Unwirksame Lohnkürzung. Copyright by eyewave/Fotolia
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Der Kläger hatte im Januar 2000 bei der T-GmbH eine Beschäftigung als KFZ-Mechaniker aufgenommen. In einem zwischen dem Kläger und der T-GmbH  im Dezember 2000 abgeschlossenen Änderungsvertrag wurde die Anwendung der regional geltenden Mantel- und Lohntarifverträge für Arbeitnehmer des Kraftfahrzeug-Handwerks, -Handels und -Gewerbes in ihrer jeweils letzten Fassung vereinbart.

 

2013 Betriebsübergang  - Fortbestand der bisherigen Arbeitsbedingungen vereinbart 

Zum Ende des Jahres 2013 kam es zu einem Betriebsübergang auf die Beklagte. Am 19. Dezember 2013 wurde zwischen dem Kläger und der Betriebsübernehmerin unter anderem vereinbart, dass der Besitzstand des Mitarbeiters durch den Betriebsübergang nicht berührt werde und die Zahlung von Urlaubsgeld (40 % des durchschnittlichen monatlichen Bruttogehaltes) gemäß dem Besitzstand gelte. Zuletzt erhielt der Kläger einen Stundenlohn von € 13,71 brutto. Wie in den Jahren zuvor wurde ihm das Urlaubsgeld im Juni des jeweiligen Jahres ausgezahlt.

Beklagte kündigt Kläger fristlos  - Parteien schließen Vergleich

Mit Schreiben vom 02.03.2017 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos. In dem nachfolgenden Kündigungsschutzprozess schlossen die Parteien einen Vergleich, nach dem das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2017 endet. Die Beklagte verpflichtete sich, den Kläger unter Fortzahlung der Bezüge unwiderruflich von der Arbeitsleistung freizustellen, das Arbeitsverhältnis bis zum Beendigungstermin ordnungsgemäß abzurechnen und die sich ergebenden Nettobeträge auszuzahlen. Die Parteien waren sich zudem einig, dass mit der Freistellung sämtliche noch bestehenden Resturlaubsansprüche aus dem Jahr 2017 abgegolten sind.

Beklagte hält sich nicht an den Vergleich

Für die Monate März 2017 bis September 2017 rechnete die Beklagte das Arbeitsverhältnis ab. Allerdings nicht auf der Grundlage des zuletzt gezahlten Stundenlohnes von 13,71 Euro brutto, sondern nur mit einem Stundenlohn von 12,89 Euro brutto. Die Beklagte begründete dies damit, dass der Kläger nicht mehr als Servicetechniker tätig gewesen sei. Im Beisein des Serviceleiters sei ihm mitgeteilt worden, dass der zukünftige Stundenlohn 12,89 Euro brutto betrage. Hiergegen habe der Kläger keine Einwände erhoben. Im Übrigen habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Urlaubsgeld, da er im Juni 2017 keinen Urlaub genommen habe.

Kläger klagt Lohndifferenzen ein 

Erstinstanzlich war die Klage des erfolgreich. Das Arbeitsgericht verurteilte die Beklagte, an den Kläger als restliches Arbeitsentgelt für den Zeitraum März 2017 bis September 2017 sowie als Urlaubsgeld insgesamt € 1.551 brutto zu zahlen. Gegen dies Entscheidung legte die Beklagte Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) ein.

Beklagte geht in Berufung

Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos,
Vereinbart hatten die Parteien zuletzt einen Stundenlohn von € 13,71 brutto. Spätere, hiervon abweichende Vereinbarungen wie z.B. eine Änderungsvereinbarung über die Lohnhöhe, so das LAG,  lagen nicht vor.

Ob eine Äußerung oder ein schlüssiges Verhalten als Willenserklärung zu verstehen ist, bedarf der Auslegung. Von einem Vertrag zwischen den Parteien, der durch übereinstimmende Willenserklärungen zustande kommt und durch den sich eine Lohnreduzierung ergeben könne, sei nicht auszugehen.

Schweigen ist im Rechtsverkehr grundsätzlich keine Willenserklärung. Jedenfalls ist bei einem Arbeitsverhältnis im Falle nachteiliger Änderungen im Bereich der Hauptleistungspflichten regelmäßig nicht von einer stillschweigenden Annahmeerklärung auszugehen, solange die Folgen der Änderung noch nicht eingetreten sind. Ob und ggf. wann die Beklagte dem Kläger mitgeteilt habe, den Lohn um 6 % kürzen zu wollen, sei deshalb unerheblich. Denn es fehle an einem Verhalten des Klägers, aus dem sich bei verständiger Betrachtung ein Einverständnis mit einer Lohnkürzung herleiten lassen könne.

Auch hat der Kläger Anspruch auf ein Urlaubsgeld i.H.v. 40 % des durchschnittlichen monatlichen Bruttogehalts. Die Zahlung hänge gerade nicht davon ab, ob der Kläger im Juni bzw. bis zum Juni den gesamten Jahresurlaub oder einen Teil davon bereits genommen habe. Eine solche Einschränkung lasse sich weder dem Wortlaut des Arbeitsvertrages noch dem Sinn und Zweck des Urlaubsgeldes entnehmen. Zwar solle das Urlaubsgeld regelmäßig dazu beitragen, den urlaubsbedingten finanziellen Mehrbedarf zu bestreiten. Dennoch könne das Urlaubsgeld nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht an Gewährung des Urlaubs gekoppelt werden. Da der wesentliche Teil des Erholungsurlaubs typischerweise in den Sommermonaten gewährt und genommen werde, biete es sich geradezu an, das Urlaubsgeld im Juni auszuzahlen.

Hier finden Sie das vollständige Urteil

Rechtliche Grundlagen

§§ 611a, 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

§ 611a BGB
Arbeitsvertrag
(1) 1Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. 2DasWeisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. 3Weisungsgebundenist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.4Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. 5Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. 6Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.

(2) Der Arbeitgeber ist zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

§ 133 BGB
Auslegung einer Willenserklärung
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.


§ 157 BGB
Auslegung von Verträgen
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.