende Arbeitsvergütung vom Arbeitgeber zu Unrecht nicht oder nur teilweise oder zu spät erhalten.
 
Obwohl der Wortlaut des Gesetzes da eigentlich eindeutig ist: Nach § 288 Abs.5 BGB hat jeder „Gläubiger einer Entgeltforderung“ (also auch ein(e) Arbeitnehmer*in) bei Verzug des Schuldners (also des Arbeitgebers) einen Anspruch auf die Pauschale i.H.v. 40 €. Das BAG meint jedoch, diese gesetzliche Regelung gelte nicht für Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis.
 
Diese Frage war seit Einführung der Verzugspauschale im Jahr 2016 auch unter den Arbeitsgerichten umstritten. Die meisten Arbeits- und Landesarbeitsgerichte haben den Anspruch auf die Verzugspauschale auch für Arbeitnehmer*innen anerkannt; einzelne Gerichte meinten aber, im Arbeitsverhältnis sollte dieser Anspruch nicht bestehen.
 

… aber ohne das Bundesarbeitsgericht ?

Die Entscheidung des höchsten deutschen Arbeitsgerichts im September 2018 sollte hier eigentlich für Rechtsklarheit sorgen. Die war allerdings nur von kurzer Dauer: Weil die Entscheidung bzw. die Begründung des BAG kaum nachvollziehbar war, hatten bereits wenige Tage nach dem Urteil die ersten Arbeitsgerichte ausdrücklich gegen das BAG entscheiden und Arbeitgeber zur Zahlung der Verzugspauschale verurteilt. Auch in zahlreichen juristischen Aufsätzen und Stellungnahmen wurde die Entscheidung des BAG z.T. deutlich kritisiert.
 
Inzwischen hat sich auch ein erstes Landesarbeitsgericht (LAG) der Entscheidung der Bundesrichter*innen widersetzt:
 
Das LAG Chemnitz hat in einem jetzt veröffentlichten Urteil vom 17.7.2019 entschieden, dass -entgegen der Auffassung des BAG- die gesetzliche Regelung der Verzugspauschale (§ 288 Abs. 5 BGB)  nicht durch arbeitsgerichtliche, prozessrechtliche Sondervorschriften verdrängt werde. Die Berufungsrichter*innen haben in der Entscheidung kurz und deutlich auf den insoweit klaren Wortlaut des Gesetzes verwiesen: Die Verzugspauschale setzt den Verzug des Schuldners voraus und stellt keine „Entschädigung wegen Zeitversäumnis“ des Gläubigers dar. Auf diese prozessrechtliche Vorschrift, wonach vor den Arbeitsgerichten kein Anspruch auf „Entschädigung wegen Zeitversäumnis“ besteht, hatte das BAG seine Auffassung aber maßgeblich gestützt.
 
Das LAG Chemnitz kommt dementsprechend zu dem Fazit:  
„Die entgegenstehende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts entfernt sich grundlos vom Gesetzeswortlaut.“
 
 

Die Frage bleibt spannend

Das letzte Wort in dieser Angelegenheit wird weiter auf sich warten lassen. Die beklagte Arbeitgeberin hat wie erwartet Revision gegen das Urteil eingelegt, so dass das Verfahren nun wieder beim BAG liegt. Da nicht davon auszugehen ist, dass dort jetzt anders als vor einem Jahr entschieden wird, würde dann als letzter Schritt nur eine Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht bleiben.
 
Hier geht es zur Entscheidung des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 17. Juli 2019, Az: 2 Sa 364/18
 
Für Interessierte:
Beitrag zum Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. September 2018, Az:8 AZR 26/18 (Arbeitsgerichte contra Bundesarbeitsgericht)

Rechtliche Grundlagen

§ 288 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

§ 288 BGB Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.